In SAPs Mittelstandsgeschäft geht’s rund

30.01.2007
Neues Produkt, neuer Vertrieb, neuer Chef - SAP will endlich den Durchbruch schaffen.

Donna Troy, Executive Vice President für das indirekte Partnergeschäft von SAP, nimmt Abschied. Die amerikanische Managerin war im Juli 2004 zu dem deutschen Softwarehaus gestoßen und hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren am Aufbau des Partnergeschäfts mitgewirkt. Aber offenbar nicht effektiv genug. Bereits im vergangenen November berief das SAP-Management mit Hans-Peter Klaey einen neuen starken Mann für das immer wichtiger werdende Mittelstandsgeschäft. Als President Global Small and Midsize Enterprise soll er den weltweiten Vertrieb, das Marketing und das operative Geschäft mit SAPs Mittelstandssoftware leiten.

Das sagt die Konkurrenz

Jim Schaper, CEO von Infor: "Man muss sich fragen, ob SAP den Mittelstand wirklich versteht oder ob diese Strategie allein der Versuch ist, von dem schleppenden Geschäft mit der Fortune-500-Kundenbasis abzulenken."

Peter Dewald, Deutschland-Geschäftsführer von Sage: "Wir stehen wiederholten Mittelstandsoffensiven von globalen Wettbewerbern gelassen gegenüber. Insbesondere dann, wenn diese Ankündigungen noch so vage sind wie kürzlich vorgestellt."

Bruce Francis, Vice President Salesforce.com: "Es ist fantastisch, wir sollten Henning Kagermann einen Geschenkkorb schicken. Er hat die Türen zu einem bislang fest verschlossenen Markt aufgestoßen."

Hier lesen Sie ...

• welche Produktstrategie SAP den Weg in den Mittelstand ebnen soll;

• welche Ziele der Konzern damit verfolgt;

• warum Querelen um Personal und Produktfragen das Geschäft noch verderben können.

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Turbulenzen bei SAP

Spekulationen, mit der Berufung von Klaey entmachte SAP Troy, hatte der Konzern vor zwei Monaten noch entrüstet dementiert. Der Abtritt der Amerikanerin rückt die Vorgänge nun in ein anderes Licht und macht deutlich, wie turbulent der Umbau von SAPs Mittelstandsgeschäft vonstatten geht.

Ob es Klaey gelingt, Ruhe in SAPs schlingernde Mittelstandssparte zu bringen, erscheint fraglich. Nicht nur das Personalkarussell dreht sich, auch in Sachen Produktstrategie haben die Walldorfer ihr Ziel noch nicht erreicht. "Mit einem neuen Ansatz für den Erwerb, den Einsatz und die Finanzierung von Geschäftssoftware will SAP weitere Kundensegmente im Mittelstand erschließen", bestätigten die badischen Softwerker kürzlich Spekulationen, der Konzern arbeite an einem neuen Mittelstandskonzept. Noch will sich SAP nicht in die Karten schauen lassen.

Eine neue Software soll es richten

Bestätigt hat SAP lediglich, dass es eine völlig neue Software geben soll, die parallel zu dem bestehenden Angebot für kleine und mittelständische Firmen entwickelt wurde - Codename "A1S". Die Lösung werde das bestehende Softwareportfolio ergänzen und auf einer Service-orientierten Architektur (SOA) aufbauen, hieß es. Anwender könnten die enthaltenen ERP- und CRM-Funktionen im Hosting-Verfahren einsetzen oder on-Demand als Software-Service beziehen.

SAP verrät keine Preise ...

In welchem Preissegment SAP unterwegs sein will, wurde bislang nicht verraten. Auch zu den möglichen Hosting- und On-Demand-Partnern liegen noch keine Informationen vor. Zunächst will SAP das Hosting selbst übernehmen. Partner würden jedoch eine wichtige Rolle in dem neuen Konzept spielen, ließ der Softwarehersteller verlauten. Wann die Mittelstandssoftware auf den Markt kommen soll, steht ebenfalls noch nicht fest. Aktuell testet der Konzern sein Produkt intern. Da sich SAP im laufenden Geschäftsjahr 2007 (Ende: 31. Dezember 2007) keinen Beitrag zum Umsatz verspricht, ist mit dem offiziellen Launch wohl erst Ende des Jahres zu rechnen.

Den Anwendern verspricht SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann eine zügige Implementierung sowie eine einfache Bedienung. Das Produkt soll im so genannten "Try-Run-Adopt"-Verfahren angeboten werden, das den Kunden ermöglicht, die Software zunächst auszuprobieren.

Ansprechen will SAP mittelständische Firmenkunden, die bislang mit dem Softwareportfolio aus Walldorf nichts anfangen konnten. "Deren Anforderungen erfüllen weder traditionelle Softwareangebote noch bestehende On-Demand-Lösungen", so Kagermann. SAP zufolge ist das adressierte Marktsegment noch ziemlich unberührt, weil die betroffenen Firmen proprietäre oder alte Softwarelösungen einsetzten. Die Kunden zeichneten sich dadurch aus, dass sich zügig zu implementierende Lösungen haben wollten und bereit seien, auf umfangreiches Customizing zu verzichten.

Von Kollisionen des neuen Produkts mit der bestehenden Mittelstandssoftware will SAP nichts wissen. Die Zielgruppe liege zwischen der von "All-in-One" und "Business One", hieß es, angesprochen werden demnach Betriebe mit 100 bis 1000 Mitarbeitern. Business One liege darunter, All-in-One gehe an Firmen mit 1000 bis 2500 Mitarbeitern. Das Gesamtvolumen dieses potenziell erreichbaren Marktes beziffert Kagermann auf 15 Milliarden Dollar.

Um hier zu punkten, muss SAP jedoch erst einmal selbst Geld in die Hand nehmen. Man werde in die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells investieren, ließ der Hersteller verlauten. Neue Vertriebsstrukturen sollen den Weg in Richtung Volumengeschäft und ein größeres Partnernetz ebnen. Verantwortlich dafür ist SAPs neuer starker Mann für den Mittelstand Hans-Peter Klaey.

Die neue Strategie lässt sich SAP in den kommenden zwei Jahren zwischen 300 und 400 Millionen Euro kosten. Dafür nimmt der Softwarekonzern Abstriche beim Gewinn in Kauf. Die operative Marge soll wegen der geplanten Investitionen im laufenden Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte niedriger ausfallen als vorgesehen. Demnach liegt die geplante Spanne für 2007 zwischen 26 und 27 Prozent. Im zurückliegenden Jahr hatte sie 27,3 Prozent betragen.

... legt die Latte hoch ...

SAPs Ziele sind ehrgeizig. Bis zum Jahr 2010 soll sich die Kundenzahl auf rund 100 000 verdreifachen. Da das Feld der Großkunden weitgehend abgegrast ist, wird sich der Hersteller hauptsächlich an Mittelständler halten müssen, um die Vorgaben zu erreichen. Das neue Produkt soll jährlich 10 000 neue Kunden bringen. Nach vier Jahren erhoffen sich Walldorfer damit einen Umsatz von einer Milliarde Euro jährlich. Das gesamte adressierbare Marktvolumen soll sich von 30 Milliarden Dollar im Jahr 2005 auf etwa 70 Milliarden Dollar im Jahr 2010 erhöhen.

Analysten zufolge wird es für SAP höchste Zeit, sein Geschäftsmodell zu reformieren. Der Konzern sei zu abhängig von seinen Großkunden, monierte beispielsweise John Segrich von J.P. Morgan. Schwankungen in diesem Bereich würden sich sofort negativ auf das Lizenzgeschäft auswirken. Außerdem sei SAP bislang den Nachweis schuldig geblieben, im SaaS-Geschäft punkten zu können, kritisierten Analysten von Gartner. Mit seiner CRM-on-Demand-Lösung sei SAP erst spät und nach langem Zögern in den Markt für Softwareservices eingestiegen. Bislang schweigt SAP beharrlich zu Ergebnissen und Kundenzahlen.

... und lässt Fragen offen

SAP hatte in den vergangenen Jahren wiederholt angekündigt, mehr Geschäft im Mittelstand zu suchen, erreichte damit aber nach Einschätzung vieler Experten nicht die eigenen Ziele. Diverse Umstrukturierungen in diesem Geschäftsbereich sorgten zudem für Unruhe. Ob die neue Initiative greift, wird auch davon abhängen, ob SAP seine Mittelstandskunden für die Softwareservices begeistern kann. Bislang zögern die meisten Mittelständler noch (siehe Seite 42).

Für SAP gilt es zunächst, Antworten auf die offenen Fragen zu liefern. So muss unter anderem klar werden, wie sich die neue Software zu den bereits bestehenden Mittelstandslinien "All-in-One" und "Business One" positioniert. Vor allem die Partner, die bereits Lösungen rund um die SAP-Software gestrickt haben, werden wissen wollen, wie es um die Zukunft ihrer Kernapplikationen bestellt ist.

Die SAP-Verantwortlichen sind um Zuversicht bemüht. Nach der eigenen Definition mache der Konzern bereits 65 Prozent seines Geschäfts im Mittelstand. Auch Kagermann mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. So ein Produkt gebe es bislang nicht auf dem Markt, brüstet sich SAPs Leitwolf. "SAP ist dabei, Softwaregeschichte zu schreiben." (ba)