SAP muss bei HANA noch nachbessern

In-Memory-Technik - ein neues Datenbankzeitalter bricht an

09.04.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Hana ist kein Innovationswerkzeug

Innovationspotenzial verbinden momentan allerdings nur wenige Manager mit HANA. Nur gut jeder Fünfte plant HANA als Applikations- und Betriebsplattform für neue Workloads, und lediglich knapp neun Prozent identifizieren HANA als Innovations-Showcase. Dazu kommt, dass nicht einmal jeder siebte Befragte vorhat, neue Geschäftsmodelle beziehungsweise Prozesse sowie die damit zusammenhängenden Risiken mit Hilfe von HANA zu simulieren. Das könnte daran liegen, dass viele Entscheider ihr Unternehmen noch nicht für derartige Workloads gerüstet sehen und Geschäftsmodell-Simulationen noch Zukunftsmusik sind, mutmaßen die Experten.

Ein Umdenken scheint indes in Sachen Betriebsmodell stattzufinden. Offenbar können sich immer mehr Unternehmen mit dem Gedanken anfreunden, HANA aus der Cloud zu beziehen. Nur gut 17 Prozent der Befragten gaben an, das klassische On-Premise-Modell für ihren künftigen HANA-Betrieb zu bevorzugen. Gut zwei Drittel der Befragten bezeichneten die Cloud als das favorisierte Betriebsmodell für den Betrieb von SAP HANA. Dafür würden mehr als ein Drittel der Unternehmen die SAP-eigene Cloud wählen. Allerdings sind auch andere Cloud-Infrastrukturen wie Amazon Web Services (AWS, 8,7 Prozent), Microsoft Azure (14,7 Prozent) oder IBM SoftLayer (8,7 Prozent) für die HANA-Nutzer eine Option.

HANA bildet mittlerweile die grundlegende Plattform für den gesamten Softwarekosmos von SAP. Das gilt für die klassischen On-Premis-Anwendungen wie auch für die neuen Cloud-Lösungen.
HANA bildet mittlerweile die grundlegende Plattform für den gesamten Softwarekosmos von SAP. Das gilt für die klassischen On-Premis-Anwendungen wie auch für die neuen Cloud-Lösungen.
Foto: SAP SE

Die Analysten von Crisp Research warnen jedoch, potenzielle HANA-Cloud-Interessenten müssten sich darüber klar sein, dass die In-Memory-Technik im Cloud-Modus möglichweise nicht alle Vorteile, die SAP anpreist, auch wirklich ausspielen kann. Ein Vorzug liege schließlich in der physikalischen Optimierung durch die direkte Nutzung des Arbeitsspeichers. Liefen diese Prozesse in einem Cloud-Rechenzen­trum ab, müssten Anwender möglicherweise Latenzen hinnehmen, "die entweder zusätzliche Optimierungen notwendig machen oder Einbußen in Sachen Performance mit sich bringen".

HANA-Skills bleiben Mangelware

Grundsätzlich scheint den Verantwortlichen klar zu sein, dass eine HANA-Umstellung kein Spaziergang ist. Schon in der Vorbereitung identifizierten die Unternehmen eine Reihe von Hürden. So befürchtet fast jeder dritte IT-Entscheider, dass die eigene IT-Mannschaft zu wenige Kenntnisse besitzt, um ein HANA-System professionell betreiben zu können. Diese Lücke lässt sich offenbar nicht so einfach mit externem Know-how schließen. Immerhin ein Viertel der Befragten konsta­tierte, dass auch der eigene Dienstleister nicht fit genug für HANA ist.

Neben dem fehlenden Wissen bereitet den Unternehmen auch Sorge, dass es keine passenden Migrationskonzepte für Nicht-SAP-Systeme gibt. Da SAP selbst keine Lösungen an dieser Stelle anbietet, müssten Anwender auf Partner zurückgreifen beziehungsweise selbst Alternativen entwickeln, um ihre Nicht-SAP-Systeme für die HANA-Welt anzupassen. "Der Ansatz, anbieterfremde Systeme nur umständlich migrieren zu können, widerspricht stark dem derzeitigen Trend zur Plattformoffenheit und einfachen Integrierbarkeit heterogener Systeme", monieren die Analysten.

Darüber hinaus äußerte sich jeder fünfte Entscheider mit HANA-Erfahrung enttäuscht. Die Ergebnisse des Proof of Concept (PoC) hätten nicht den Erwartungen entsprochen. Weiteren 19 Prozent fehlten eine stärkere Evaluation und valide Bewertung der Use Cases. "Die Identifikation der konkreten Potenziale und Einsatzzwecke scheint somit zumindest in einigen Unternehmen noch zu stocken", lautet das Fazit von Crisp Research.

In der praktischen Umsetzung unterscheiden sich die Probleme rund um eine HANA-Um­stellung kaum von anderen IT-Projekten. Insbesondere die Überschreitung von Zeit- (35 Prozent) und Geldbudgets (29 Prozent) sehen die Anwender im Rahmen der Umfrage als größte Herausforderungen im Zuge einer HANA-Mi­gration. Aus Sicht der Analysten gehörten diese Probleme jedoch zum "guten Ton" eines jeden größeren IT-Projekts und stellten Ärgernisse, aber keine Ausschlussgründe dar. Die Verantwortlichen sollten entsprechend Puffer einbauen und Verzögerungen einplanen.

