In deutschen Firmen zählt Leistung wenig

04.04.2002
Von Katja Müller
Mitarbeiter ausschließlich aufgrund ihrer schlechten Leistungen zu entlassen ist in den USA üblich, in Deutschland dagegen ein Tabu. Laut der Unternehmensberatung Kienbaum wünschen sich jedoch viele Unternehmen, mit Performance-Rankings zu arbeiten.

„20-70-10“ - dieses in Amerika praktizierte Performance-Ranking verursacht vielen deutschen Arbeitnehmervertretern Unbehagen. Dabei, so Eberhard Hübbe von Kienbaum, bringt es die Beurteilung von Mitarbeitern auf den Punkt. So differenzieren 25 Prozent der US-amerikanischen Fortune-500-Firmen wie Microsoft, Sun Microsystems, Hewlett-Packard ihre Belegschaft nach Top-, Durchschnitts- und Low-Performern, wobei jedes Unternehmen die Leistungserwartungen unterschiedlich definiert.

Ziel des Instrumentariums ist, die besten Mitarbeiter (Top 20) unter allen Umständen an die Firma zu binden. Den Leistungsträgern werden zusätzliche Vergütungen, Aufstiegsmöglichkeiten und erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Doch so viel das Unternehmen seine High Potentials fördert, so wenig kümmern sich die Personalverantwortlichen um die zehn Prozent am Schluss des Rankings.

Laut Kienbaum kündigt die Firma den Betroffenen zwar nicht sofort, aber länger als zwei Jahre könne sich niemand im „Bottom 10“ halten. Gerät ein Top-Mitarbeiter zudem in die Reihen der mittelmäßigen 70 Prozent, streicht das Unternehmen die zusätzlichen Vergünstigungen. „Auch in Deutschland existieren theoretisch solche Rankings, die zumindest das Handeln beeinflussen“, erklärt Hübbe. Doch ließen Unternehmenskultur, Arbeitsrecht und gewerkschaftlicher Einfluss nur wenig Spielraum für solche Systeme. So geschehen Entlassungen überwiegend nach sozialen Kriterien, obwohl das Unternehmen daran interessiert sein müsste, sich von den schwachen Mitarbeitern zu trennen.

Boni nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen

Eine Studie des American Productivity and Quality Center (APQC) and Linkage aus dem Jahr 1999 beweist, dass Unternehmen, die High-Potentials fördern und Low-Performer entlassen, signifikant besser auf dem Markt sind. Im Zuge der Entlassungs- und Konsolidierungswelle wird das Thema auch in Deutschland stärker diskutiert. Hübbe beobachtete, dass Unternehmen zunehmend externe Partner suchen, um die Leistungen ihrer Mitarbeiter zu beurteilen: „Wir arbeiten zwar nicht offen in solchen Projekten, aber viele Firmen überlegen, einzelne Elemente wie Leistungseinschätzungen gezielter einzusetzen.“

Das System „20-70-10“ in Deutschland zu praktizieren ist nach Hübbes Meinung nicht möglich. „Mittelfristig muss allerdings gehandelt werden.“ Nur so könnten Förder- und Entwicklungsmaßnahmen gezielter eingesetzt und Bonusverteilungen nach dem Gießkannenprinzip verhindert werden. Aber auch um gute Mitarbeiter zu halten, bedürfe es eines konsequenteren Beurteilungssystems. Denn ungerechte Entlohnung, die Duldung von unterdurchschnittlicher Arbeit anderer und eine intransparente Leistungserwartung des Vorgesetzten gelten als deren Hauptgründe, die Firma zu wechseln.