Guter Service ist Mangelware

In Sachen Support herrscht in Deutschland Notstand

14.03.1997

Der Alptraum eines jeden Anwenders, bei technischen Problemen ohne Hilfe dazustehen, ist auch in Deutschland tägliche Realität. Wegen der rasend schnellen technologischen Entwicklung verfügen auch User-Supports in Firmen nicht immer über das nötige Wissen, um Systemfehler schnell in den Griff zu bekommen.

Meistens ist es mit der Problemeingrenzung allein nicht getan. Ersatzteile müssen beschafft werden, die der Anwender dann aber häufig wegen Garantiebestimmungen gar nicht selbst einbauen darf. So ist die Abhängigkeit von den Service-Technikern der PC-Anbieter groß.

In den USA gehen viele Anwenderunternehmen bereits dazu über, Hardwarelieferanten ausschließlich nach Qualität und Preis ihres Supportangebotes auszuwählen. Aus diesem Grund sind etwa in den USA Hotlines kostenlos.

Auch in Deutschland hat man - glaubt man den Werbeaussagen - die Zeichen der Zeit erkannt. Hotlines sind hierzulande aber nur über normale Vorwahlen oder 0190er- beziehungsweise 0180-Nummern zu erreichen und dementsprechend teuer. Bei Problemen mit der Hard- und Software zahlt zunächst einmal der Kunde, auch wenn es sich um Kleinigkeiten wie Telefoneinheiten für einen Anruf beim Hersteller handelt.

Mit Privatkunden gehen die Rechnerhersteller etwas freigebiger um: Hier existiert zum Teil kostenloser Hotline-Support. Eine lobenswerte Ausnahme macht Gateway 2000: Unter der gebührenfreien 0130/820840 gewährt das Unternehmen auch Geschäftskunden kostenlose Hilfe.

Keine Reaktion auf Faxanfragen

Der einfachste Weg, sich über den Support eines Unternehmens einen ersten Eindruck zu verschaffen, ist ein Hilferuf per Faxanfrage. Der Kunde darf erwarten, daß sein an die Zentrale eines Unternehmens gerichtetes Fax weitergeleitet und innerhalb von zwei Tagen beantwortet wird, wenn er die für Supportabteilungen speziellen Faxnummern nicht parat hat. Die COMPUTERWOCHE wollte wissen, ob dem in der Tat so ist.

Das Ergebnis spricht für sich: Unsere Anfragen wurden von der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) nach zwei, von Peacock nach sechs und von Gateway 2000 nach sieben Tagen beantwortet. Die ebenfalls abgefragten Unternehmen IBM, Hewlett-Packard (HP), Dell, Compaq und Escom hatten sich auch nach zwei Wochen noch nicht gemeldet. Während die schwarzen Schafe die Faxanfragen völlig ignorierten, beantworteten SNI, Peacock und Gateway 2000 diese sehr ausführlich auf mehreren Seiten.

Kostenlosen Vor-Ort-Service bieten zwar fast alle Unternehmen an, doch die Reaktions- und Bereitschaftszeiten sind für Geschäftskunden oft viel zu lang (siehe Tabelle auf dieser Seite). Wer schnellere Hilfe erwartet, muß dafür tief in die Tasche greifen.

Für Dienstleistungen rund um die Uhr einschließlich Feiertagen, verlangt Peacock die höchsten Preise (telefonisch erfragt bei Peacock: 1708 Mark bei 36 Monaten Laufzeit). Gateway 2000 und HP kennen allerdings gar keinen Vor-Ort-Service rund um die Uhr. Die anderen Hersteller bieten diese Leistung nur im Rahmen individuell abgeschlossener Verträge.

Die CW wollte herausfinden, wie rationell, schnell und fachkundig deutsche Hotlines beraten. Stichprobenartig testete die Redaktion deshalb drei Call-Center von Herstellern und drei kommerzielle Support-Center von unabhängigen Dienstleistern. Dazu provozierten wir selbst einen Fehler, indem wir den Maustreiber im Bios deaktivierten. Die Maus ist daraufhin nicht mehr zu bedienen.

Auch ein unerfahrener Anwender ist bei dieser Art von Problem aber ohne weiteres in der Lage, bei geeigneter Telefonhilfe das Problem zu lösen. Für solch ein technologisch banales Problem ist es nicht nötig, extra einen Servicetechniker anreisen zu lassen. Uns interessierte, welche Lösungsvorschläge die Hotline-Mitarbeiter präsentieren würden.

