Top-Executive-Searchers bevorzugen die persönliche Atmosphäre, doch:

In der Messehektik lohnt die Hatz auf den VB

14.03.1986

Tatsächlich große Tiere fängt man auf der CeBlT - wie auch auf anderen Messen - nicht, wissen renommierte Executive-Searchers aus Erfahrung. Nach "Niederwild" allerdings lohnt sich die Pirsch im Messegetümmel - kann doch der begehrte Vertriebsbeauftragte vom Head-hunter mittleren Formats dort "in Aktion" getestet werden.

Sie reisen inkognito und geben sich erst spät zu erkennen. Ihre Jagdgründe sind internationale Hotels oder feudale Clubs, aber auch Tagungen, Verbandskongresse und Messen. Denn wo erreicht man als Personalsucher innerhalb kurzer Zeit so viele (potentielle) Kandidaten und Kunden? Wer in einer dynamischen Branche mit sich schnell drehenden Personalkarussells den steigenden Bedarf der Unternehmen an Spitzenkräften befriedigen soll, wird gern die Branchenveranstaltungen besuchen. Und die großen Messen stehen hier ganz oben in der Terminskala der Personalmanager wie auch der Personalberater.

Allerdings bieten nicht alle High-Tech-Messen den idealen Jagdgrund für die Head-hunter oder - wie sie sich selbst nennen - die Executive-Searchers. Je nach Branchenspezifizierung tummeln sich meist nur solche "Kopfjäger" auf den Messen, die einen ganz bestimmten Suchauftrag erfüllen wollen. Oder die noch in der Akquisitionsphase den Bedarf der Unternehmen abtasten müssen.

Denn auch bei großem Personalbedarf wie in der EDV wird der Markt für die Berater selbst bald eng; die "schnelle Mark" lockt viele an, die sich zum Personalberater berufen fühlen - auch wenn sie nicht im die notwendige Qualifikation zu bringen Heinz G. Rotter, Personalberater in Eschborn bei Frank und damit am Puls der dortigen Vertriebszentralen großer Herstelle weiß aus eigener Erfahrung: "Entscheidend für eine erfolgreiche Personalberatung ist Vertrauenswürdigkeit, Diskretion, Branchenkenntnis Zuverlässigkeit und Seriosität Beraters." Für ihn ist eine Fachme wie die CeBIT wichtige Informationsquelle, allein schon deshalb, um fachlich auf dem laufenden zu bleiben.

Auf die Frage "Gehen Sie die Jahr auf die CeBIT?" antworten allerdings die meisten Executive-Serchers mit einem klaren "Nein". Zw treffen sie hin und wieder auch n einen Vorstandsvorsitzenden od Personalchef auf den Ständen aber die Atmosphäre stimmt da nicht: "Für ein gutes und fundiert Gespräch brauche ich eine ruhig und persönliche Umgebung - um die bietet eine Messe nicht", urteilt Dr. Albert Petersen, Partner de Meyer-Mark Unternehmensberatung in Düsseldorf Die Zeit sei ih zu kostbar, um sie auf Messen zu verbringen Auch seine Kandidaten vorzugsweise in der höchsten Unternehmensebene anzutreffen, kann dort nicht erreichen.

Ähnlich reagiert Dr. Jürgen Mülder, Primus inter pares de gleichnamigen Unternehmensberatung. Die Topberater streifen nu durch Messen Ó la CeBIT, um technisches Backgroundwissen aufzutanken.

Anders jene Berater, die auf de unteren und mittleren Rängen de Unternehmenshierarchien nach Aufträgen und Kandidaten fahnden Insbesondere die Mangelware "Vertriebsleute" (VB) lockt einige der darauf spezialisierten Head-hunter au die Pirsch nach Hannover, München oder Köln. Sie sehen äußerlich wie interessierte Kunden aus, und mancher VB schaltet schon auf "Präsentation", wenn einer dieser Herren - Damen sind noch selten in dieser vo Elitegläubigen geprägten Branche - den Messestand betritt. Doch kein Gerät oder System interessiert diesen Standbesucher, einzig das Stand personal und darunter vorwiegen die Spitzenkräfte, die Superverkäufer und Systemspezialisten. Jocher H. Hennecke von Hennecke & Partner weiß zwar, daß die "Messehektik keine fundierten Gespräche erlaubt". Er räumt aber ein, daß er manche Kandidaten gerade bei bestimmten Aufträgen schon ganz gerne "in Aktion sehen möchte".

