Diebold-Parisini fordert mehr Investitionen in Büroarbeitsplätze

In der Anwendungssoftware tickt die Zeitbombe

05.08.1983

WIEN (eks) - Ein halbes Prozent vom Weltmarkt der Informationstechnik entfällt auf Österreich. Eine Reduktion dieser Ausgaben für Informationsverarbeitung wäre kein Erfolg. Die Situation an dem Software-Markt läßt hoffen: 60 Prozent der heute auf Standardcomputern eingesetzten Anwendungssoftware ist bereits älter als acht Jahre.

Auch in Österreich haben Unternehmen gute Chancen am weltweiten Wachstumsmarkt der Informationstechnik ( DV, Telekommunikation, Bürotechnik) erfolgreich teilzunehmen. Diebold rechnet mit einem jährlichen Wachstum dieses Markts von 10 bis 15 Prozent. Einige Bereiche wie neue Dienste und benutzernahe Geräte ( zum Beispiel Mikros und Terminals) haben sogar ein noch höheres Wachstumspotential. Das Volumen des Weltmarkts wird heuer rund 7000 Milliarden Schilling betragen. Auf Osterreich entfällt davon mit 37 Milliarden etwa ein halbes Prozent (siehe Abb. 1).

Nicht eingerechnet in die Schätzung sind die reine Bauelementeproduktion (mit weltweit etwa 1000 Milliarden Schilling), die Meß- und Steuerelektronik (rund 3000 Milliarden Schilling) und die Leistungen von Fernseh- und Rundfunkanstalten.

Trotz im Detail manchmal signifikanter Unterschiede entfallen in Osterreich auf die einzelnen Teilmärkte im wesentlichen die selben Anteile wie auch international (siehe Tabelle 1).

Für 1988 prognostizieren die Marktforscher ein österreichisches Marktvolumen von 50 bis 55 Milliarden Schilling.

Im Jahrzehnt von 1980 bis 1990 wird der Anteil der Beschäftigten in Informationsberufen von 30 auf 40 Prozent steigen. Darin drückt sich die immer stärkere Durchdringung der Berufswelt durch Informationsverarbeitung aus. Als Informationsbeschäftigte werden Informationsproduzenten (Wissenschaftler, Techniker, Kontrolleure, Konsulenten und Marktforscher), Informationsverarbeiter (Manager, höhere Verwaltungsbeamte, Aufsichtsorgane und Büroangestellte) sowie Informationsverteiler (hauptsächlich Lehrer) verstanden.

Hingegen bleibt der Prozentsatz der in der Informationsinfrastruktur Beschäftigten (Produktion, Bedienung, Wartung und Postbedienstete mit rund drei Prozent konstant. Damit erwartet zumindest Diebold-Parisini keine signifikante Zahl neuer Arbeitsplätze durch neue Technologien.

Die neuen Informationstechniken werden aber alte Organisationen und Arbeitsgewohnheiten drastisch verändern. Daher wundert man sich bei Diebold keineswegs, daß es Widerstände gegen die Einführung gibt.

Doch je mehr die Informationstechnik zum offensiven Instrument zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen wird und sich von defensiven Zielen wie Kostensenkungen und Rationalisierung abwendet, desto stärker wird auch die Diskussion um die Vernichtung von Arbeitsplätzen in den Hintergrund treten, erwartet Diebold. Hier wollen die Berater, die ja vom Rat zum Einsatz der neuen Technologie leben, wohl verständlicherweise nicht sehen, daß sich auch eine Offensive gegen irgend jemand richten muß und die Vorteile gegenüber jemandem erzielt werden müssen.

CAD - explosives Wachstum für nur wenige Anbieter

Als Teilmärkte mit größter Dynamik, von denen das stärkste Wachstum in den nächsten Jahren erwartet werden kann, ermittelte Diebold-Parisini (in Klammer die jährlichen Steigerungen):

- Grafische Datenverarbeitung, insbesondere CAD/CAM (35 bis 50 Prozent)

- Büroautomation/Textverarbeitung (30 Prozent)

- Mikrocomputer (25 Prozent)

- Telekommunikation (7 bis 20 Prozent)

CAD/CAM bestreitet derzeit mit einem Umsatz von 90 Millionen Schilling (1982) rund zwei Drittel des Umsatzes in diesem Marktbereich. Trotzdem ist international gesehen der Einsatz in Österreich vergleichsweise gering (Tabelle 2). Der Parkwert an CAD/CAM wird mit circa 300 Millionen Schilling per 1.1.83 angegeben. Es existieren weit mehr Möglichkeiten, als bisher genutzt wurde. Diebold sagt voraus, daß in den nächsten Jahren dieser Markt in Osterreich aufgeteilt werden wird. Nur wer bis dahin über mehrere erfolgreiche Referenzinstallationen verfügt, hat auch in der Folge als Anbieter Chancen. Vermutlich werden daher weniger Anbieter als international mitmischen. Business-Grafik hingegen wird zum generell verfügbaren Beiprodukt jedes auch kommerziellen Systems.

Zu Jahresbeginn waren etwa 7700 Textsysteme installiert. Der Umsatz für Büroautomation/TV betrug im Vorjahr rund 400 Millionen Schilling. Bis 1987 sollen diese Werte auf 31000 Installationen beziehungsweise auf 1,4 Milliarden Schilling Jahresumsatz steigen. Wobei dies allerdings nicht mehr Textsysteme im heutigen Sinn sein werden, sondern multifunktionale Arbeitsplatzcomputer, die auch Textverarbeitung können.

Bei den Mikros wurden 1982 ebenfalls etwa 400 Millionen Schilling umgesetzt. Die Zahl der Installationen erreichte mit 1.1.83 rund 25 000 (siehe Tabelle 3). Der Jahresumsatz soll bis 1987 eine Milliarde Schilling erreichen, die Zahl sich auf 250 000 bis 300 000 mehr als verzehnfachen.

Btx - Erfolg wohl noch in weiter Ferne

Der Telekommunikation kommt bei der Nutzung von DV und Büroautomation eine Schlüsselfunktion zu. Dieser Markt wird zu mehr als 80 Prozent von der Postverwaltung kontrolliert. Größter Umsatzträger ist der Telefondienst. Wegen der breiten Basis wird der Markt für Telekommunikation insgesamt nur mit rund sieben Prozent jährlich wachsen. Mit skeptischem Realismus meint man bei Diebold-Parisini, daß die neuen Netzdienste wie Bildschirmtext, Teletext, Digitale Vermittlung, Breitbandkommunikation, Teleconferencing etc. wohl erst in fünf bis sieben Jahren größere Bedeutung erlangen würden. Immerhin können von der jeweils kleinen Ausgangsbasis hohe Wachstumsraten von über 20 Prozent pro Jahr erwartet werden. Die Datenkommunikation der Radio Austria beispielsweise wuchs im Vorjahr um 100 Prozent.

Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt die Nutzung der Informationstechnik in Österreich häufig mit zeitlicher Verzögerung :

Bei

- grafischer DV zwei bis drei Jahre,

- Mikrocomputereinsatz sechs bis zwölf Monate,

- Textverarbeitung ein bis zwei Jahre,

Auch der Nutzungsgrad der Informationstechnik ist sehr unterschiedlich. In der industriellen Fertigung (Prozeßsteuerung) ist die Nutzung gering. Bei allgemeinen Verwaltungsaufgaben in Großbetrieben und Institutionen hingegen überdurchschnittlich. Dennoch werden künftig höhere Investitionen in den Büroarbeitsplatz erforderlich sein. Während die durchschnittlichen Investitionen heute bei rund 25 000 Schilling liegt, von denen etwa 15 000 Aufwendungen für Büromöbel sind, werden die künftigen Größenordnungen bei 150 000 Schilling liegen. Aufgrund von Beobachtungen in den USA und der Bundesrepublik ist Diebold-Parisini der Auffassung, daß die strategische Bedeutung des Einsatzes moderner Informationstechnik vielerorts noch nicht richtig erkannt wurde.

"Moderne Informationstechnik wird zum Ertragsfaktor der Zukunft. Sie ist Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg und dem Produktportfolio oder der Vertriebsorganisation gleichrangig," meint Diebold Geschäftsführer Dr. Gerhard Adler. Daher muß eine niedrige DV-Budget/Umsatz-Relation nicht notwendigerweise ein Merkmal guten Wirtschaftens sein, sondern kann auch einen kritischen Rückstand bedeuten.

Vor allem die großen DV-Anwendungen der siebziger Jahre seien inzwischen organisatorisch und technisch veraltet. 60 Prozent der Anwendungssoftware für Standardcomputer sind älter als acht Jahre. 20 Prozent sogar älter als dreizehn Jahre, stammen also aus der Zeit von vor 1970 (Abb. 2). "Hier tickt eine Zeitbombe," meint Adler und rät dringend zu Ersatzinvestitionen Gerade die heute verfügbaren technischen Hilfsmittel - Basissoftware, neue Entwicklungsmethoden und die Infrastruktur - würden einen SW-Generationswechsel erleichtern.

Für einen Erfolg auf dem Markt der Informationstechnik gibt es drei unterschiedliche Wege:

- Lieferung von Massenartikeln für den Weltmarkt,

- Spezialisierung mit technischer Spitzenleistung,

- Angebot individueller Problemlösungen,

Österreichs Chancen sieht Diebold eindeutig beim zweiten und dritten Ansatz. Hier ist gerade das besondere Gewicht kleinerer und mittlerer Anwenderbetriebe für österreichische Innovatoren ein Anreiz, beispielhafte Lösungen zu erarbeiten, die sich dann gut exportieren ließen. Auch die informationstechnische Ausbildung in Österreich genießt einen guten Ruf über die Grenzen hinaus. Das Beispiel Mupid im Bildschirmtextmarkt verdeutlicht, wie rasch auch kleinere Unternehmen auf jungen Märkten eine führende Stellung erreichen können.