SAP muss bei HANA noch nachbessern

In-Memory-Technik - ein neues Datenbankzeitalter bricht an

09.04.2016
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mehr als jeder vierte IT-Entscheider hat sich bereits intensiv mit In-Memory-Datenbanken auseinandergesetzt, so das Ergebnis einer breit angelegten Umfrage von Crisp Research. Im Zusammenhang mit SAPs In-Memory-Plattform HANA sehen die Befragten allerdings noch Verbesserungspotenzial. Das betrifft technische Aspekte wie Stabilität und Performance, vor allem aber die aus Anwendersicht hohen Kosten.

Im Zuge des digitalen Wandels hat ein neues Zeitalter der Datenbanktechnologien begonnen, lautet das Fazit der Studie "SAP HANA – die neue Schaltzentrale digitaler und geschäftskritischer Workloads". Crisp Research hat sie gemeinsam mit dem Softwarehaus und Dienstleister MT AG erstellt. In-Memory-Datenbanken seien auf bestem Wege, klassische Datenbanksysteme zu verdrängen, heißt es in der Studie. Allerdings zeigen die Antworten der befragten IT-Entscheider auch: Bis es so weit ist, müssen die Anbieter ihre In-Memory-Lösungen besser an die Anforderungen ihrer Kunden anpassen. Und auch die Anwenderunternehmen haben auf ihrem Weg in die In-Memory-Welt noch jede Menge Herausforderungen zu bestehen.

Im Zuge der immer größer werdenden Datenmengen und der wachsenden Anforderungen auf Business-Seite, schnell auf Daten zugreifen zu können und zügig Analyseergebnisse zur Hand zu haben, stoßen die klassischen relationalen Datenbank-Management-Systeme (RDBMS) derzeit an ihre Grenzen. Die IT-Anbieter haben in den vergangenen Jahren verschiedene Konzepte entwickelt, um die wachsenden Datenberge zu durchdringen und die Zugriffsgeschwindigkeiten zu verbessern. Dazu gehören eben auch In-Memory-Daten­banken. Diese wickeln die Datenbearbeitung komplett im schnellen Arbeitsspeicher des jeweiligen Rechners ab. Das Versprechen der Hersteller: Auch große Datenmengen lassen sich nahezu in Echtzeit verarbeiten und die daran hängenden Workloads deutlich beschleunigen. Crisp Research hat im Rahmen der Studie untersucht,

  • wie stark das derzeitige Interesse an In-Memory-Datenbanken ist,

  • welche Rolle SAP HANA in diesem neuen Markt einnimmt und

  • welche Strategien, Ziele und Herausforderungen derzeit die Unternehmen und Entscheider beschäftigen.

Relational passt nicht in den digitalen Wandel

Aktuell prägen allerdings nach wie vor die klassischen RDBMS das Bild im Markt, hat die Crisp-Research-Umfrage ergeben. Am weitesten verbreitet ist demnach hierzulande SQL Server von Microsoft. Fast zwei Drittel (63 Prozent) aller deutschen Unternehmen nutzen die Microsoft-Datenbank zumindest teilweise. Für nahezu die Hälfte (47 Prozent) ist SQL Server sogar das primäre Datenlager im Unternehmen. 45 Prozent der Unternehmen lagern ihre Daten in Oracle-Systemen. Für gut jeden Fünften (22 Prozent) ist Oracles Produkt das tonangebende Datenbanksystem. Auf den weiteren Plätzen folgen MySQL, DB2 von IBM, MariaDB, Ingres und PostgreSQL, die allerdings deutlich seltener als Hauptdatenbank eingesetzt werden. HANA spielt bis dato eine untergeordnete Rolle. 3,8 Prozent der 2864 Befragten nutzen die neue SAP-Datenbank, nur eine Handvoll als primäres System.

Die klassischen relationalen Datenbank­systeme, die sich zwar in der Vergangenheit durchaus bewährt haben, aber die zukünftigen Anforderungen kaum mehr erfüllen dürften, sind noch klar vorherrschend, lautet das Fazit der Crisp-Research-Experten. Gleichzeitig warnen sie aber auch: "Nur wenige Unternehmen sind hinsichtlich ihrer Datenbanken nach heutigem Stand für das digitale Zeitalter gerüstet."

