EDV-Einsatz in Klein- und Mittelbetrieben:

Improvisation belastet die Computer-Nutzung

29.09.1978

BERLIN (de) - "Die terminalorientierte Sachbearbeitung ist jeder anderen Form von Sachbearbeitung überlegen", konstatierte Hans-Peter Harms in seinem Referat "Einsatz der EDV in einem mittelständischen Betrieb des Maschinenbaus" im Rahmen der IKD-Workshopreihe V (EDV-Einsatz in Klein- und Mittelbetrieben). Harms ist bei ABS Pumpen GmbH, Lohmar, auf Geschäftsleitungsebene verantwortlich für die computergestützte Informationsverarbeitung. Der folgende Text ist eine gekürzte Fassung seines IKD-Vortrags:

Daß mittelständische Unternehmen die moderne Informationstechnologie kostengünstig nutzen können, ist prinzipiell nicht mehr fraglich. Es gilt, die spezifischen Probleme dieser Unternehmen zu überwinden und die spezifischen Vorteile zu nutzen.

Vorteilhaft ist die bessere Überschaubarkeit und die direkte Steuerbarkeit solcher Unternehmen. Dieser generelle betriebswirtschaftliche Vorteil wird verstärkt durch wirksame EDV-Anwendung. Wegen der geringeren Arbeitsteilung und fehlenden Delegationsmöglichkeiten muß das Management in allen Bereichen und auf allen Ebenen ein breiteres Funktionsspektrum abdecken. Die diesbezüglichen Anforderungen sind hoch. Zur Entscheidungsvorbereitung wird weniger auf Stäbe zurückgegriffen. Die Chancen, neuartige Lösungen zu finden, sind wegen fehlender bürokratischer Hemmnisse besser. Das Risiko, Fehlentscheidungen zu fällen, ist jedoch größer. Ein Gegensteuern ist wiederum ????hter als in größeren Unternehmen. Diese Tendenz ist für den EDV-Einsatz problematisch, weil Fehlentwicklungen in diesem Bereich nur selten kurzfristig zu korrigieren sind. Improvisation ist eine schwere Belastung für die EDV-Nutzung.

"Einsatzproblematik heruntergespielt"

Der Wunsch nach Problemlosigkeit des EDV-Einsatzes ist vor diesem Hintergrund verständlich. Anbieter von Hard- und Software sowie von Beratungsleistungen neigen dazu, die Einsatzproblematik über Gebühr herunterzuspielen. Sie finden Resonanz, weil die reine Anwendungsproblematik meist auch Nichtfachleuten zugänglich ist, nicht aber die sich dahinter verbergenden, beträchtlichen datentechnischen Probleme wie Maschinenbelegung, Fehlerbehandlung, Wartbarkeit der Programme und Datenbestände, Antwort????tverhalten und Datenorganisation im ???alogsystem, Synchronisierung von Stapel- und Dialogverarbeitung, Wiederstartbarkeit nach Unterbrechungen. Katastrophale Fehlentwicklungen können die Folge sein.

Auch Fachpublikationen suggerieren, daß die EDV-Problematik ausgestanden sei, wenn vorgefertigte Anwendungssoftware eingesetzt wird. Derartige Anwendungspakete sind zumeist Insellösungen, die noch in die Umgebung einzupassen sind. Der Funktionsumfang ist in vielen Fällen zu gering und die Qualität, auch von namhaften Anbietern, überwiegend fragwürdig. Die Auswahl geeigneter Standardsoftware sowie deren Anpassung und Eingliederung in das vorhandene System verursachen ausnahmslos unerwartet großen Aufwand.

Aufgrund der anfallenden Datenmengen erscheinen niedrigere Softwarepreise für mittelständische Unternehmen wünschenswert. Dies geht aber in der Regel zu Lasten des Komforts, was verschleiert werden muß, weil die Anforderungen hinsichtlich Funktionsumfang und Qualität häufig nicht kleiner sind.

Das geringere Mengengerüst wirkt sich in anderem Zusammenhang vorteilhaft aus. Warteschlangenprobleme in der Dialogverarbeitung sind weniger brisant. Speicherplatz- und Laufzeitbetrachtungen haben geringeren Stellenwert.

Die Simplizifierung des EDV-Einsatzes führt zu dem Irrtum, daß nur der Anfang überwunden werden müsse. EDV fördert jedoch die Flexibilität der Anwenderorganisation. Strukturelle Änderungen bleiben nicht aus. Das Anwendungssystem muß der Dynamik folgen. Hier liegt eine Ursache für umfangreiche Wartungsaktivitäten. Hauptanteil haben Erörterungen über installierte oder installierbare Funktionen. Das Ausmaß der Wartung wird weit unterschätzt.

"Terminplanung generell sinnlos"

Mittelständische Unternehmen verfügen im EDV-Bereich über geringe personelle Kapazitäten, die häufig durch nicht geplante, unausweichbare Wartungsaktivitäten blockiert werden. Vorgesehene Erweiterungsaktivitäten geraten dadurch so oft in erheblichen Verzug, daß eine Terminplanung generell sinnlos ist. Das Bearbeiten ungesteuert wechselnder Gebiete belastet die Effizienz. Nur mit verbesserten Konzepten, neuen Werkzeugen und wachsender personeller Qualifikation ist dem entgegenzuwirken. Das eigentliche Problem des EDV-Managements liegt heute nicht in der Datentechnik, sondern in der Notwendigkeit, Know-how und Motivation weiterzuentwickeln. Anders als größere Betriebe haben mittelständische Unternehmen fast keine Chance, erfahrene EDV-Mitarbeiter auf dem Markt zu gewinnen.

"Einzelpersonen überfordert"

Dagegen ist vorteilhaft, daß der Kleingruppencharakter von EDV-Abteilungen in mittelständischen Unternehmen die Koordination und die zwischen menschlichen Beziehungen fördert. Effizientes Zusammenenwirken muß erreicht werden, weil die Komplexität der vorhandenen Systeme und das zur Beherrschung notwendige Spezialwissen gegenwärtig so stark wachsen, daß Einzel-Personen überfordert sind.

Hier liegt der Ansatz für Unterstützung von außen. Eine qualifizierte und motivierte EDV-Basis beim Anwender ist Voraussetzung. Sie benötigt in erster Linie Konzeptionen, Werkzeuge und Training, codierte Lösung in zweiter Linie. Überzeugende Organisationsformen sind dem Referenten nicht begegnet.