TCPIP und SNMP als Übergangslösung

In der OSI-Frage setzt sich bei Usern Pragmatismus durch

29.11.1991

KÖLN (gh) - "Effektivere Kommunikation in heterogenen Netzen" war das Motto eines OSI-Seminars des Frankfurter Institutes für International Research. Teilnehmer aus Industrie und öffentlicher Verwaltung nahmen die Kölner Konferenz zum Anlaß, Erfahrungswerte bei der Installation offener Systeme auszutauschen. Dabei wurde deutlich: Die Zeiten der großen Standardisierungsdebatten sind passé - angesagt sind vielmehr konkrete Lösungen für die Praxis.

Neben der PC-Integration in OSI und der Datensicherheit in heterogenen Netzen standen vor allem Fragen des OSI-Netz-Management auf der Tagesordnung des Seminars. Grund: Geht es ans Eingemachte, sprich: an den großflächigen Einsatz herstellerübergreifender Netze, stellt sich für den Netzbetreiber die Frage nach dem geeigneten beziehungsweise verfügbaren Übertragungs- und Management-Protokoll.

Hier heißen die Antworten im Moment eindeutig noch nicht OSI, sondern TCP/IP und SNMP. Beide offenen Protokolle sind, wie entsprechende Erfahrungswerte von Referenten und Teilnehmern der Konferenz verdeutlichten - ungeachtet den Diskussionen um das siebenschichtige OSI-Referenzmodell und das Management-Protokoll CMIP - im Moment die einzig implementierbaren Defacto-Standards.

Rainer Janssen, Berater von Open Systems Consulting und fachlicher Leiter der Veranstaltung, riet denn auch in seinem Vortrag zu mehr Pragmatismus. "OSI ist kein imaginäres Ziel, sondern hat eine Aufgabe innerhalb der Informationstechnologie eines Unternehmens", stellte der freiberufliche Informatiker fest. Allerdings bedeute, so Janssen, der Übergang zu OSI in der Regel zeitweise eine geringere Funktionalität der DV-strukturen. Langfristig

stünden diesem Manko jedoch Vorteile wie höhere Flexibilität bei der Systemauswahl und verbesserter Investitionsschutz gegenüber.

Daß die Frage "SNMP oder CMlP?" derzeit für den Anwender der noch ein "akademisches Problem" darstellt, war das Resümee einer Podiumsdiskussion zum genannten Thema. Einig waren sich die Experten darüber, daß SNMP etabliert ist und bis auf weiteres eine zentrale Rolle in den Planungen der Benutzer spielen wird, auch wenn die "Nachfolgelösung CMIP" vielerorts im Forderungskatalog aufgeführt ist.

Hersteller wie IBM und DEC legten ihr schon traditionelles OSI-Bekenntnis ab. Vertreter von Digital verwiesen dabei auf die Integration von CMIP in "Advantage Networks", dem ursprünglichen Decnet Phase V, die dokumentiere, daß der Hardwareriese aus Maynard mittelfristig auf die neue OSI-Management-Lösung setze. Nach Angaben der IBM Deutschland wird SNA weiter an OSI-Standards angepaßt, auch wenn man beim Blauen Riesen derzeit eine zurückhaltende Nachfrage nach OSI-Management-Tools registriere.

Auch Günter H. Krauss, Geschäftsführer der deutschen Dependance des OSI-Anbieters Retix, war in der Debatte bemüht, eine Lanze für das CMIP-Protokoll zu brechen. Er verwies auf den Bereich der Telekommunikation, wo sich das Management-System bereits durchgesetzt habe und machte den Anwendern Mut mit der Aussage: "Der Markt ist so heterogen, daß ein jeder Hersteller einen allgemein gültigen Standard implementieren muß."

Daß allerdings die implementierung von CMIP im klassischen DV-Bereich derzeit aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Standardisierung noch problematisch sei, mußte auch Krauss konzedieren. Dennoch sei, so der Retix-Verantwortliche, der Standard der Zukunft CMIP - Ende 1992 werden seiner Einschätzung nach bereits erste CMIP-fähige Komponenten für den Endanwender auf dem Markt sein.