Und Aktion wird gerade in Hannover wieder nötig sein, um angesichts der überwältigenden Konkurrenz noch Aufträge zu ergattern. Begehrt ist also, wer das Kunststück fertigbringt, auf ein Umsatzwachstum von 50 Prozent mit steter Regelmäßigkeit jedes Jahr weitere 30 bis 50 Prozent punkte draufzusetzen. Solche Vertriebsasse können sich vor den Offerten der Personalsucher meist kaum retten und bieten sich gerade auf Messen "ungeschützt", mit voller Breitseite dem Headhunter dar. Die Personalchefs der betroffenen Unternehmen, die eifersüchtig über ihre Spitzenleute wachen müssen, haben für die Tätigkeit der Personalberater denn auch einen recht unfreundlichen Ausdruck parat: "Abwerbung". Scholl deshalb betrachten sie auf Messen das Auftauchen der Headhunter stets mit gemischten Gefühlen. Dann kann nämlich Gefahr für die meisten gehätschelten Stars in Vertrieb und Support, in Marketing und System-Engineering bestehen: Wenn eine verlockende Offerte winkt, hält es die wenigsten, denn Einkommensverbesserungen bis zu 100 Prozent und mehr sind schon mal drin.

Immer mehr kommt es in Mode, nicht nur im Auftrag eines Unternehmens Kandidaten zu suchen, sondern Aufträge vorzutäuschen. "Suchen Sie Vertriebsleute? Wir haben sie!" lautet der Spruch jener Berater". Oft steht aber gar kein reelles Angebot dahinter, denn auf der anderen Seite bieten solche "Möchtegern-Headhunter" interessierten Kandidaten auch Jobs an, die wiederum nur in ihren Köpfen existieren - sie müssen nämlich erst noch gefunden werden. Leider spielen manche Personal-Manager in ihrer Not das üble Spiel mit: Wie sollen sie auch sonst das Planungssoll erfüllen, wenn nicht mit. Hilfe der Headhunter? Und die Budgets für externe Personalsuche nehmen stetig zu - nicht selten bis in Millionenhöhe.

In einer jungen Branche wie der Computer-lndustrie gilt die Maxime möglichst junge, dynamische Mitarbeiter zu gewinnen. Manche Unternehmen wie Digital Equipment oder Nixdorf sind stolz auf das niedrige Durchschnittsalter ihrer Belegschaft. Gefragt sind deshalb meistens junge Leute, wenn es, um Positionen im Vertrieb und Marketing geht. "Die über 40jährigen interessieren da meistens nicht mehr", weiß Jochen Hennecke. Deshalb gilt es mit dem Pfund der Jugend zu wuchern. Erst die älteren Manager geraten in ruhigeres Fahrwasser und sind auf Messen eher die ruhenden Pole der Standmannschaft. Sie wissen auch die schwarzen von den weißen Schafen unter den Headhuntern zu unterscheiden. Ihr Hauptkriterium: die Branchenkenntnis der Personal-Sucher. "Nur tiefgreifende Erfahrung im Wirtschaftszweig der Zielgruppe", ist Heinz Rotter überzeugt, "ermöglicht eine individuelle und effektive Beratung". Denn das schnelle Geschäft ist unseriös,

Überhaupt verlockt der enge Markt der Spitzenkräfte zu unsauberen Methoden: Manchen Kandidaten wurden Positionen versprochen, die nur auf dem Papier das sind, was sie auch sein sollten. Ergebnis: Der nach vielen Gesprächen eingestellte Kandidat verläßt schon nach einigen Wochen oder wenigen Monaten das Unternehmen. Nur alte Vertriebshasen hüten sich vor großartigen Versprechungen und dem angeblich zu erreichenden Zuwachsraten Jüngere Vertriebsleute lassen sich oft zum Wechsel verleiten, weil sie ihr Einkommen an die oberste Stelle setzen.

Doch auch im Vertrieb greift die Erkenntnis um sich, daß viel Geld möglicherweise auch nicht alles ist: Das Standing eines Unternehmens, die Vertriebsorganisation, die Vollständigkeit der Produktpalette und natürlich die Qualität sowie Leistungsfähigkeit der Produkte sind für die meisten Kandidaten wesentliche Entscheidungskriterien. Denn sie bestimmen den Erfolg auf dem Markt, oft noch mehr als die Tüchtigkeit eines VB. Das wissen auch die Headhunter, die vielfach erst beauftragt werden, wenn Probleme in der Personalbeschaffung auftreten Damit steht jedoch nicht von vornherein fest, daß nur solche Jobs über Headhunter vermittelt werden, die problematisch sind Im Gegenteil: Die Top-Jobs lassen sich oft kaum anders besetzen als durch direkte Ansprache geeigneter Kandidaten. Aber in der niedrigeren Chargen der EDV-Hierarchie und im EDV-Vertrieb ist Vorsicht geboten: Da wird mancher "heiße Stuhl" mit Liebenswürdigkeit während eines Berater-Gesprächs garniert, um überhaupt noch jemanden zu finden.

*Dr. Marc Hammeran ist als Kommunikationsfachmann bei einem großen DV-Hersteller tätig.