Individualität der Mitarbeiter nutzen - Projekt-Risiken vermindern:

Im Team-Management-Puzzle muß der Profi Profil zeigen

06.02.1987

Team-Management baut darauf, daß in Projekten die Schlüsselqualifikationen richtig besetzt sind: Neben fachlichen zählen dabei auch gerade persönliche Qualitäten. Frank D. Peschanel stellt ein Analysemodell für eine ausgewogene Manpower-Mixtur vor. Es basiert auf Erkenntnissen der ganzheitlichen Hirnforschung, auf die er in der CW Nr. 46 vom 14. November 1986 und in CW Nr. 49 vom 5. Dezember 1986 einging.

Das im Laufe der Zeit entstandene professionelle Projektmanagement von Entwicklungsprojekten benutzt als Basis die Grundeinteilung in eine Reihe von Projektphasen. Daß diese Projektphasen ein sinnvolles Konzept sind, bezweifelt heute niemand mehr. Entsprechend wurden viele Managementverfahren entwickelt, die zur jeweils gewählten Phaseneinteilung die benötigten Phasendokumente definieren und jeder Phase die Ziele, Aufgaben, Arbeitsmittel, Phasen-Checklisten etc. zuordnen. Auch moderne und strukturell wesentlich unterschiedliche Entwicklungsmethoden wie Rapid-Prototyping zeigen einen in den Grundsätzen ähnlichen inhärenten Phasenaufbau.

Soweit es sich um den organisatorischen und prozeduralen Ablauf des phasenorientierten Projektmanagements handelt, sind die Erkenntnisse der "Strukturierung in Phasen" weitgehend ausgeschöpft und umgesetzt worden. Was bisher aber ebenso weitgehend unterblieben ist und noch aussteht, ist, die Phasenstruktur in gezielte Teamstrukturen und zugehöriges Team-Management umzusetzen. Gerald M. Weinberg schrieb schon 1973 in "The Sciencology of Computer Programming": "Computer Programming is a human activity." Das gilt auch heute noch, selbst wenn es gern zugunsten eines technokratisch-administrativen Managements ignoriert wird.

Wie also übersetzt sich das erfolgreiche Konzept der Projektphasen-Struktur in eine Strukturierung der menschlichen Arbeit im Team? Jede Projektphase stellt ihre eigenen typischen Anforderungen an die Projektmitarbeiter. Also gibt es offenbar so etwas wie "Phasen-Jobprofile". Der ideale Mitarbeiter - "der Mann für alle Jahreszeiten" - existiert nicht, außer in Kleinprojekten und manchmal auf der Ebene des Superprogramming. Er bleibt weitgehend eine Utopie, auch wenn er immer wieder gesucht wird. Es gibt nicht das Profil des idealen Softwareentwicklers. Auch wenn häufig im Einsatz befindliche Testverfahren, zum Beispiel die bekannten "lBM-Tests", das suggerieren. Es gibt auch nicht im Sinne des Taylorismus "the one best way", Software zu produzieren. Was benötigt wird, um den realen Softwareentwicklern und den Anforderungen einer wohlverstandenen Phasenstruktur zu genügen, ist eine Übersetzung der Projektphasen-Struktur in Teamstruktur.

Die Lösung heißt also, für jede Projektphase die darin unumgänglich geforderten Schlüsselqualitäten zu besetzen - nicht nur die notwendigen fachlichen Qualifikationen, sondern eben gerade auch die wichtigen persönlichen Eigenschaften und Qualitäten. Die Individualität der Mitarbeiterprofile herauszugeben und sie in das Team-Management einzubringen, ist gleichermaßen von Nutzen für den Projektverlauf wie für den Mitarbeiter.

Was heißt das für die Praxis? Zunächst einmal sind die unersetzlichen fachlichen Qualitäten (Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrungen) bei einer Teambildung in jedem Fall zu berücksichtigen.

Weiterhin sind die in den verschiedenen Projektphasen gefragten Schlüsselpersonen zu betrachten:

- der Entwickler, der mit dem Kunden eine Produktidee erarbeitet;

- der Software-Designer, der eine intelligente Softwarelösung zu einer Produktidee findet;

- die Entwickler, die das Produkt mit allen Schnittstellen anwendungslogischer und softwaretechnischer Art spezifizieren;

- die Entwickler, die für Codierung, Test und Integration die Details von Tools, Datenbanken, Betriebssystemen etc. kennen;

- die Quality-Assurance-Kräfte;

- die Stabsstellen- und Vertriebsleute, die das Produkt beim Kunden installieren und ihn beraten;

- die Autoren der Anwendermanuale;

- der Projektleiter.

