existenzgründer profitieren vom reisefieber

In letzter Minute ein Hotel finden

20.10.1999
Noch während des Studiums eine eigene Firma gründen: Schwierig, aber nicht unmöglich, wenn Geschäftsidee und Rahmenbedingungen stimmen. Drei Informatikstudenten aus Freiburg machen vor, wie es geht.

"unsere zielgruppe? Eigentlich alle, die verreisen." Na klar, nicht kleckern, eher klotzen, heißt die Devise bei Daniel Fleig, 25, Markus Gratzka, 27, und Martin Braun, 28. Alle drei studieren Informatik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und werden in Kürze ihre Diplomprüfungen ablegen. Alle drei sind in Seminarräumen und Hörsälen zur Zeit etwas seltener anzutreffen als ihre Kommilitonen.

Denn das Trio hat sich vor rund zwei Jahren entschlossen, ein Unternehmen zu gründen, das "irgendwie mit Internet oder Webdesign" zu tun haben sollte. Zuerst hatten die kreativen Informatiker unzählige Ideen, von denen sie die meisten dann doch verwarfen. Ein spezieller Ärzteservice für Studenten per Web scheiterte zum Beispiel an juristischen Bedenken und an dem Werbeverbot für Mediziner. Der Gedanke, einen "Internet-Rund-um-Service" für kleine Unternehmen zu entwickeln, erwies sich auch bald als zu aufwendig und zu wenig gewinnbringend. Immerhin lernten Fleig, Gratzka und Braun dabei mit dem Hotelier Michael Dresen einen gestandenen Unternehmer kennen, der für eine entscheidende Wende sorgte.

Vor allem Geschäftsreisendeals Zielgruppe

Dresen wußte als Branchenkenner um den beinharten Kampf der Hotellerie um den Gast und wie oft Häuser mit leerstehenden Zimmern zu kämpfen haben. Wenn das Fliegen "last minute" gebucht werden kann, warum dann nicht auch das Übernachten? Die Idee des "Last-Minute-Hotelführers" war geboren. Aus der ursprünglichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts der drei Studenten wurde ein zweites Unternehmen mit Dresen als viertem Mann im Boot. "Unsere Ursprungsfirma besteht als DV-Dienstleistungsunternehmen weiter", erklärt Gratzka. Das gemeinsame Projekt, der Hotelführer, wird dagegen von der Midas GmbH + Co Touristik KG, der Firma Dresens, getragen.

Damit entfiel für die drei Junggründer die oft nervenaufreibende Verhandlung mit den Banken wegen eines Kredits - Dresen erbrachte die notwendigen Anfangsinvestitionen. Über Existenzgründung hatten sich die drei in einem Seminar an der Uni informiert. Da die technische Realisation ihres Web-Auftritts für sie noch das geringste Problem bedeutete, konnte mit leichter Verzögerung von zwei Monaten, im April dieses Jahres, der Web-Hotelführer ans Netz gehen.

Dann hieß es, Kontakte zu den Hoteliers zu knüpfen und um Partner zu werben. Schon das erste Mailing hatte Erfolg. "Die Idee ist einfach und schnell erklärt", meint Braun. Das Hotel, das seine Zimmerkapazitäten melden will, gibt seine Angebote per Telefon mit einer 0190-Servicenummer in unseren Computer ein." Dazu bekommt jedes Haus vorab eine Kundennummer zugeteilt, mit der es sich identifiziert. "Preiswerter geht es nicht", ergänzt Fleig. "Das kostet im Durchschnitt vielleicht sieben Mark." Vorteil für den Kunden: Es müssen keine langfristigen Vertragsbindungen eingegangen werden. Vorteil für die Firmengründer: Der Zahlungsverkehr entfällt.

Wem dieses Verfahren nicht zusagt, kann gegen eine Gebühr von 29 Mark im Monat eine gewöhnliche Telefonnummer zur Eingabe der Daten benutzen. Schon 40 000- mal wurden die Web-Seiten des Hotelführers angeklickt und rund 600 Hotels sind bundesweit als aktive Teilnehmer registriert. Damit ist das Team vorerst sehr zufrieden. "Was noch fehlt, ist ein größerer Bekanntheitsgrad bei den Gästen", bemängelt Fleig, der vor allem Geschäftsreisende als Zielgruppe näher ins Visier nehmen will.

So funktioniert es: Der Gast kann sich über die Homepage des Führers (www.lastminutehotels.de) eine Karte der gewünschten Region aufrufen oder per Suchmaschine direkt eine Stadt aufrufen, in der er ein Hotelzimmer wünscht. Wer bereits unterwegs ist und ganz dringend noch ein Zimmer sucht, kann über eine Service-Nummer mit der Eingabe der Telefonvorwahl oder Postleitzahl der gewünschten Region eine Liste der Last-Minute-Hotels abfragen.

Link zur Hotel-Homepage

Allerdings sind die Angaben der Hotels in Menge und Qualität noch recht unterschiedlich. Wer zum Beispiel in Bad Neuenahr-Ahrweiler das Hotel Elisabeth ausfindig gemacht hat, kann nicht nur zwischen Einzel-, Doppelzimmer und Suiten wählen, er sieht auch die Preisdifferenz zwischen dem regulären Preis von 119 Mark für ein Einzelzimmer und dem Last-Minute-Preis von 94 Mark. Bei dem einen oder anderen Ketten- oder Kooperationshotel gibt es sogar noch einen Link zur Homepage oder eine etwas ausführlichere Beschreibung der Zimmer. Doch nicht alle Häuser nennen beide Preise zum Vergleich oder geben mehr als nur die notwendigsten Informationen. Das scheint aber die wenigsten Reisenden von einer Reservierung abzuhalten. "Wir haben noch keine genauen Buchungs- und Belegungszahlen, bekommen aber sehr viel positive Resonanz und immer weitere Anfragen von Hotels, die sich bei uns beteiligen wollen", freut sich Daniel Fleig. So rechnet das Team aus Freiburg mit einem ersten Jahresumsatz bis

zum Frühjahr 2000 von rund 120 000 Mark.

"Die Preise und auch ihre Angaben bei uns gestalten die Hotels in Eigenregie", erklärt Fleig, "wenn wir auch im Sinne des Gastes immer daraufhin wirken, möglichst viele Informationen zu geben." Daß die Hotels zum Teil Preisnachlässe bis zu 50 Prozent gewähren, scheint das ausschlaggebende Argument bei der Buchung zu sein. Will der Gast reservieren, kann er per E-Mail eine verbindliche Anfrage an das Haus selbst stellen, seine Reisedaten eingeben und ob er per Mail, Fax oder Telefon zu erreichen ist. Innerhalb einer Stunde soll er dann die gewünschte Bestätigung in den Händen halten.

Für die Zukunft gibt es jetzt bereits Überlegungen, ob nicht die Kooperation mit andern Touristikunternehmen wie Autovermietern oder Reiseveranstaltern sinnvoll wäre. "Schließlich sehen wir unser Angebot ja nicht als Konkurrenz, sondern als sinnvolle Ergänzung in Zeiten schwacher Auslastung", erklärt Markus Gratzka. Zuerst ist allerdings eine englische und französische Version der Seiten geplant, um Reisende aus dem Ausland für den Last-Minute-Hotelführer zu interessieren.

Große Preisnachlässe

Dann soll auch der weitere Ausbau der Seiten und des Service vorangetrieben werden, allerdings in Maßen. Von allerhand bunten Buttons und vielfältigen Spielereien auf ihren Seiten halten die drei Informatiker wenig. "Es soll übersichtlich bleiben", betont Daniel Fleig, der mit zwei anderen Kommilitonen in diesem Jahr Vizeweltmeister bei der ACM-Programmierweltmeisterschaft für Studenten wurde. So ganz kann auch er sich der schönen virtuellen Welt nicht verschließen. Ein Geoquiz und eine Webcam mit Blick auf Freiburg sind dann doch geboten. Auch mit dem überall heftig propagierten Gedanken einer "community" per Netz könnten sich die drei vielleicht anfreunden. "Mal sehen, was wir da machen..."

*Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal.