Immobilienportal mit Nebenwirkungen

24.10.2001

Immobilenportale im Web gibt es zur Genüge. Für die Hypovereinsbank-Gruppe war das kein Grund, diesen Markt den Mitbewerbern zu überlassen – mit dem ausgegründeten Startup Planethome baute man ein umfassendes Serviceportal auf. Das konzerneigene Rechenzentrum HVB-Info nutzte als Hosting-Partner die Gelegenheit, um sich mit einer Umstrukturierung seiner Prozesse den Anforderungen des
E-Commerce-Zeitalters zu stellen.
Nach dem .com-Crash ist es deutlich schwieriger geworden, mit einem neuen Portal noch Aufsehen zu erregen. Gefragt sind nun – das haben viele Internet-Pleiten gelehrt – solide Konzepte, die vor allem mit einem guten und umfassenden Serviceangebot gepaart werden müssen. Das hat man auch bei der Hypovereinsbank Anfang 2000 erkannt, als man nach dem Start mit der konzerneigenen Immobiliensuchmaschine Immoseek als Nächstes an eine bis dahin einmalige Verbindung von Online- und Offline-Welt gewagt hat. Im Rahmen einer umfasssenden Internet-Strategie hatten die Münchner Banker das Startup-Unternehmen Planethome ins Leben gerufen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Für die Bank war klar: Ein erfolgreiches Portal kann man nur betreiben, wenn man die gesamte Palette an dazugehörigen Services anbietet. Ziel war es daher, alle Aktivitäten rund um Immobilien auf einer Plattform zu bündeln. Planethome sollte als erster Anbieter die drei Kernbereiche des Immobiliengeschäfts, nämlich die Vermittlung, die Finanzierung und die Services rund um die Immobilie, auf einer Site vereinen.
Um dem Anspruch eines Allround-Portals zu genügen, verordnete man sich außerdem strikte Anbieterneutralität. Für die Finanzierungsvermittlung holte man dazu 20 externe Kreditinstitute ins Boot, die allesamt gleichberechtigt bei der Kreditanfrage berücksichtigt werden. Wirtschaftlich lohnt sich dieser Bereich für die HVB-Gruppe natürlich dennoch, schließlich profitiert man von den Finanzierungsprovisionen.
Vor allem bei den Services kann sich Planethome aber von den anderen Anbietern abheben. Ein großer Teil der Immobilien wird von eigenen Maklern betreut, der Rest vor Veröffentlichung des Angebots geprüft. Wenn ein Kunde Probleme hat, erhält er jederzeit über das Call-Center telefonische Hilfe. „Wir lassen den Kunden nicht im Internet stehen“, erklärt Oliver Fischer, Vice President und verantwortlich für den Bereich Applikationsentwicklung. Denn, so Fischer weiter: „Nur Internet allein ist es nicht, man muss es mit den traditionellen Geschäftsmethoden verquicken“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Online- und Offline-Märkte zusammengelegt Gegenüber den Mitbewerbern glänzt die HVB-Tochter auch mit einigen Multimedia-Extras. Immobiliensuchende sollen nicht nur Fotos oder Grundrisse betrachten, sondern zusätzliche Eindrücke von den angebotenen Objekten erhalten können. So werden beispielsweise Videoaufnahmen von Straßen gezeigt, die einen Eindruck vom Wohnumfeld der Immobilie vermitteln. Eigens dazu hatte ein externer Dienstleister in 35 Groß- und Mittelstädten Deutschlands nahezu alle Straßen gefilmt, insgesamt eine Strecke von 45000 Kilometern. Ergänzt werden die bewegten Bilder durch Luftaufnahmen, 360-Grad-Innenaufnahmen, Umgebungskarten und demografische Statistiken.
