Dokumenten-Management/Elektronisches Dokumenten-Management beschleunigt Prozesse

Imaging- und Workflow-Systeme machen Aktenschieber obsolet

01.03.1996

Beim Dokumenten-Management, auch Imaging genannt, werden Papiervorlagen mit Scannern in digitale, vom Computer verarbeitbare Images umgesetzt und auf magnetischen oder optischen Platten gespeichert. Die Software unterstuetzt das Archivieren und Indizieren, den Abruf und die Ausgabe der Dokumente. Das Erfassen der Dokumente ist entscheidend fuer die Qualitaet der Informationen in der Datenbank, da falsche oder ungenaue Indizes und Auswahlkriterien die spaetere Suche erschweren und zu Dokumentenverlust fuehren koennen.

Die Unterstuetzung einer Mixed-Media-Architektur macht Unternehmen in bezug auf die Speichertechnologie unabhaengig. Sie koennen ihre Loesungen entsprechend den Zugriffsgeschwindigkeiten und Speichervolumina, der juristischen Akzeptanz (Urkunden) oder Wirtschaftlichkeit auswaehlen.

Leistungsfaehige Erfassungssysteme erzeugen Bitmaps fuer Optical Disks oder Magnetplatten und belichten gleichzeitig auch Mikrofilme, die entweder als Backup- oder sogar als Online- Speichermedien dienen. Bei nur wenigen hundert Dokumenten pro Tag ist der Mikrofilmeinsatz allerdings ungeeignet. Sollen grosse Dokumentenmengen innerhalb von Sekundenbruchteilen verfuegbar sein, sind Magnetplatten gefragt. Fuer dokumentenechte Archive mit einer durchschnittlichen Speicher- dauer von ein bis zehn Jahren bieten sich Optical Disks nach Write-once-read-many-Technik (WORM) an.

Bei einer Archivierungsdauer von mehreren Jahrzehnten sind Mikrofilme das passende Medium. In zehn bis 20 Jahren wird es vermutlich sowohl herkoemmliche Plattenlaufwerke als auch die heutige Lesesoftware nicht mehr geben, Informationen von Mikrofilmen werden aber nach wie vor abrufbar und unter Umstaenden eine kostenguenstige Alternative sein. Potentielle DMS-Anwender ermitteln sinnvollerweise zunaechst ihren tatsaechlichen Bedarf und entscheiden dann, ob sich die Implementierung einer Loesung rechnet. Sie erstellen Wirtschaftlichkeitsanalysen unter Beruecksichtigung der laufenden Kosten und der Einsparungs- beziehungsweise Rationalisierungspotentiale. In manchen Faellen amortisiert sich das neue System nur, wenn auch das Alt- archiv uebernommen und die Daten konvertiert werden.

Bei groesseren Installationen sollte ein Pilotprojekt am Anfang stehen, um Erfahrungen fuer die weitere Vorgehensweise zu sammeln. Wenn das Ergebnis ueber den unternehmensweiten Einsatz entscheidet, ist die Auswahl des Testbereichs besonders wichtig. So lassen sich die Gesamtkosten besser abschaetzen und Risiken vermeiden.

Darueber hinaus machen Workflow-Systeme die in Archivierungs- und Dokumenten-Management-Loesungen enthaltenen Unterlagen fuer Zugriff, Weiterleitung, Verfolgung und Bearbeitung zugaenglich. Ein solches System bildet die Geschaeftsprozesse eines Unternehmens ab und verbindet sie miteinander. Nach vordefinierten Regeln steuert es die Zusammenarbeit der Mitarbeiter und protokolliert jeden Vorgangsschritt.

Zwar unterscheiden sich die Branchen, jedoch nicht die Ziele der Anwender. So soll Workflow-Management (WFM) die Produktivitaet, Transparenz und Auskunftsfaehigkeit erhoehen, die Prozess- beziehungsweise Vorgangsqualitaet steigern, Durchlaufzeiten reduzieren und die Vorgangskosten senken. Ferner ist den Benutzern eine Standardisierung der Geschaeftsablaeufe, die lueckenlose Nachvollziehbarkeit der Vorgangsinstanzen sowie die Moeglichkeit wichtig, auf neue Erfordernisse flexibel zu reagieren.

Workflow-Systeme bieten sich besonders fuer Organisationen mit strukturierten und haeufig wiederkehrenden Vorgaengen im administrativen Bereich an. Sie konkretisieren die Aufgaben jedes Mitarbeiters, stellen die zur Bearbeitung benoetigten Informationen und Anwendungen automatisch bereit, vermeiden Doppelarbeit, schaffen eine ganzheitliche Vorgangssicht und liefern den Leistungsnachweis. Zu diesem Zweck enthalten sie Werkzeuge zur grafischen Vorgangs- und Organisationsmodellierung sowie eine symbolische Schreibtischoberflaeche.