SNI: Nach zehn Sekunden sind wir mit der Zentrale verbunden, die unsere Anfrage aufnimmt. Da es sich um einen sogenannten Call-back-Service handelt, werden wir von einem SNI-Mitarbeiter zurückgerufen, worauf wir neun Minuten warten mußten. Von nun an gehen die Telefongebühren auf Rechnung von SNI. Der Fehler ist nach zehn Minuten eingegrenzt. In dieser Zeit fand der Mitarbeiter für das Versagen der Maus fünf verschiedene mögliche Ursachen.

Nachdem wir ihn darauf hingewiesen hatten, das die Maus seit einer Installationsarbeit am Vortag nicht mehr funktioniert, führte der Mitarbeiter uns direkt ins Bios-Menü und fand den Fehler zielgenau. Allerdings hätte die kompetente Hilfe 90 Mark gekostet, da es sich wegen der Fehlbedienung durch den Anwender um keinen Garantiefall handelte.

Dell: Dell ist bekannt für seine kostenlose Hotline, die für die gesamte Lebensdauer der Rechners angeboten wird. Wir wollten wissen, was dieser großzügige Service zu leisten vermag. Nach vier Minuten in der Warteschleife meldet sich ein Mitarbeiter und fragt nach der sogenannten TAG-Nummer, unter der alle Support- und Installationsvorgänge der letzten Zeit abgespeichert werden. Dell realisiert das durch eine ausgeklügelte Kundendatenbank, in der praktisch ein komplettes Profil des Dell-Rechners abgelegt ist. Zunächst wird uns, wie bei der SNI, empfohlen, die Maus auszutauschen. Der schnell in gebrochenem Deutsch sprechende und deshalb schwer zu verstehende Mitarbeiter empfiehlt uns, das System mit der Dell-Diagnostic-Diskette zu booten, die Fehlermeldung der Software zu notieren und dann zurückzurufen. Die gesamte Beratung dauert lediglich zwei Minuten, und wir sind mit unserem Problem wieder auf uns allein gestellt. Do-it-yourself statt Kundensupport?

Bei einem neuerlichen Hotline-Gespräch - diesmal mit einem anderen Dell-Mitarbeiter - will dieser von der Diagnostic-Diskette überhaupt nichts wissen. Er kommt sofort zu dem Schluß, die Systemplatine sei defekt. Auch die Kosten nennt er direkt: 500 Mark für das Board, 300 Mark für den Techniker. Andere Ursachen wie Treiber-Deinstallationen oder Hardwarekonflikte hält er von vornherein für ausgeschlossen, obwohl wir mit dem Hinweis auf eine Hardware-Installation am Vortag wieder unseren versteckten Tip geben.

IBM: Wie bei der SNI dauert es nur zehn Sekunden, bis wir mit dem Support von Big Blue verbunden sind. Zunächst wird uns geraten, den Maustreiber unter Windows 95 zu kontrollieren. Der ist installiert und meldet Bereitschaft. Bereits der zweite Vorschlag zielt auf das Bios unseres IBM-Rechners. Hier findet sich ein Testprogramm, mit dem es dem Anwender möglich ist, das gesamte System auf Fehler zu überprüfen. Läge ein Hardwarefehler oder Adressenkonflikt vor, hätten wir jetzt den Verursacher, aber noch nicht die Lösung des Problems gefunden. Dazu ist ein weiterer Anruf notwendig, um auch dieses Problem zu beseitigen. Daß wir "versehentlich" den Maustreiber deaktiviert haben, ermittelt das Testprogramm dabei allerdings nicht.

Aspi (Rödermark): Für 3,60 Mark pro Minute bietet der herstellerunabhängige kommerzielle Beratungsservice Aspi an sieben Tagen in der Woche von 8 bis 24 Uhr Unterstützung bei Hard- und Softwarefragen. Die Minutenpreise sind zwar hoch, doch immerhin fallen bei dieser Supportform nur dann Kosten an, wenn wirklich Not am Mann ist.

Nur neun Sekunden müssen wir auf eine Verbindung warten, dann können wir das Problem beschreiben. Der Mitarbeiter fragt schnell die Eckdaten unseres Rechners ab und informiert sich als bisher einziger, ob neue Hard- oder Software installiert wurde. Auf unser Bejahen werden wir sehr ausführlich über die Problematik von IRQ- und DMA-Konflikten und die Möglichkeiten, solche aufzuspüren, informiert. Auch der Ausbau der vorgeblich neu installierten Karte wird uns empfohlen. Alle Erklärungen und Tips zeugen von großer Erfahrung und Kompetenz. Nach etwa sieben Minuten hat uns der Aspi-Mitarbeiter eine ganze Liste von Möglichkeiten an die Hand gegeben, um unser Problem zu lösen. Wermutstropfen: Auf die Idee, die Maus über das Bios wieder zu reaktivieren, kommt der Aspi-Spezialist ebenfalls nicht.

PC Help (Bingen): Zu den gleichen Konditionen wie Aspi, allerdings 24 Stunden am Tag, bietet PC Help seine Dienste an. Nach acht Sekunden meldet sich ein Mitarbeiter. Zunächst werden wir, korrekterweise, nach neuen Installationen gefragt. Da wir bestätigen, neue Hardware installiert zu haben, informiert man uns wie schon bei Aspi detailliert über IRQ- und DMA-Hardwarekonflikte. Dies erfordert einige Zeit (insgesamt neun Minuten), in der allerdings auch sehr nützliche Hinweise zur Behebung des Problems gegeben werden. Der Mann am Telefon kennt sich aus und kann auch schwierige Sachverhalte schnell erklären.Im typischen Fall eines Hardwareproblems hätten wir genügend Lösungsansätze, um das Problem in den Griff zu bekommen. Doch auf die Möglichkeit, daß der Maustreiber deaktiviert wurde, sei es über das Betriebssystem oder per Bios, kommt auch der PC-Help-Mitarbeiter trotz eindeutiger Hilfen unsererseits nicht.

1&1 Service GmbH ( Dortmund): Trotz gut ausgebauter Helpline mit 200 Mitarbeitern für Hard- und Softwarefragen und einem Rund-um-die-Uhr-Service an 365 Tagen kostet bei 1&1 die Minute Computer-Seelsorge nur 2,40 Mark. Nach etwa 17 Sekunden in einer Warteschleife kommt der Supportmitarbeiter schnell zur Sache und erklärt, was bei einem Hardwarekonflikt zu tun ist.Er beschreibt die einzelnen Schritte recht genau und nennt uns auch einige bisher nicht gehörte Tricks, um den Verursacher der Störung schneller zu finden (beispielsweise Windows im abgesicherten Modus hochfahren, über die Systemsteuerung den Fehler vom Betriebssystem aufspüren lassen etc.).

Nach unserer üblichen, nochmaligen Frage nach weiteren Problemlösungsmöglichkeiten kommt der Hotline-Berater selbst auf eine versehentliche Manipulation im Bios und löst das Problem nach sieben Minuten.

Jeder Kunde von 1&1 erhält auf Wunsch eine eigene Kundennummer, unter der alle Vorgänge und der Names des bearbeitenden 1&1-Spezialisten abgespeichert werden - ein nützlicher Service bei wiederholten Rückfragen oder im Falle von neuerlichen Problemen, die aber im Zusammenhang mit alten stehen könnten. Eine solche Kundendatenbank bietet ansonsten nur Dell unter den TAG-Nummer.

Fazit: Da in jeder Hotline meist mehr als 100 Mitarbeiter arbeiten, ist die Qualität der Beratung immer etwas unterschiedlich. Dennoch sollte ein gewisses Niveau sichergestellt sein, immerhin ist keiner der erwähnten Hilfsdienste kostenlos. Trotzdem konnten nur SNI und 1&1 Service unseren Fehler aufspüren. IBM und Dell verurteilten uns zur Selbsthilfe mittels eines Testprogramms.

Besonders schlecht erschien uns der Dell-Service. Wenn man schon vier Minuten in der Warteschleife hängt und dann auch noch Schwierigkeiten hat, den Supportmitarbeiter zu verstehen, dann sollte zumindest ein zweiter Anruf bessere Früchte tragen. Doch die einzige angebotene Lösung, daß nämlich die Systemplatine defekt sei, war in diesem Fall nicht nur die teuerste, sondern auch die unwahrscheinlichste Erklärung.

Durchweg professionell erschien uns bei unseren Stichproben hingegen die Hilfe der kommerziellen Anbieter. Die Beratung zeugte durchweg von großem Sachverstand und geschultem Personal.

Vor-Ort-Service mit Reaktionszeiten von ein bis drei Tagen (bei später Störungsannahme gegen Ende der Bereitschaftszeit sogar noch einen Tag länger) sind für ein Unternehmen unzumutbar. Die von vielen Herstellern versprochene Hilfe beim Anwender entpuppte sich als Bluff. Allenfalls für den Privatanwender ist ein solches Angebot akzeptabel. Der auf einen besseren Service angewiesene kommerzielle Anwender aber muß in Deutschland tief in die Tasche greifen. Dies gilt selbst dann, wenn er gleich ein Dutzend Rechner auf einmal einkauft.

*Michael Funk ist freier Journalist in St. Johann.