Business Report

In München glühen die Drähte

19.06.2006
Von 
Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.
Für die Fußball-WM 2006 sind rund 15 000 Journalisten aus aller Welt akkreditiert. Im Münchner Medienzentrum laufen die Kommunikationsstränge zusammen.

Sonntag, 18. Juni: Das Münchner Medienzentrum ist zum Bersten gefüllt, alle Arbeitsplätze sind belegt. Weltmeister Brasilien spielt gegen Australien. Auf der Pressetribüne hat längst hektische Betriebsamkeit eingesetzt. Wer Glück hatte, sitzt an einem Platz mit TV-Gerät und Arbeitspult für sein Notebook. Er kann schon während des Spiels an seinem Artikel schreiben und diesen kurz nach dem Abpfiff via Internet an seine Redaktion senden oder direkt online stellen.

Die Medien-WM kommt teuer

• 400 Kilometer AV-Kabel sind für die Videoübertragung im IBC verlegt;

• 50 Kilometer Stromkabel;

• 2500 Lampen leuchten in den Produktionsbüros und den Fernsehstudios;

• acht Kilometer lang sind die Rohre der Sprinkleranlage;

• 1,9 Megawatt an elektrischer Leistung kommen direkt aus den Steckdosen;

• 2,2 Megawatt sind zusätzlich über Notstromaggregate gesichert;

• 15 Millionen Euro kosten Aufbau und Unterhalt des IBC.

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Für das Vernetzen und Ausrüsten der Medienarbeitsplätze auf den Tribünen und den Medienzentren der zwölf Stadien ist der FIFA-Partner T-Systems zuständig. Das Unternehmen hat in allen Medienbereichen schnelle 2 Mbit-Internet-Anschlüsse in doppelter Ausführung sowie rund 30 000 ISDN-Telefonanschlüsse installiert. In den Pressezentren gibt es zusätzlich WLAN-Funknetze. Die Kabel für die Internet-Anschlüsse - sie sind übrigens in Magenta gehalten - laufen in Server-Schränken zusammen.

Nichts geht ohne Backup

Im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern beispielsweise steht dieser Schrank am Rand der letzten Reihe der Pressetribüne. Während des Spiels Australien gegen Japan waren in Kaiserslautern vier Techniker auf der Tribüne im Einsatz, um das System am Laufen zu halten. "Um sämtliche Übertragungswege ausfallsicher zu machen, sind die Internet-Anbindungen auf der Pressetribüne, am Spielfeldrand, in den Medienzentren sowie sämtliche Netzanschlüsse doppelt ausgelegt", erklärt Ralph Dietz, Leiter IT & Telekommunikation beim lokalen WM-Organisationskomitee. "Sollte ein Anschluss einmal ausfallen, übernimmt der zweite sofort dessen Arbeit."

Die hochwertige Ausstattung hat jedoch auch ihren Preis. Auf der Pressetribüne kostet beispielsweise ein ISDN-Telefonanschluss pro Spiel inklusive aller Gesprächskosten und Endgerät 250 Euro, ein Breitband-Internet-Zugang pro Spiel 170 Euro. Etwas günstiger wird es, wenn man ein Paket für alle Spiele im Stadion kauft. In den Stadion-Medienzentren schlägt der Breitband-Internet-Zugang für das gesamte Turnier mit 460 Euro zu Buche. Auffallend viele Kollegen nutzen für ihr Notebook UMTS-Karten.

Die eigentliche Zentrale für die Medien ist das Internationale Medienzentrum (IMC) auf dem Messegelände in München. Es teilt sich auf in das International Broadcasting Center (IBC) für TV- und Radioanstalten sowie das Main Press Center (MPC) für die schreibende Presse. Da auch die Stadien ihre Medienzentren vorhalten, ist die Bedeutung des MPC allerdings deutlich geringer. Selbst an Tagen mit interessanten Spielen sind nur wenige Journalisten mit Notebook an den Medienarbeitsplätzen anzutreffen.

Das IBC - eine Saunalandschaft

Herzstück des Internationalen Medienzentrums ist das IBC, die technische Zentrale für Fernsehen, Rundfunk und neue Medien. Es befindet sich auf insgesamt 30000 Quadratmetern Fläche in drei Hallen der Messe München und ist aus Sicherheitsgründen nur mit FIFA-Ausweis zu betreten. Das IBC erinnert an eine Saunalandschaft, da die Studios für 125 Fernsehsender und Radiostationen aus Fichtenholz gezimmert sind. Die größten Studios haben die mexikanischen Sender Televisa (950 Quadratmeter) und TV Azteca (600 Quadratmeter) angemietet, das andere Extrem ist ein kleiner TV-Sender aus Argentinien, dessen Reporter in einem Kabuff mit geschätzten sechs Quadratmetern arbeiten.

Günter Netzer hat die Kontrolle

Alle Fernsehsender, die von der WM 2006 berichten, produzieren die Bilder, die sie ausstrahlen, nicht selbst. Das gilt auch für ARD und ZDF. Die Hoheit über die Bilder hat die 1999 gegründete Fernseh-Produktionsfirma "Host Broadcast Services" (HBS), eine Tochter der Schweizer Sportrechte-Agentur "Infront", die weltweit die Rundfunkrechte der WM 2006 vermarktet. Geschäftsführer von Infront ist Günter Netzer.

Die HBS ist exklusiv für Produktion und Ausstrahlung der TV-Übertragungen von sämtlichen FIFA-Wettbewerben verantwortlich. Ihre Techniker und Regisseure stellen die Bilder vom Spielgeschehen zusammen, lediglich Zwischenschnitte etwa auf die nationalen VIP-Logen oder Spielerbänke stammen von zusätzlichen Kameras. HBS wird während der Fußball-WM voraussichtlich 2200 Stunden Fernsehen aus München in alle Welt senden.

Glasfaser statt Satellit

HBS betreibt einen gigantischen technischen Aufwand, um die Spiele der WM 2006 ins rechte Bild zu rücken. Um ja kein Detail zu verpassen, werden mindestens 25 Kameras in jedem Stadion eingesetzt, beispielsweise Führungskameras, Kameras am Spielfeldrand, im Tornetz oder auf dem Stadiondach. Im Stadion prüft das Technical Operations Center die gesamten Videoströme auf ihre Qualität und schickt diese via Glasfasernetz der Telekom an das IBC.

Das ist ein Novum. "Die TV-Signale aus dem Stadion werden erstmals über ein Glasfaserkabel an das Sendezentrum im IBC übermittelt und erst von da aus via Satellit an die verschiedenen Länder verteilt", erklärt Dietz vom lokalen Organisationskomitee. Das Glasfaserkabel kann dank Transferraten von mindestens 155 Mbit/s (theoretisch 20 Gbit/s) die großen Datenmengen übertragen. Auch hier ist die Leitung redundant ausgelegt: Fällt sie aus, wird auf eine zweite umgeschaltet. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass beide Leitungen zusammenbrechen, können die Bilder via Satellit in das IBC übertragen werden.

Master Control Room

Im IBC laufen die Bilder aus den Stadien im so genannten Master Control Room zusammen. Dort sitzen Techniker vor zahllosen Monitoren, bedienen Mischpulte und Computer, kombinieren die Bilder mit den Kommentaren der Reporter und Einblendungen (zum Beispiel Spielstand, Auswechslung, Gelbe Karte) und verschicken sie via Satellit an rund 250 Fernsehsender in aller Welt.

Die Herausforderung ist groß. Schließlich müssen die Techniker Bilder von 25 Kameras verarbeiten und eine Vielzahl von Formaten und Bildangeboten (Feeds) berücksichtigen. Die einzelnen Fernsehanstalten können beim HBS individuelle Broadcast-Packages bestellen, die sich aus unterschiedlichen Feeds zusammensetzen.

Herausforderung HDTV

Bei der WM 2006 nehmen die Kameras erstmals einheitlich im digitalen Format HDTV (High Definition Television) und damit im Breitbild-Format 16:9 auf. Die WM-Feeds sind aber auch im klassischen 4:3- oder als Kompromiss im 16:10-Format erhältlich. Auf klassischen Fernsehern sind dann oben und unten schwarze Streifen zu sehen. Damit die Zuschauer an einem Standard-Bildschirm auch nichts verpassen, ist auf dem Sucher jeder Kamera ein 4:3-Bildrahmen aufgebracht. Der Kameramann muss darauf achten, dass wichtige Bildelemente wie der Ball nicht aus diesem Rahmen verschwinden. (hv)