Die Zukunft gehört den internationalen Branchenriesen:

Im SW-Geschäft haben nur die Multis Chancen

14.07.1989

MÜNCHEN (gfh) - Nur wenige Lichtblicke gestatten die Ergebnisse einer insgesamt recht düster ausgefallenen Analyse des deutschen Softwaremarkts durch die Unternehmensberatung UBM, München. Hintergrund: Probleme machen der hierzulande eher mittelständischen SW-Industrie vor allem die US-Konkurrenz und die Konzentrationsbestrebungen in der Branche.

"Es besteht die Gefahr, daß Großunternehmen durch Aufkaufen kleinerer Unternehmen die Innovationskraft der Branche abtöten", warnt Dieter Schneiderbauer, leitender Mitarbeiter bei UBM. Besonders negativ sei dieser Konzentrationstrend für deutsche Unternehmen, da kaum ein Softwarehaus mit der US-Konkurrenz mithalten könne. So taucht unter den zehn größten Anbietern von Standard-Software nicht ein einziges deutsches Unternehmen auf (vergleiche Abbildung 1 auf Seite 5).

Chancen für die deutschen Softwerker sieht UBM nur dann, wenn diese entweder den Sprung auf internationales Terrain wagten oder sich eine Nische mit spezialisierten Anwendungen schafften. Für die erste Möglichkeit seien jedoch Finanzkraft und Auslandserfahrung in einem Maße nötig, wie sie derzeit wahrscheinlich nur der deutsche Branchenführer Software AG aufzubieten hätte (siehe auch CW Nr. 28, Seite 1: "Vorerst keine Fusion...").

Ein Vergleich mit den Konkurrenten zeigt, daß die zehn deutschen Softwarehäuser mit den größten Anteilen am Auslandsmarkt dort fast 90 Millionen Mark weniger Umsatz machen als die entsprechenden fremdländischen Unternehmen hierzulande (vergleiche die Abbildungen 2 und 3).

Die Stärke der deutschen Entwickler liegt nach UBM eher bei innovativen Lösungen und hoher Funktionalität von Spezialsoftware. Solche Nischen seien profitabel, so Schneiderbauer, solange man nicht durch Erfolge die Aufmerksamkeit der ständig akquisitionsbereiten Branchenriesen errege. Das Beispiel der Datev zeige jedoch, daß in einer Nische durchaus beträchtliche Gewinne zu erzielen seien (vergleiche den Beitrag auf Seite 6: "Datev öffnet sich dem Endgeräte-Wettbewerb").

Obwohl die deutsche Softwareindustrie mit 19 Prozent hinter Frankreich europaweit den zweitgrößten Marktanteil für sich verbuchen kann, verweist die UBM-Studie auf eine Reihe von Mängeln, die ein schnelleres Wachstum behinderten. So werden vor allem das Fehlen von DV-Kräften und die konservative Haltung der Anwender betont. Hinzu kommt, daß es laut Schneiderbauer hierzulande für innovative Softwarehäuser besonders schwer ist, sich finanzielle Unterstützung zu beschaffen.

Darüber hinaus stellt die UBM-Studie bei den heimischen Unternehmen eine notorische Unterkapitalisierung ebenso fest wie Schwächen bei Marketing und Vertrieb sowie allüberall - Ausnahmen bestätigen die Regel - einen Mangel an internationaler Erfahrung.

Diese offenbar typisch bundesdeutschen Schwierigkeiten werden noch durch globale Trends verstärkt, welche vor allem die großen internationalen Softwareanbieter begünstigen. Hier stellt UBM einen Trend von der Proprietary-Hardware zur Proprietary-Software fest und nennt als Beispiele die Systems Applications Architecture (SAA) von IBM und entsprechende Konzepte wie Via von Digital Equipment, Isa von der Software AG sowie Ace von Computer Associates.

Auch haben kleinere Unternehmen der Studie zufolge Schwierigkeiten, den ständig steigenden Ansprüchen an die Funktionalität von Software nachzukommen. Hohe Entwicklungskosten und kurze Produktzyklen erhöhen dabei das finanzielle Risiko - ein Risiko, das gerade die Großanwender über Festpreisabkommen auf den Anbieter abwälzen.

Besonders einschneidend ist jedoch die derzeitige Konzentrationsbewegung, die sich laut UBM weiter fortsetzten wird. So sinkt das Vertrauen in innovative, kleinere Software-Unternehmen in dem Maße, wie deren Übernahme durch Branchenriesen zu befürchten steht.

Als Grund für die steigende Anzahl von Geschäftsübernahmen nennt UBM, daß im Bereich der Großanwender "praktisch nur noch über Akquisitionen" neue Kunden zu gewinnen seien. Beispiele sind Computer Associates (CA) und Cap Gemini: CA hat auf diese Weise seinen Umsatz von 158 Millionen Dollar im Jahr 1985 auf über eine Milliarde im vergangen Geschäftsjahr erhöht, bei Cap Gemini stieg der Umsatz im selben Zeitraum von 248 Millionen auf 920 Millionen Dollar.

Die starken Wachstumsraten des Softwaremarkts verstärken den Trend zum Zusammengehen der Softwareschmieden zusätzlich. Die finanzstarken Hardwarehersteller drängen ebenso auf diesen Zukunftsmarkt wie die großen Unternehmen für Wirtschaftsprüfung.

Zwar verhärtet sich im Bereich der kommerziellen Software die Regel "big is beautiful", gleichzeitig zeichnen sich jedoch gerade die kleinen und mittleren Softwarehäuser durch hohe Dynamik aus. Die Studie weist den Betrieben mit 10 bis 100 Mitarbeiteren das größte Wachstumspotential zu, während den Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten keine Expansion mehr zugetraut wird.

Von der Bilanz her gesehen, erwirtschaften jedoch die 65 größten Softwarehersteller derzeit mehr als die Hälfte des Umsatzes in einem Markt von rund 3700 Anbietern. Trotzdem sieht UBM durchaus eine Chance für innovative deutsche Unternehmen, falls diese sich zu Kooperationen, Beteiligungen oder Fusionen durchringen können.

Die Unternehmensberatung sagt insgesamt eine grundlegende Veränderung der Eigentumsverhältnisse im deutschen Softwaremarkt voraus. Demnach werden künftig vor allem große internationale Softwarehäuser, Beteiligungs- und Leasinggesellschaften sowie Hardwarehersteller als Anbieter auftreten. Konsequenz: Teilung des Marktes in große multinationale Konglomerate und nationale Anbieternischen.