Sicher finden alle vorgenannten Mitarbeiter unterschiedliche Anforderungsprofile für ihre Jobs vor. Und sicher unterscheiden sich wiederum die Profile der Mitarbeiter sehr stark, auch wenn das fachliche Können oft eng benachbart ist. Wie kann man diese Zusammenhänge nun in ein Werkzeug für das Team-Management umsetzen?

Hier setzt das Managementverfahren "Q-Team" an, mit dem Ziel, den mit Team-Management befaßten Entwicklungs-Praktiker (auch in den Fachabteilungen) wirkungsvoll zu unterstützen, ohne daß dieser vorher Psychologie und Gruppensoziologie studiert haben muß. Q-Team macht sich dazu neueres Wissen aus der Hirnforschung zunutze (siehe die Ausgaben der CW Nr. 46 vom 14. November und CW Nr. 49 vom 5. Dezember 1986).

Die Hirnforschung unterscheidet im Großhirn - und in geringem Maße auch im Zwischenhirn - zwischen einer linken und einer rechten Hälfte. Beide Hirnhälften, obwohl als "Prozessoren" sehr ähnlich und durch einen breiten "Datenkanal" (Corpus callosum) miteinander verbunden, haben sehr unterschiedliche Funktionen. Eine Einteilung, die sich als nützlich und fundiert erwiesen hat, unterscheidet, wie in Abbildung 1 dargestellt, LINKS/RECHTS sowie OBEN/UNTEN. In der gröbsten Skalierung nennt man die linke Seite die "rationale", die rechte die "intuitive". Eine feinere Einteilung zeigt Abbildung 2. Dort sind die entsprechenden charakteristischen Eigenschaften neben die Quadranten 1 bis 4 notiert.

Das von dem Amerikaner Ned Hermann entwickelte "Brain Dominance Instrument" (HBDI) erlaubt nun mittels eines Fragebogens die individuelle "Hirndominanz" beziehungsweise das "Hirndominanzprofil" von Personen zu ermitteln. Das Ergebnis der Fragebogenauswertung, vier Zahlen Z1, Z2, Z3, Z4 zwischen 0 und etwa 150, wird in die vier Quadranten eingetragen: Man erhält die individuellen Profile. Die drei Beispiele in Abbildung 2 zeigen typische Profile eines Ingenieurs/Programmierers (# 1), eines Superprogrammierers (# 2) und eines amerikanischen Middle-Managers (# 3).

Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Das HBDI testet die Neigung und Disposition zu bestimmten Typen von Hirnfunktionen, zum Beispiel "rational/logisch/problemlösend" und die Bevorzugung bestimmter Hirnfunktionen, um anliegende Aufgaben zu lösen. Das drückt sich zum Beispiel darin aus, daß bei linkshälftiger Hirndominanz die linke Hirnhälfte tatsächlich (bei entsprechender Arbeit) stärker durchblutet und meßbar wärmer ist als die rechte - bei stark linksdominanten Personen den ganzen Tag über, und vice versa. Das HBDI sagt nicht, ob das Profil #1 aus Abbildung 2 zu einem guten Softwareentwickler gehört. Aber es signalisiert, daß der betreffende Mitarbeiter - falls Lebenslauf, Interessen und Ausbildung zum Beruf des Softwareentwicklers geführt haben - ein typisches und im Entwicklungsprojekt wichtiges Profil hat.

Das Instrument "Q-Team" baut nun auf der Struktur des Hirndominanz-Modells auf und verbindet Mitarbeiterprofile (Z1, Z2, Z3, Z4) mit den phasendominanten Anforderungsprofilen A, B, C, D wie in Abbildung 3 dargestellt.

Es hat sich gezeigt, daß die vier dominanten Grundphasen A bis D in allen Entwicklungsprojekten hintereinander durchlaufen werden, ob nun das Projekt in eine Folge von viereinhalb oder sieben Projektphasen aufgeteilt wird, je nach benutztem Managementverfahren:

A: Bildung des Konzepts für das Produkt,

B: detaillierende Analyse und Spezifikation der Lösung,

C: Produktionsplanung, Produktion und Produktionskontrolle,

D: Kommunikation intern sowie extern mit Kunden und Anwendern.

