IBM stellt Datenbankbenutzern mehr virtuellen Speicherplatz zur Verfügung:

IMS 1.3 schafft Luft für neue XA-Überlegungen

13.01.1984

STUTTGART - Der Run auf das IBM-Betriebssystem MVS/XA könnte sich nach der Auslieferung des neuen IMS Release 1.3 im zweiten Quartal dieses Jahres abschwächen. Nach Angaben des Marktführers bietet die neue Version des Information-Management-Systems "signifikante Verbesserungen bei der Nutzung des virtuellen Speichers". Overhead-geplagte Datenbankbenutzer konnten sich somit nach Ansicht von DB/DC-Experten noch einige Zeit über die Runden retten, ohne das kostspielige und noch nicht voll nutzbare MVS/XA einsetzen zu müssen. Die jährliche Ersparnis bewege sich dabei im sechsstelligen Zahlenbereich.

Zur Beseitigung des leidigsten Problems ihrer langjährigen Datenbank-Großanwender hat IBM mit der Ankündigung von IMS/VS 1.3 jetzt, nach Meinung von Fachleuten allerdings ungewollt, eine preisgünstige Alternative zu dem seit Herbst 1983 verfügbaren Betriebssystem MVS/XA (XA: Extended Architecture - Erweiterte Architektur) geschaffen, das bekanntlich die Adressierungszwänge aufheben soll. In der Absicht, für IMS Kunden Migrationsmöglichkeiten zu XA zu schaffen, mußten die Stuttgarter für Freiraum im virtuellen Speicher sorgen. Vor allem mit der Auslagerung der Datenbankfunktion DL/1 soll eine starke Entlastung im Adressierungsbereich der "IMS/VS Control Region" erreicht werden. Weitere Effekte dieser Maßnahme, so ein IBM-Papier, liegen in der besseren Ausnutzung des Realspeichers und der Prozessorkapazität. Demnach bewirke der IMS 1.3-Einsatz Einsparungen im virtuellen Speicherbereich von 0,75 bis 2,7 Megabyte. (Siehe Anwendungsbeispiele, Seite 2) Dies ist Anwenderaussagen zufolge mit den derzeitigen XA-Ergebnissen vergleichbar.

Mit dem "Facelifting" des mittlerweile fünfzehn Jahre alten Datenbanksystems kommt Big Blue insbesondere IMS-Benutzern entgegen die seit jeher über zu lange Antwortzeiten bei exzessivem Terminalbetrieb, schlechte Performance und übermäßig starke Hauptspeicherbelastung klagten. Daß die offiziell aus Performance-Gründen freigeschaufelten IMS-Engpässe jedoch dazu führen könnten, daß ein großer Teil der rund 300 deutschen IMS-User zunächst Abstand von einem XA-Einsatz nehmen könnten - zumal ihnen das neue Release einen vergleichbaren Vorteil bringt - , dürfte der IBM freilich nicht ins Konzept passen. Wie von Großanwendern zu erfahren ist, bemüht sich der Marktführer bereits seit längerem, sogar gehobene Midrange-Kunden in die XA-Welt zu hieven. Dies zeigt auch das im September angekündigte System 4381, das unter anderem für den Einsatz von Extended Architecture gerüstet ist.

IMS-Kenner sehen die neue Datenbankversion zwar keineswegs als ein langwieriges Allheilmittel, aber immerhin als eine willkommene Überbrückungshilfe, um den kostenintensiven XA-Einsatz um einige Zeit aufzuschieben. So sagen denn auch Benutzer des IBM-Betriebssystems, daß sich die Softwarekosten mit der erweiterten Architektur etwa um den Faktor 2,5 erhöht hätten. Bei der Datenverarbeitungszentrale der Niedersächsischen Sparkassenorganisation mbH in Hannover macht der Mehraufwand für XA einen jährlichen Betrag von über 100 000 Mark aus. Andere User berichten von Ausgaben von bis zu 150 000 Mark.

Dieser Aufwand rechtfertigt nach Ansicht von IBM-Kritikern keineswegs den Preis für den XA-Einstieg. Die gesamte Anwendungsumgebung sei noch längst nicht auf das neue Betriebssystem zugeschnitten und es bringe bislang nur einen Bruchteil des angekündigten Leistungsgewinns. Dennoch kann der Marktführer erste Installationserfolge verbuchen: IBM-Beobachter wollen wissen, daß hierzulande inzwischen 30 bis 40 XA-Auslieferungen erfolgt seien. Weitere 100 Bestellungen sollen in Stuttgart vorliegen.

Die bisherigen XA-Benutzer stellen freilich eine elitäre Gruppe unter der IBM-Kundschaft dar. Wie es heißt, handelt es sich um die vom Datenvolumen her größten deutschen Anwender. Bei diesen Unternehmen sei der virtuelle Speicherbedarf so groß, daß XA- oder IMS-Kosten als weitgehend nebensächlich betrachtet würden. Empfehlen IMS-Spezialisten, vor der XA-Entscheidung die neuen Release-Alternative zu prüfen, so meinen sie auch nicht diese IBM-Großkunden, sondern vielmehr die überwiegende Anzahl der Jumbo-User, die sich von dem anfänglichen XA-Sog mitreißen ließen. Einige Benutzer hätten das Betriebssystem bestellt, weil die Stuttgarter über das neue IMS-Release lange Zeit, mit Ausnahme von wenigen Datenblättern, keine konkreten Informationen herausgegeben hätten.

Aus Kreisen der IBM-Benutzergruppe "Guide" ist denn auch zu hören, daß es zwar einige Pilot-Installationen in Deutschland gebe, darunter die Commerzbank in Frankfurt jedoch die von IMS/VS-1.3-Interessenten geforderten Erfahrungsberichte vom Marktführer zurückgehalten würden. Auch die Kosten für das neue Release sind noch nicht bekannt. Die IBM habe sich lediglich dahingehend geäußert, daß IMS/VS 1.3 nur unwesentlich teurer sei als die bisherigen Versionen.