Das könnte sich jedoch schon bald ändern. Glaubt man der Umfrage, wächst das Interesse an In-Memory-Datenbanken. 42,5 Prozent der Befragten haben demnach bereits mindestens eine In-Memory-Datenbanktechnik evaluiert. Allerdings sagt nach wie vor die Mehrheit, dass In-Memory-Datenverarbeitung derzeit nicht relevant sei (57,5 Prozent). Für die Analysten sind diese Zahlen dennoch ein Beleg dafür, dass sich ein Technologiewechsel auf Datenbankebene anbahnt.

SAP HANA nicht automatisch gesetzt

Auch wenn SAP gerade aus seiner ERP-Historie ein gutes Standing in den deutschen Anwenderunternehmen hat – insgesamt setzt mehr als jedes zweite Unternehmen (56 Prozent) eine Software aus dem Hause SAP als primäres ERP-System ein –, scheint damit nicht zwangsläufig auch die In-Memory- Technik aus Walldorf bei den Kunden gesetzt. Von den 1217 IT-Entscheidern, die bereits Berührungspunkte mit In-Memory-Techniken hatten, erklärten 200 im Rahmen der Crisp- Research-Befragung, sie würden im Rahmen der konkreten Anbieterauswahl SAP HANA evaluieren – das sind gut 16 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass sich die überwiegende Mehrheit der In-Memory- Interessenten (über 83 Prozent) erst einmal bei anderen Anbietern wie Microsoft, IBM, Oracle, Teradata oder Pivotal umsieht.

Immerhin scheinen die Entscheider, die SAP HANA evaluieren, in der Folge ihre In-Memory-Pläne zügig zu konkretisieren. Nicht einmal jeder fünfte der 200 verbleibenden HANA- Interessenten gab im Rahmen der Umfrage zu Protokoll, bis dato noch keine konkrete Auswahlentscheidung getroffen zu haben. Die anderen IT-Entscheider erklärten, bereits einen Proof of Concept durchgeführt zu haben (13,0 Prozent), HANA in den nächsten zwölf Monaten einführen zu wollen (17 Prozent) beziehungs­weise schon in der Migrationsphase zu stecken (17 Prozent) oder SAPs In-Memory-Technik bereits produktiv einzusetzen (34,5 Prozent). Die Crisp-Research-Analysten interpretieren diese Zahlen dahingehend, dass die Tests von HANA offensichtlich vielversprechend ausfallen und die Unternehmen zügig darangehen, die Technik produktiv zu nutzen.

Unzufriedene Oracle-Kunden wollen wechseln

Crisp Research hat die 150 IT-Entscheider, die sich bereits intensiver mit SAPs In-Memory-Produkten beschäftigt haben, detailliert zu ihrer Strategie rund um HANA befragt. Für sie scheinen vor allem die Vorteile für das Business wichtig zu sein. Vorrangiges Ziel einer HANA-Einführung ist demzufolge die Beschleunigung von Unternehmensprozessen. Fast 53 Prozent dieser IT-Entscheider peilen das an. Des Weiteren geht es darum, die eigene Infrastruktur rund um die Datenbank zu konsolidieren und zu vereinfachen und damit insgesamt die Komplexität zu verringern. Immerhin 19 IT-Entscheider, also knapp 13 Prozent der Befragten, erklärten, sie seien unzufrieden mit der Lizenzpolitik des SAP-Konkurrenten Oracle und wollten daher den Datenbankanbieter wechseln.

Das Haupteinsatzgebiet für HANA sehen die befragten Manager in erster Linie im Big-Data-, Business-Intelligence- und Analytics-Umfeld. Jeweils 38 Prozent wollen SAPs In-Memory-Technik als Kernsystem für das Reporting beziehungsweise als Ergänzung für mehr Performance bei Reporting- und BI-Prozessen einsetzen. Darüber hinaus geht es für Anwenderunternehmen auch darum, mit HANA die Kundentransparenz zu erhöhen (32 Prozent), Finanzdaten effizienter und schneller zu verarbeiten (28 Prozent) sowie die Abläufe in der Lieferkette (24 Prozent) und der Produktion (19,3 Prozent) zu verbessern. Im Großen und Ganzen soll HANA in erster Linie dazu dienen, bestehende Prozesse effizienter zu machen. "In der Realität der Befragten ist SAP HANA vorrangig ein Werkzeug für handfeste operative und strategische Maßnahmen", konstatieren die Analysten.