Tools können keine Strategie ersetzen

Im Warehouse-Projekt muß der Anwender König sein

19.11.1998
MÜNCHEN (as) - Der Erfolg eines Data-Warehouse (DW) mißt sich vor allem an der Zufriedenheit seiner Benutzer. Doch viel zu oft steht die Auswahl der Produkte im Vordergrund der Projekte. Von einer koordinierten, abteilungsübergreifenden Planung, die den Anwender einbezieht, sind die meisten Firmen weit entfernt.

Die Einführung eines Data- Warehouse ist eine langwierige und aufwendige Angelegenheit. Projekte ließen sich jedoch beschleunigen, wenn neben der technischen Implementierung die unternehmensspezifischen Abläufe und die individuellen Bedürfnisse der künftigen Benutzer geklärt würden. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, woraufhin dann die neuen Produkte, zum Beispiel Berichts- und Olap-Clients (Olap = Online Analytical Processing), häufig nicht akzeptiert werden.

Manche Hersteller und vor allem ihre Servicepartner bieten Hilfe bei der Modellierung und Implementierung eines Data- Warehouse und von Data-Marts (siehe Grafik "Aufgabenliste"). Laut Godske Hansen, Berater bei Mummert & Partner in Hamburg, bevorzugen jedoch mehr als die Hälfte aller deutschen Unternehmen den Alleingang, da sie über genügend technisches Know-how verfügen. Viele von ihnen haben bereits langjährige Erfahrungen mit Management- oder Executive-Information-Systemen (MIS/ EIS) gesammelt. Den IT-Abteilungen bleibt dennoch die schwierige Aufgabe, während der Planungs- und Projektphase die Unterstützung der künftigen Benutzer sowie den Segen der Geschäftsleitung zu gewinnen. Dieser Rückhalt ist auch Bedingung dafür, daß die Datenqualität in den künftigen Anwendungen gesichert wird.

Ein Beispiel für ein weitgehend in Eigenregie entwickeltes Informationssystem gibt der Deutsche Sparkassen Verlag (DSV) in Stuttgart.

Als 1994 der Vertrieb nach Geschäftsfeldern geordnet und von einer produktbezogenen auf eine regional kundenorientierte Sicht umgestellt wurde, stieß das bisherige Berichtssystem an seine Leistungsgrenzen. Vertriebs-Con- troller Georg Neumann erhielt damals die Aufgabe, ein auf Software von SAS Institute basierendes Data-Warehouse-Vertriebsinformations-system (VIS) zu konzipieren und zu entwickeln. Die Arbeit war mit einem hohen Aufwand an Individualprogrammierung verbunden, da die meisten Berichtslisten neu angelegt werden mußten. Erschwerend kam Mitte 1995 die Einführung und Anbindung von SAP R/2 hinzu, das mittlerweile sämtliche Kunden- und Stammdaten liefert. VIS wurde zwischen April 1994 und Januar 1995 implementiert und wird heute von rund 200 Mitarbeitern vom Kundenberater bis zur Geschäftsführung genutzt.

Zum Erfolg des Projektes und der schnellen Umsetzung trug laut Neumann neben einem durchgängigen Projekt-Controlling vor allem ein geeigneter Sponsor bei. Dies war neben dem Vertriebsleiter auch ein Mitglied aus der Geschäftsleitung, das als "Promotor" der feste Ansprechpartner und Fürsprecher des Projektteams war. Ein weiterer Erfolgsfaktor war, die Projektleitung aus je einem Mitglied der IT-Abteilung und dem Fachbereich zu besetzen.

Neumann hatte in einer Vorstudie ein fachlich fundiertes Grobkonzept und ein Datenmodell entwickelt, das bereits alle gewünschten Datenquellen berücksichtigte. Dadurch war er für die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung gewappnet. Im Verlauf des Projekts wurden zudem Gespräche mit Mitarbeitern aus den betroffenen Unternehmensbereichen geführt. Nachdem die Planung beendet war, bildete Neumann Teams aus Vertrieb, Produktbereichen und IT-Abteilung, um die Fachkonzepte für VIS zu entwickeln: "Dies hat sich sehr bewährt." Parallel wurden erste Prototypen entworfen und sofort in die Feinmodellierung übernommen, wenn die Gruppe und ausgewählte zukünftige Anwender einverstanden waren.

Die einzigen echten Produktionsprobleme entstanden durch die R/2-Anbindung. Die Belegdaten aus dem System ließen sich erst nach umfassenden Modifikationen in das Data-Warehouse übernehmen. Begleitet wurde die Planung durch Schulungen und Präsentationen bei den Mitarbeitern, wodurch die Akzeptanz von Anfang an gesichert wurde. "Heute gibt es nur noch einzelne, ältere Mitarbeiter, die VIS kaum nutzen und sich lediglich Berichte ausdrucken und abheften lassen."

Hatte das DSV-Projekt dank der engen Koordination und fachlichen Zusammenarbeit einen guten Start und schnellen Erfolg, spielten die Mitarbeiter des Data-Warehouse bei einem großen deutschen Kurier- und Expressdienst zunächst nicht mit. Laut den Projektbeteiligten verlief die Planung und Implementierung des Data-Warehouse zunächst technisch ohne größere Probleme.

Ins Stocken geriet das Projekt aber, als sich die Benutzer weigerten, die vorgefertigten Cubes mit den Analyse-Tools zu verwenden. Letztere boten zwar eine hohe Performance, flexible Analysen und die Integration verschiedener Datenquellen, doch für die Anwender geriet die Arbeit mit ihnen zu einer Informationsüberflutung. Hinzu kam, daß die Tools nicht zu den bisherigen Anwendungsgewohnheiten und Arbeitstechniken paßten und die Zeit für eine ausgiebige Beschäftigung mit den Werkzeugen fehlte. Die Folge war, daß zwei Jahre nach Einführung der Werkzeuge lediglich 20 Prozent der Zielgruppe von ihnen Gebrauch machte.

Betriebswirtschaftliche Integration fehlt meist

Das schlechte Ergebnis ist für die Kurierdienst-Experten vor allem auf die fehlende betriebswirtschaftliche Integration der Tools in die Abläufe und Strukturen im Unternehmen zurückzuführen. Die beiden Projektverantwortlichen machten schließlich aus der Not eine Tugend und entwickelten ein regelkreisbasiertes Kommunikations- und Feedbackmodell, das alle Beteiligten an einen Tisch brachte und für eine gemeinsame Planung und Entwicklung unternehmensspezifischer Datenwürfel sorgte. Wenige Monate später nutzten von den 300 möglichen Anwendern bereits 70 Prozent das Data-Warehouse. Die beiden Autoren haben nun eine Geschäftsidee daraus entwickelt und werden demnächst erste Projekte in anderen Unternehmen betreuen.

Selbst wenn die Strategien oder Konfliktlinien sich in anderen Unternehmen unterscheiden, belegen die Erfahrungen des Kurierdienstes und bei DSV die stets zentrale Bedeutung der Anwenderintegration für den Erfolg eines Data-Warehouse. Mummert-Consultant Hansen kritisiert deshalb, daß Hersteller dem Kunden nicht genug zuhören. "Sie sind immer noch viel zu sehr mit dem Verkauf von Produkten und nicht mit der konzeptionellen Arbeit beschäftigt."