Im Vergleich zum Offline-Geschäft haben die Makler durch diese vielseitige Präsentation einen deutlich geringeren Aufwand bei Objektbesichtigungen. Üblicherweise braucht ein Makler bis zu 15 Besichtigungen bis zum Verkauf. Bei Planethome liegt der Schnitt bei sieben Besuchen. Kostenreduzierend wirkt sich auch der Online-Kreditvertrag aus, der dem Kunden eine Finanzierung innerhalb von 48 Stunden ermöglicht. Online-Anträge sind zwar nichts Neues, erforderten aber auch bisher einen gewissen bürokratischen Aufwand wie etwa das Verschicken von Papierunterlagen auf postalischem Weg. Planethome hingegen kann seinen Kunden erstmals in Echtzeit ein konkretes Angebot von einem der 20 Bankpartner unterbreiten.
Möglich macht das eine eigens entwickelte Technologie. Die Finanzpartner haben bei Planethome den jeweiligen internen Kriterienkatalog mit Ausschluss- und Scoring-Regeln hinterlegt, die auf der Basis von bis zu 120 Angaben für die Ausreichung eines Immobiliendarlehens nötig sind. Die maschinelle Vorprüfung berücksichtigt Beleihungsgrenze, Kundenprofil, Baujahr des Objekts und andere relevante Parameter. Nachdem festgestellt wurde, welche Bank den Kreditantrag annimmt, kann schon im ersten Durchgang ein verbindliches Angebot vorgelegt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Herausforderung für die IT lag darin, die unterschiedlichen Scoring-Regeln der einzelnen Banken auf ein allgemeingültiges Datenmodell zu übertragen. Die gängigen Standardprodukte waren dazu nicht geeignet. Man entwickelte deshalb eine Metasprache, in die alle Regeln der jeweiligen Bank übersetzt und in einer Datenbank gespeichert werden. Planethome sieht seine Kunden quasi mit den Augen von 20 verschiedenen Banken gleichzeitig. Als Basistechnologie kam das E-Business-Application-Framework der Firma Abaxx auf J2EE-(Java-2-Enterprise-Edition-)Basis zum Einsatz. Durch einen Apache Web Server, einen BEA Aplication Server und eine Oracle-Datenbank verspricht man sich langfristige Skalierbarkeit und niedrige Wartungskosten.
Weitgehend reibungslos verlief nach Angaben von Fischer das Projekt-Management. Der Starttermin September 2000 nach dreimonatiger Entwicklungszeit konnte eingehalten werden, das Budget wurde sogar um zehn Prozent unterschritten. Auch aus Fehlern, die während eines solchen Projekts unvermeidlich sind, musste die Manschaft von Planethome lernen. So hatte man anfänglich beispielsweise die Entwicklerteams zunächst technisch in Frontend, Business-Logik und Fachbereich aufgeteilt. Da die Abstimmungsaufwände und Reibungsverluste zu groß und der Endtermin gefährdet waren, entschied man sich, die Teams fachlich zu gruppieren in Finanzierung, Marktplatz und allgemeine Funktionen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dass das Konzept von Planethome auch wirtschaftlich aufgeht, zeigt das Zusammengehen mit der HVB Immobilien. Zu Beginn des Projekts arbeitete man noch parallel zum Maklernetz der Münchner Großbank, beide Gesellschaften haben konkurriert und eigenständig gearbeitet. Nachdem sich gezeigt hatte, dass die Makelei über das Internet wie erwartet zu deutlichen Kostenersparnissen führte, wurden Planethome und HVB Immobilien zusammengeführt. Eine europaweite Expansion ist bereits in Angriff genommen, in Österreich und Spanien gibt es schon Ableger. Planethome soll spätestens 2003 profitabel werden, Ziel ist die Börsenfähigkeit des Unternehmens.