Deutlich kritischer einzustufen sind aus Sicht des Analystenhauses technische Probleme, mit denen offensichtlich etliche Anwender in der Umsetzung ihrer HANA-Projekte zu kämpfen hätten. Mehr als jeder fünfte IT-Entscheider kritisierte eine aus seiner Sicht nicht ausreichende Systemstabilität. Weitere 18 Prozent gaben zu Protokoll, dass ihre Erwartungen hinsichtlich der Performance nicht erfüllt worden seien. Beide Aspekte sind Crisp zufolge K.o.-Kriterien, die über den weiteren Erfolg oder Misserfolg entscheiden könnten. Die Stabilität sei immerhin ein wesentlicher Faktor, anhand dessen Anwender das Leistungsniveau einer In-Memory-Datenbank-Plattform bewerteten. "Nur mit einem stabilen und performanten System können die hohen Anforderungen der befragten Entscheider erfüllt werden", konstatieren die Analysten. "Hier muss SAP noch nachbessern."

HANA ist noch zu teuer

Darüber hinaus sind die Kosten aus Anwenderperspektive noch zu hoch. Einführung und Betrieb von HANA seien zu teuer, sagen 17,3 Prozent der befragten IT-Entscheider. Auch in der Liste der Verbesserungsvorschläge stehen vor allem Kostenaspekte ganz oben auf der Wunschliste der Anwender. 44 Prozent der Befragten fordern ein attraktiveres Lizenzmodell für HANA. Fast jeder Dritte wünscht sich mehr Out-of-the-Box-Lösungen mit einem attraktiven Preismodell, und 28 Prozent verlangen geringere Wartungskosten.

"Run Simple" verspricht SAP-Chef Bill McDermott seinen Kunden und weniger Komplexität in deren IT-Infrastruktur. Maßgeblich dazu beitragen soll die In-Memory-Datenbank HANA.
"Run Simple" verspricht SAP-Chef Bill McDermott seinen Kunden und weniger Komplexität in deren IT-Infrastruktur. Maßgeblich dazu beitragen soll die In-Memory-Datenbank HANA.
Foto: SAP SE

Mehr als jeder vierte IT-Entscheider gab außerdem an, dass er sich weniger Komplexität rund um HANA wünsche. Das ist insofern interessant, als SAP seinen Kunden gerade mit HANA eine Reduktion der Komplexität in deren IT-Infrastrukturen in Aussicht stellt. SAP-Chef Bill McDermott hatte auf den zu­rückliegenden Großveranstaltungen der Softwerker das Motto "Run Simple" als neues Mantra auserkoren. Eine entsprechende Praxis scheinen allerdings etliche Kunden noch nicht bestätigen zu können.

Siegeszug von In-Memory ist unaufhaltsam

Obwohl der Umfrage zufolge durchaus einige Hürden hinsichtlich der Einführung und dem Betrieb von HANA zu meistern sind, äußern sich die Analysten von Crisp Research zuversichtlich über die Zukunft von Technik und Plattform. In-Memory-Techniken wie SAP HANA hätten das Nischendasein hinter sich gelassen. Es sei unstrittig, dass in In-Memory-Plattformen ein großes Potenzial stecke. Die Experten begründen dies mit der digitalen Transformation, die eine leistungsfähige technische Basis benötige. Im Zuge der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft würden die anfallenden Datenmengen, die es zu analysieren gelte, weiter stark anwachsen. Um Mehrwerte aus den Daten zu generieren, müssten diese quasi in Echtzeit ausgewertet werden.

Allerdings prognostizieren die Analysten auch, dass sich im Umfeld der In-Memory-Techniken in Zukunft noch einiges tun wird. Anbieter würden ihre Plattformen mit neuen Funktionen ausbauen und so versuchen, weitere Mehrwerte für die Anwender zu schaffen. Auch die Partner und Dienstleister würden zusätzliche Services auf den Plattformen aufbauen.

Die Studie

Die Studie "SAP HANA – die neue Schaltzentrale digitaler und geschäftskritischer Workloads" von Crisp Research untersuchte den derzeitigen Einsatzgrad von In-Memory-Technologien sowie Strategien, Umsetzungsszenarien und Herausforderungen bei der Migration auf eine neue Architektur in deutschen Mittelstands- und Großunternehmen. Der Fokus lag dabei insbesondere auf Unternehmen, die SAP HANA als In-Memory-Datenbank evaluiert haben und zukünftig einsetzen werden.

Zunächst wurden im September 2864 IT-Entscheider online befragt. Davon hatten 1217 bereits erste Berührungspunkte mit In-Memory-Technologien. 200 IT-Entscheider gaben an, im Rahmen der konkreten Anbieterauswahl SAP HANA als In- Memory-Technik zu evaluieren. 150 IT-Entscheider erklärten, SAP HANA bereits einzusetzen beziehungsweise dies in den kommenden zwölf Monaten zu planen. Diese 150 IT-Entscheider hatten sich damit für die weitere Stichprobe qualifiziert.

Branchenverteilung der 150 HANA-Interessenten:

  • Produzierende Industrie: 32,7 Prozent;

  • IT, Telekommunikation und Medien: 12,7 Prozent;

  • Professionelle Dienstleistungen: 10,0 Prozent;

  • Logistik und Verkehr: 9,3 Prozent;

  • Banken und Versicherungen: 9,3 Prozent;

  • Groß- und Einzelhandel: 8,0 Prozent;

  • Versorger und Energiewirtschaft: 6,0 Prozent;

  • Öffentlicher Sektor: 5,3 Prozent;

  • Gesundheitswesen: 4,0 Prozent;

  • Andere Branchen: 2,7 Prozent.