IMS noch einmal wählen? Vor drei Jahren: Nein, Heute: Ja

03.10.1975

Mit Helmut Semmler, Abteilungsleiter S.A./Prog. bei der Deutschen Lufthansa sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

- Wann startet der Lufthansa-Unternehmensbereich "Technik" mit der Einführung seines Informationssystems für die verschiedenen Werften, für die Materialwirtschaft und für vieles mehr.

Aus den Anforderungen der Fachbereiche wurde im zweiten Halbjahr 1969 ein Katalog erstellt, der einen Überblick über die zukünftigen Anforderungen für die nächsten fünf Jahre darstellen sollte. Aufgrand dieses Katalogs wurden entsprechende Hard- und Softwareanforderungen erstellt. Dabei zeigte sich, daß für die Zukunft Informationssysteme im Mittelpunkt stehen würden.

- Das Endergebnis des Fünf-Jahres-Plans muß ja langst vorliegen. Wurde denn auch ereicht, was seinerzeit 1969 geplant wurde?

Tatsächlich konnten bis Mitte 1974 etwa 80 Prozent der Dinge realisiert werden, die 1969 geplant wurden.

- Sie entschieden sich dann Anfang 1970 für IBM-Hardware. Welche Rolle spielte bei dieser Wahl, daß seinerzeit bereits IMS mit DB- und DC-Teil verfügbar war?

Die Entscheidung für IBM wurde wesentlich dadurch beeinflußt, daß die Firma zu diesem Zeitpunkt von den Bewerbern der einzige Hersteller war, der bereits ein funktionierendes Datenbanksystem dieser Größenordnung zur Verfügung stellen konnte. Die Alternative Eigenentwicklung war unwirtschaftlich.

- Würden Sie sich heute wieder für IMS entscheiden?

Ja, heute würden wir diese Entscheidung wilder treffen. Allerdings vor zweieinhalb bis drei Jahren wäre diese Entscheidung vielleicht nicht noch einmal getroffen worden.

- Was passierte denn so vor etwa drei Jahren ?

Zu der Zeit war es schon schlimm. Wir hatten die ersten Applikationen implementiert und stellten fest, daß die Anforderungen an die Systemkapazität - im wesentlichen an den Zentralspeicher bei weitem höher waren, als ursprünglich aufgrund der Gespräche mit IBM angenommen wurde. Darüber hinaus ließ die Software-Stabilität des IMS sehr zu wünschen übrig.

- Welche Systemstabilität wurde damals erzielt und welche haben Sie heute ?

Im Online-Betrieb lag die Systemstabilität damals zwischen 85 und 90 Prozent, gegenwärtig bewegt sie sich zwischen 96 und 98 Prozent.

- Welche Response-Zeiten gab es durchschnittlich damals und welche heute?

Damals hatten wir Response-Zeiten zwischen sechs und zehn Sekunden im Schnitt, -allerdings auf einer IBM 360/65. Heute auf der IBM 370/158 MP erreichen wir Response-Zeiten im Mittel zwischen drei und sechs Sekunden.

- Sie würden sich also heute wieder für IMS entscheiden, - und das, obwohl viele Anwender klagen, daß diese Software hauptspeicheraufwendig und auch laufzeit-aufwendig sei. Prüfen Sie eigentlich noch die Alternativen und zwar auf der DB-Seite etwa Total, Adabas, System 2000, IDMS und dergleichen oder auf der DC-Seite Intercomm oder Taskmaster oder andere; Angebote. Sind sie mit Ihrer damaligen Entscheidung, IMS zu nehmen, nicht für alle Zeiten an dieses Softwarepaket und damit auch an diesen Hersteller gebunden?

Man sollte sicher immer wieder getroffene Entscheidungen in Frage stellen und nach wir in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen Fluggesellschaften einen regen Informationsaustausch über alle wesentlichen Belange der Datenverarbeitung, auch im Zusammenhang mit den Erfahrungen in bezug auf Datenbank-Systeme betreiben. Aufgrund dieses Erfahrungsaustausches und auch aufgrund der Art unserer Applikationen die wir mit dem Datenbanksystem IMS fahren, sind wir der Meinung, daß wir diesen Weg Weiterhin beschreiten sollten.

- Was sagen Sie denn zu dem bekannten Vorwurf, das IMS sei hardware-aufwendig - oder noch krasser formuliert: dieses Software-Paket sei eine

Marketing-Hilfe für den Hardware-Verkauf?

Es ist sicher richtig, daß IMS sehr zentralspeicherintensiv ist. Und es gibt ja den alten Spruch, die IBM verkaufe mit Hilfe ihrer Software sehr viel Hardware. Auf der anderen Seite ist - wie aus allen Berichten ersichtlich, die über den Zeitraum bis 1985 eine Prognose abgeben - festzustellen, daß das Preis/Leistungsverhältnis der Hardware immer günstiger wird Das heißt, daß die Komponente Hardware-Preise für große Informationssysteme immer weniger Bedeutung haben wird.

- Sind Sie mit der Flexibilität des IMS zufrieden Man weiß ja, daß die Spezifikationen der Codasyl Database-Task-Group nicht ein vorwiegend hierarchisches System ß la IMS fordern sondern bessere Zugriffs- und Verknüpfungsmöglichkeiten. Andere Hersteller und Softwarehäuser sind diesen Codasyl-Spezifikationen weitgehend gefolgt.

Zufrieden ist vielleicht nicht der richtige I Ausdruck. Aber für die Zwecke und Anwendungsbereiche, für die IMS bei uns eingesetzt ist und in den nächsten Jahren eingesetzt wird, reicht die Flexibilität.

- Sie kennen den Spruch: "Soweit sein Auge reichte, nicht als Pointer".

Wir haben beim Aufbau unserer Datenbanken von vornherein dieses -Handicap berücksichtigt und entsprechend strukturiert. Deshalb haben wir auch nicht die Probleme in bezug auf die Reorganisation, die von anderen IMS-Anwendern berichtet werden.

- Wie beurteilen Sie den DC-Teil des IMS ?

Der DB-Teil ist besser. Aus heutiger Sicht muß gesagt werden daß es eventuell günstiger gewesen wäre zum damaligen Zeitpunkt für diesen Teil eine Eigenentwicklung zu wählen um auch von der Terminal-Seite und der damit verbundenen Prozedur-Seite flexibler zu sein. Wir hoffen daß mit dem angekündigten IMS-Release l.1 eine Reihe der Einschränkungen behoben werden.

- Mit wieviel K sind DB-Teile und DC-Teile auf Ihrer Maschine ständig resident?

Mit IMS/VS werden wir etwa 450 KB benötigen .

- Wieviel Lizenzgebühren zahlen Sie für Ihr IMS?

Derzeit monatlich 5500 Mark.

- Die Kostenverrechnung ist bei Informationssystemen sehr kompliziert, da nicht mehr job-orientiert sondern transaktions-orientiert abgerechnet werden muß. Was für ein Job-Accounting haben Sie für Ihre IMS-Anwendungen?

Für Jeden Transaktionstyp ist uns aufgrund von Hardware-Messungen mittels Hardware-Monitor die durchschnittliche CPU-Belastung bekannt so daß wir aufgrund der monatlichen Statistiken pro Transaktionstyp eine entsprechende Verrechnung vornehmen können.

- Gibt es bei Ihnen bei der Lufthansa einen Database-Administrator?

Einen Database-Administrator haben wir nicht. Wir unterscheiden zwei Funktionen Einmal die mehr systembezogene Seite also die IMS-Systempflege. Das machen drei Mitarbeiter die zur Gruppe Systemprogrammierung gehören. Daneben sind drei Mitarbeiter in der Abteilung Systemanalyse und Programmierung im wesentlichen mit dem sogenannten Database-Design, der Erarbeitung und Kontrolle von Standards und der Unterstützung der Anwendungsprogrammierer beschäftigt .

- Ein Blick in die Zukunft: Was kommt nach IMS?

Wir erwarten keine revolutionäre Änderung in den nächsten Jahren weil sich die IBM das sicher gegenüber ihren Kunden nicht leisten kann.