Die andere Seite der Medaille stellt bei diesem Projekt die HVB Info GmbH dar, der Rechenzentrumsbetreiber der Hypovereinsbank-Gruppe. Vordergründig ist das Unternehmen einfach der Hosting-Partner von Planethome. Doch die Herausforderung für die HVB Info war groß – für sie ging es um den Einstieg in den Housing- und Hosting-Markt. Man nutzte dieses Projekt als Gelegenheit, um sich vom Image eines traditionell Host-orientierten Anbieters zu verabschieden und sich als E-Commerce-Anbieter neu am Markt zu positionieren. Damit verbunden war auch die Einführung des Prozessmodells IT Infrastructure Library (Itil) im Unternehmen. Mit Hilfe dieses standardisierten Konzepts kann ein Rechenzentrum seine Prozesslandschaft vereinfachen und klar strukturieren. Wichtigstes Ziel von HVB Info war, die Kundenorientierung in den Vordergrund zu stellen, nachdem man zuvor funktions- und prozessorientiert ausgerichtet war. Die neue Philosophie der HVB Info lautet: Die Benutzer stellen ihre Anforderungen an die IT und nicht umgekehrt.
Der Anstoß für diese Neuorientierung kam von der HVB Info selbst, wie Volker Machmeier schildert, der als Abteilungsleiter Servicedesign und Serviceintegration einer der Verantwortlichen des Projekts war. „Wir wollten beweisen, dass wir mit unserer Leistungsfähigkeit am Markt bestehen können und das alte Denken eines IT-Rechenzentrums aufbrechen“, so Machmeier. Planethome erwies sich dabei schnell als der ideale Partner, weil es ein Kunde war, der durch seine Bedürfnisse den Weg vom Rechenzentrum zum Hosting-Partner beschleunigte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Denn das Startup-Unternehmen orientierte sich am Markt und verhandelte auch mit anderen großen Hostern. „Das, was wir machen wollten, hätten wir mit jedem externen Partner machen können. Wir waren in unserer Entscheidung frei“, bestätigt Alexander Rupprecht, Vice President von Planethome. Für die HVB Info hieß das, besser zu sein als der Markt, um den Zuschlag zu bekommen. Stolz verweist deshalb auch Georg Nerlinger, der Verantwortliche für das Servicedesign, auf die Konkurrenzfähigkeit seines Unternehmes: „Wir sind vom Preis-Leitungs-Verhältnis her am günstigsten und waren die einzigen, mit denen das Projekt in der kurzen Zeit möglich gewesen ist.“
Eine große Rolle für das Gelingen des Projekts von Seiten der HVB Info spielte Itil. Dieses Prozessmodell hilft dabei, Projekte so zu betreiben, dass sie nicht nur technisch vollendet werden, sondern sich hinterher auch im laufenden Betrieb bewähren. Kunden, vor allem Startups, laufen in einem solchen Umfeld weniger Gefahr, hängengelassen zu werden, für sie ergeben sich Vorteile unter anderem bei der Servicequalität und der Kostentransparenz. HVB Info hatte bereits ein halbes Jahr vor dem Planethome-Projekt begonnen, das Itil-Modell einzuführen. „Früher hat der Kunde das bekommen, was man ihm zur Verfügung stellte“, schildert Walter Holderried, der mit der Prozessimplementierung betraut ist. „Das war natürlich ein Paradigmenwechsel, sich nicht in erster Linie an der Technik zu orientieren. Im Gegensatz zu früher steht nun im Vordergrund, was den Kunden interessiert, womit er sein Geld verdient und wie wir ihn dabei unterstützen können“, so Holderried weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Dabei geht es nicht nur um Prozesse, sondern auch darum, jeden Mitarbeiter zum Umdenken zu bewegen. Am Beispiel Change-Management heißt das, nicht einfach eine Komponente auszutauschen, sondern die Auswirkungen auf den Kunden zu berücksichtigen, um Ausfälle zu vermeiden. Dass die Umstellung auf Itil gelungen ist, liegt laut Holderried nicht zuletzt an der Unterstützung aus der Unternehmensführung. Das aufwändige Vorhaben hat sich gelohnt. So stellt sich das Rechenzentrum nun in nicht mehr als zehn Kernprozessen dar.
Auch der Motivationsfaktor, so Machmeier, ist nicht zu unterschätzen. „Unsere Leute haben festgestellt: Es gibt einen externen Markt, der anders tickt, und man kann Spaß daran haben.“
Wolfgang Miedl Ausbruch aus dem Rechenzentrum ins E-Commerce-Zeitalter: