James Martin: "Preisgünstige, kompakte Computer werden die Datenverarbeitung revolutionieren"

In Josephson Kälte schrumpfen Jumbos zu Mikros

20.06.1981

NEW-YORK (cw)- "Die Technologie überschlägt sich", sagte James Martin auf dem Seminar "Produktivität durch die neue DV-Revolution", das kürzlich in New York stattfand. Der technologische Wandel, so der bekannte Computer-Experte, werde alle Unternehmen erfassen: "Die niedrigen Kosten der Hardware ermöglichen es, bestimmte Anwendungssysteme ohne die Hilfe von DV-Spezialisten zu entwickeln." Der Dreh: Einsatz modularer Softwarepakete auf fachbereichseigenen Minicomputern.

Die Entwicklung preisgünstiger, kompakter Computer für dezentrale oder verteilte Datenverarbeitung (Distributed Processing) sowie Fortschritte in der Büroautomation, bei lokalen Rechnernetzen und in der Datenbanktechnik sind laut Martin die technologischen Antriebskräfte, die die Datenverarbeitung revolutionieren werden und mit denen die Unternehmensleitungen rechnen müssen.

Die Produktivitätssteigerung in der Erstellung von Software sei nicht den Verfahren der Strukturierten Programmierung zuzuschreiben, sondern die Folge von Anwendungsentwicklungen, hinter denen die Initiative der Benutzer stehe. Bei dem heutigen Angebot an modularen Softwarepaketen könne jeder Benutzer die spezifischen Anforderungen und Leistungskriterien für "seinen" Minicomputer bestimmen. "Informationsverarbeitung ist zu wichtig, als daß sie allein den Abteilungen des Bereichs Informationssysteme im Unternehmen überlassen werden sollte", erklärte der IBM-Fellow. "Dieser ganze Computing-Komplex, hinter dem die Initiative der Benutzer steht, macht die Datenverwaltung zu einer neuen Führungsaufgabe innerhalb der Unternehmen, so daß ungerechtfertigte Wartungskosten und inkompatible Daten auf unterschiedlichen Rechnern vermieden werden."

In der Unternehmensplanung sei eine "integrierte Infrastruktur" erforderlich, betonte Martin und fuhr fort, daß lokale Rechnernetze, Datenbanksteuerung, Büroautomation und "Information Resources Management" (IRM) als neue Unternehmungsfunktionen zusammengeführt werden sollten. Bei den lokalen Rechnernetzen beispielsweise gäbe es viele inkompatible Architekturen, und es sollte eine Strategie zur Verbindung verschiedenartiger Systeme formuliert werden, sagte er. Die Notwendigkeit einer solchen Strategie werde in dem Maße zwingender, als sich die Hardwarekosten weiter ermäßigten und sich die Software weiterentwickele.

Diesen Entwicklungen werden die Angestellten nicht entgehen. Ziel der DV-Technologie sollte eine Zeiteinsparung bei der Entscheidungsfindung durch die Führungskräfte um bis zu zwei Stunden je Arbeitstag sein. Das könnte aber bei fortschreitender Büroautomatisierung zu einer Senkung der Gehaltsniveaus von Angestellten um bis zu 20 Prozent führen.

Bei typischen Unternehmen der Zukunft werden Textverarbeitung, Datenverarbeitung und andere Funktionen an einem Terminal zusammengefaßt, sagte Martin. Die verschiedenen Funktionen werden durch Netzwerke verbunden und haben dadurch Zugriff zu zahlreichen Informationsquellen, was Engagement und Unterstützung seitens des Managements voraussetzt.

Eine dominierende Rolle werde in den 80er Jahren den Minicomputern zukommen. Nach Martins Definition gelte dies für alle Computer, derer Einführung nicht der Genehmigung durch den Leiter des Bereichs Informationssysteme eines Unternehmen bedürfe. "Durch die Josephson-Technologie und die ständige Erhöhung der Packungsdichte werden die bisherigen Universalrechner zu Mikro-Universalrechnern schrumpfen", konstatierte Martin. Alle diese neuen Technologien verlangten neue Verfahren, neue Management-Methoden und eine neue System-Organisation.

(Aus Computerworld vom 4. Mai 1981, Seite 29, übersetzt von Hans J. Hoelzgen, Böblingen)