"Liquidität schon ein Problem"

Im Überlebenskampf läuft Qimonda die Zeit davon

26.02.2009
Im Alltag des insolventen Chipherstellers Qimonda Dresden gibt es momentan Hürden, an die man vor einem Jahr nicht im Traum gedacht hätte.

Selbst Müllbeutel sind neuerdings antragspflichtig und müssen bei Insolvenzverwalter Michael Jaffé und der Chefetage bestellt werden. Rund 2,5 Millionen Euro kostet die Produktion hier jede Woche. "Die Liquidität ist schon ein Problem", sagt Jaffés Sprecher Sebastian Brunner. Für das Geld der Mitarbeiter kommt noch bis Ende März der Steuerzahler auf.

Das Qimonda-Gelände im Dresdner Norden
Das Qimonda-Gelände im Dresdner Norden
Foto: Qimonda

Die Hoffnungen, bis dahin einen seriösen Investor für Qimonda zu finden, sind in den vergangenen Tagen keinen Nanometer gestiegen, zumal die Preise für Speicherchips (DRAM) aktuell wieder sinken. Deshalb arbeitet Jaffé schon für die Zeit nach dem 31. März. Parallel zur Investorenwerbung werde intensiv über Finanzierungsmöglichkeiten verhandelt, um den "Betrieb befristet für einige Monate auch nach dem 31. März 2009 aufrechtzuerhalten", heißt es aus dem Haus Jaffé. Schon jetzt steht fest, dass mehr Zeit für die Suche nach einem neuen Eigentümer nötig ist.

Rund einen Monat nach dem Insolvenzantrag haben die Mitarbeiter der Dresdner Infineon-Tochter eine zweite Beschäftigung gefunden - als Demonstranten. Neben einer Mahnwache vor den Toren des Unternehmens im Dresdner Norden kämpfen sie auch bei Demonstrationen in der Innenstadt ums Überleben. Sachsens Staatskanzlei trägt seit Wochen ein Pokerface zur Schau und verweist bei Anfragen nach dem Fortgang der Verhandlungen auf deren Vertraulichkeit. Ob sich bei der Suche nach Investoren Konkretes ergab, weiß man nicht.

"In den letzten vier Wochen vor Ende des Insolvenzgeldes kommt in der Regel kein Name mehr auf den Tisch", berichtet der Dresdner IG-Metall-Chef Willi Eisele von Erfahrungen. Zu groß sei das Risiko, bei einem Scheitern der Verhandlungen wie ein Depp dazustehen. Bei Qimonda selbst hat er eine "zornige Stimmung" ausgemacht. Man sehe zwar noch eine Chance, viele Mitarbeiter würden sich aber schon nach einem neuen Job umsehen. "Den Beschäftigten ist klar: Wenn es weitergeht, wird es nicht in der bisherigen Größenordnung weitergehen."

"Die Moral der Belegschaft ist trotz fundamentaler Verunsicherung und existenzieller Bedrohung jedes Einzelnen gut, fast trotzig", sagt ein Qimonda-Mitarbeiter, der wie andere anonym bleiben will. In solchen Zeiten bleibt das Visier gern unten. Wer es öffnet, hat später vielleicht nicht die besten Karten. Das Engagement betreffe alle Bereiche des Unternehmens. Ähnliche Motivationsschübe habe es früher schon gegeben, "wenn Standorte dichtmachten und die Kollegen noch einmal zeigen wollten, was für einen Verlust das bedeutet", heißt es.

Diese Einstellung gründet sich vor allem auf Selbstbewusstsein. Denn trotz der Insolvenz sieht sich Qimonda der Konkurrenz um Monate voraus. Das Zauberwort heißt "Buried-Wordline"-Technologie (bWL) und steht für ein anderes Chip-Design. Sein Vorteil liegt in einer einfacheren Fertigung. Ein Teil der Produktion wurde bereits auf bWL umgestellt. Für die gesamte Konversion - in Dresden waren es bis zur Insolvenz 6000 wspw (Wafer Starts Per Week) - müsste jedoch in zusätzliche Maschinen investiert werden.

Ohnehin ist ein Investor mit Weitblick gefragt. Als gewinnbringend gilt heute eine Kapazität von 20.000 wspw - ab dieser Größe werden Kosten für Infrastruktur, Personal und alles andere erst rentabel. Deshalb ist das in Dresden geplante neue Fertigungsmodul mit einer Kapazität von 14.000 wspw überlebenswichtig. Dafür werden bis zu eine Milliarde Euro veranschlagt.

"Ein neues Qimonda wird sich stark auf seine Kernkompetenzen rund um die Buried-Wordline-Technologie fokussieren und zunächst mit einem reduzierten Produktportfolio und einer kleinen Kapazitätsbasis operieren", erklärt Jaffé. Aktivitäten, die nicht zum Kerngeschäft einer neuen Firma zählten, würden prinzipiell zur Disposition stehen. "Die Braut soll schön gemacht werden. Bis zur Hochzeit braucht man dennoch eine Zwischenfinanzierung", meint ein Mitarbeiter in Dresden. (dpa/tc)