Grundsätzlich werden in jedem Entwicklungsprojekt - nicht nur im Softwarebereich - die vier dominanten Phasenelemente in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen. Das Element D wird dabei zweimal angesprochen: in der Startphase und in der Einführungsphase, wenn die Kommunikation mit dem Kunden/Anwender besondere Bedeutung hat.

In Abbildung 3 verknüpfen Pfeile die äußeren Kreise (das heißt die dominanten Phasenelemente) A, B, C, D mit den vier Quadranten des inneren Kreises. Diese Pfeile weisen auf die jeweils für das dominante Phasenelement wichtigsten persönlichen Eigenschaften hin. Für das Phasenelement B zum Beispiel auf die klassischen Ingenieurs-Tugenden der "linken oberen Hälfte", also: logisch/analytisch/mathematisch/ technisch/problemlösend als dominante Qualitäten. Der innere Kreis in Abbildung 3 entspricht gerade dem Kreis aus Abbildung 2. Das HBDI erlaubt jedem Mitarbeiter festzustellen, wieweit sein persönliches Dominanzprofil typisch mit den Anforderungen zu A, B, C, D übereinstimmt. Diese Verknüpfung ist der Schlüssel zu einem rationalen Team-Management, wie es von Q-Team angeboten wird.

Abbildung 4 und Abbildung 5 zeigen - im Stil von Abbildung 2 - zwei Teams, die entsprechend den Vorgaben von Q-Team aufgebaut sind. Beide Teams (jeweils acht Mitarbeiter) sollen dieselbe Aufgabe lösen. Nach dem Grundmotto von Q-Team, daß es weder "the one best way" gibt, noch daß alle Softwareentwickler dasselbe Profil besitzen, haben beide Teams die Aufgabe, die Sequenz der dominanten Phasenelemente A, B, C, D zu befriedigen, indem sie insgesamt über die Projektlaufzeit hinweg in Synergie alle Anforderungen abdecken. Hier noch einige Erläuterungen zu den Kombinationen in Abbildung 4 und Abbildung 5. (Wie Profile von Mitarbeitern gemäß HBDI zu interpretieren sind, wurde ausführlich in CW Nr. 49 vom 5. Dezember 1986, Seite 65, beschrieben.)

Das Team in Abbildung 4 wird von dem Kollegen #2 geleitet. Er ist ebenso von Anfang an dabei wie #3 und #7. Sein Profil mit dem Maximalwert in Quadrant 4 weist die Neigung und Disposition aus, Konzepte zu entwickeln, ganzheitliche Vorstellungen und Fakten in eine Synthese zu bringen. Sein zweithöchster HBDI-Wert liegt in Quadrant 3. Das weist auf die Neigung hin, mit Emotionalem umzugehen, gern Kommunikation zu betreiben, sowohl projektintern wie mit Kunden und Anwendern. Im Analytisch-Logischen hat er mit einem Wert von 65 in Quadrant 1 genügend Bereitschaft zu technischen Diskussionen und Argumenten - auch wenn er selber lieber intuitiv nach Lösungen sucht. Nach Ende der eigentlichen Entwicklung werden die Mitarbeiter #4, #7 und #8 die Kernmannschaft des erstellten Produkts bleiben.

Die Individualität der Mitarbeiterprofile herauszuheben und sie in das Team-Management einzubringen, ist gleichermaßen von Nutzen für den Projektverlauf wie für den Mitarbeiter.

Eine befriedigende Auswahl der Profile ist noch kein Garant für den Erfolg - wenn nämlich die profilmäßig passenden Mitarbeiter nicht in die notwendige Zusammenarbeit finden.

Dr. Frank D. Peschanel: "Wenn persönliches Dominanzprofil typisch mit den Projektanforderungen übereinstimmt: Diese Verknüpfung ist der Schlüssel zu einem rationalen Team-Management."

Dr. Frank D. Peschanel ist Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Human Resources Management und Softwareentwicklung, gelegentlich auch Krisenmanager auf Zeit in Softwareprojekten, mit Sitz in Pöcking/Starnberger See.