Das Vorgangsmodell gibt einen Ueberblick ueber die Abfolge paralleler und serieller Vorgangsschritte oder Untervorgaenge. In ihnen sind Verarbeitungsregeln und manuelle Eingriffspunkte definiert, an denen ein Sachbearbeiter ueber den weiteren Ablauf des Vorgangs selbst entscheiden kann. Im Vorgangsmodell erfolgt die Anbindung der zur Bearbeitung notwendigen Applikationen.

Das Organisationsmodell verdeutlicht die Struktur der Verwaltung oder des Unternehmens und enthaelt die Abbildung der Vorgangsbeteiligten (Personal) und deren Beziehung untereinander (zum Beispiel Stellvertreter). Der Schreibtisch ist die Sicht des Sachbearbeiters auf die ihm zugaenglichen Vorgangsinstanzen. Er umfasst eine Reihe von Koerben beziehungsweise Sichten. Die darin enthaltenen Vorgaenge sind nach verschiedenen Kriterien gruppiert und geordnet.

Effizientes Workflow-Management setzt sinnvollerweise die Optimierung der zu unterstuetzenden Geschaeftsprozesse im Rahmen eines Business Process Re-Engineering (BPR) voraus, damit ineffiziente Prozesse nicht bloss "elektrifiziert" werden. BPR untersucht eine Organisation und eliminiert alle nicht wertschoepfenden Aktivitaeten. Workflow-Management-Systeme setzen dann die Resultate in die Praxis um.

BPR organisiert und optimiert die Vorgaenge und vermeidet Zeitverschwendung zwischen den einzelnen Aufgaben. Eine Geschaeftsprozessanalyse ist jedoch keine unabdingbare Voraussetzung fuer die WFM-Einfuehrung. Auch ohne BPR kann ein Unternehmen eine Reduktion der Durchlauf- und Bearbeitungszeiten erreichen. Die Nutzenpotentiale sind jedoch bei einer vorgeschalteten Geschaeftsprozessanalyse ungleich hoeher.

Sofern die Systeme die Integration mit vorhandenen Applikationen und DV-Infrastrukturen erlauben, bleiben die einmal getaetigten Investitionen erhalten. Leistungsfaehige Software unterstuetzt dazu Standards wie DDE, MAPI, OLE2, ODBC, SQL oder X.500. Skalierbarkeit erlaubt den Einsatz auf unterschiedlichen Rechnerplattformen und einen Auf- und Ausbau entsprechend den Unternehmensanforderungen.

Neben PC- und Unix-Versionen unterstuetzen die Programme auch Aufgaben auf dem Mainframe. Ueber Im- und Export-Schnittstellen ist ausserdem die Integration von BPR-Tools (Aris, Bonapart etc.) moeglich. Die in der Re-Engineering-Phase gewonnenen Ergebnisse lassen sich so mit den WFM-Systemen praxisgerecht umsetzen.

Eine wirkungsvolle Implementierung von Dokumenten-Management und Workflow setzt aber nicht nur die Auswahl der passenden Systeme voraus. Zunaechst sind organisatorische Huerden zu ueberwinden, damit sich die mit der Anschaffung eines WFM-Systems angestrebten Ergebnisse auch erreichen lassen. Bedingungen fuer eine erfolgreiche elektronische Vorgangsbearbeitung sind eine klar definierte Ablauforganisation des Unternehmens und das Ausraeumen etwaiger Bedenken der Personalleitung und des Betriebsrats. Zudem muessen die fuer den spaeteren Betrieb verantwortlichen Mitarbeiter eingebunden werden.

*Ralf Meyer ist Leiter des Geschaeftsfelds Imaging bei der Software AG in Darmstadt.

Kurz & buendig

Archivierungssysteme reduzieren den Aufwand beim Erfassen und Speichern der Geschaeftsunterlagen. Den gezielten Zugriff auf die digital umgesetzten Vorlagen stellen Dokumenten-Management-Systeme sicher. Sie bilden wiederum den funktionalen Unterbau fuer Workflow-Loesungen zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Geschaeftsprozessen. Der Effekt des hier beschriebenen Zusammenwirkens von Imaging- und Workflow-Systemen ist Rationalisierung: Bei richtiger Anlage ersparen sie unproduktive Taetigkeiten wie das Besorgen, Kopieren und Ablegen von Akten und ermoeglichen es den Mitarbeitern, sich auf die eigentlichen Vorgaenge zu konzentrieren. Sie koennten die Bearbeitungszeiten der Vorgaenge drastisch reduzieren.