Bayer-CIO Daniel Hartert

Im Sourcing folgt Bayer nicht einfach jedem Trend

29.01.2013
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Welche Rolle Outsourcing und Cloud in seiner Sourcing-Strategie spielen, erläutert Daniel Hartert, Geschäftsführer der Bayer Business Services (BBS)und CIO der Bayer AG, im Gespräch mit COMPUTERWOCHE-Redakteurin Karin Quack.

CW: Sie haben im vergangenen Jahr zwei größere Outsourcing-Deals abgeschlossen. Dabei ist Bayer Business Services ja selbst eine ausgegliederte Servicegesellschaft.

Daniel Hartert, CIO der Bayer AG
Daniel Hartert, CIO der Bayer AG

HARTERT: Sie haben Recht, Bayer Business Services ist eine eigenständige Gesellschaft, allerdings innerhalb des Bayer-Konzerns. Wir arbeiten für alle Konzernbereiche weltweit als Kompetenz-Zentrum für IT- und Business Services. Und damit sind wir ein integraler Bestandteil des Konzerns.

CW: Warum eine eigene Servicegesellschaft?

HARTERT: Das Portfolio von Bayer Business Services umfasst nicht nur die globale IT-Infrastruktur und -Anwendungen, sondern auch Personal- und Management-Dienste, Finanz- und Rechnungswesen sowie Einkauf und Logistik. Diese Services in einer Hand zu bündeln, schafft große Synergien und somit echten Mehrwert für Bayer.

CW: Trotzdem haben Sie einen Teil der IT-Services, zum Beispiel den Helpdesk, ausgelagert.

HARTERT: Unsere Dienstleistungen müssen selbstverständlich wettbewerbsfähig sein. Das überprüfen wir regelmäßig durch Benchmarks. Wenn sich dabei abzeichnet, dass ein Service mittelfristig nicht mehr in Eigenregie zu wettbewerbsfähigen Bedingungen erbracht wird, kann auch eine Auslagerung an einen strategischen Partner eine sinnvolle Option sein. Die Bereiche beispielsweise, die wir vergangenes Jahr ausgelagert haben, sind standardisierte Leistungen, die aufgrund der Marktpositionen von externen Dienstleistern günstiger erbracht werden können.

CW. Inwieweit gilt das auch für die Leistungen, die Sie aus Mumbai beziehen - zunächst aus einer eigenen Unit und seit kurzem von Capgemini?

HARTERT: So wie in Deutschland benötigen wir auch in Indien die besten IT Fachkräfte. Diese orientieren sich dort bei der Wahl ihres Arbeitgebers aber sehr stark an der Größe der IT-Center, auch deshalb weil sie annehmen dadurch bessere Karrierechancen vorzufinden. Wie Sie gerade erwähnten, haben wir dort einige Jahre ein Service-Center mit zuletzt etwa 600 Mitarbeitern unterhalten. Je größer das Center wurde, desto schwieriger war es, den Leuten einen klaren Karrierepfad aufzuzeigen. Insofern war es durchaus sinnvoll, diese Aufgabe einem Dienstleister zu übertragen, der vor Ort eine hohe Reputation besitzt und gleichzeitig eine starke Brücke nach Europa schlagen konnte. Diesen haben wir nach einem sorgfältigen Auswahlprozess mit Capgemini gefunden.

CW: Was wird denn dort gemacht?

HARTERT: Unser Fokus in Mumbai liegt stärker auf Operations als auf Entwicklung. SAP Basis, Applikationsunterstützung, Remote Monitoring von Anwendungssystemen und Servern sind einige Beispiele für Funktionen, die wir im Laufe der letzten Jahre aus Europa und den USA nach Indien verlagert haben.

CW: Inwieweit beziehen sich die von Ihnen angesprochenen Synergien für den auch auf die Business Services außerhalb der IT?

HARTERT: Selbstverständlich nutzen wir Synergiepotenziale auch bei den Business Services. Beispielsweise im Accounting. Hier arbeiten unsere Mitarbeiter, die entsprechende Prozesse in der IT abbilden, direkt mit den Kollegen zusammen, die das Accounting selbst betreiben. Und wir nutzen Standorte mit Kostenvorteilen. So haben wir beispielsweise erst kürzlich eigene globale Accounting-Center in Manila und Gdansk aufgebaut. Und zwar unter dem Dach des Konzerns, als eigene Gesellschaften.

Grundsätzlich wiegen für uns Prozesskenntnisse und Geschäftsnähe schwerer als reine Kostenfaktoren. Dies berücksichtigen wir bei jeder Entscheidung über ein mögliches Outsourcing. Unsere eigenen Mitarbeiter kennen die Bedürfnisse der Bayer-Teilkonzerne einfach besser als jeder Externe. Wir befinden uns hier in einem hochdynamischen Umfeld, das sich in den jeweiligen Verträgen mit Providern nicht immer langfristig abbilden lässt.

Cloud ist kein allgemeines Prinzip

CW: In Sachen Flexibilität ist ja die Cloud angeblich unschlagbar. Wie stehen Sie generell dazu?

HARTERT: In manchen Bereichen sind Cloud-Services sinnvoll und werden auch bei Bayer eingesetzt. Beispielsweise nutzt der Healthcare-Bereich die CRM-Lösung von Salesforce.com. Und im High-Performance-Computing nimmt Research & Development die Services von Amazon in Anspruch. Unsere Aufgabe ist es dabei, die jeweiligen Chancen für Bayer zu identifizieren und sie gemäß den Rahmenbedingungen des Konzerns nutzbar zu machen. Grundsätzlich handhaben wir das granular und je nach Bedarf. Daraus machen wir kein allgemeines Prinzip. So wie Bayer ohnehin nicht jedem Trend einfach folgt.

CW: Welchem zum Beispiel nicht?

HARTERT: Als während der Finanzkrise sehr viele Unternehmen ihre Investitionen zusammengestrichen haben, beschloss der Bayer-Vorstand, den Forschungsetat zu 100 Prozent zu erhalten. Auch das IT-Budget ist seit 2009 stabil geblieben. Allerdings gab es Verschiebungen von Run- zu Change-Kosten.

CW: Wie ist das Verhältnis aktuell?

HARTERT: 65 Prozent Run, 35 Prozent Change.

CW: Worin investieren Sie derzeit bevorzugt?

Daniel Hartert: "Das Feld, auf dem wir unsere Mitbewerber schlagen müssen, ist weniger ERP als CRM und BI."
Daniel Hartert: "Das Feld, auf dem wir unsere Mitbewerber schlagen müssen, ist weniger ERP als CRM und BI."
Foto: Bayer AG

HARTERT: In den vergangenen zehn Jahren haben wir viel Geld in unsere globalen SAP-Systeme gesteckt. Und ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass wir hier ‚Best in Class‘ sind. Aber differenziert das den Konzern im Markt? Die Felder, auf denen wir unsere Wettbewerber schlagen müssen, sind vielmehr im CRM, bei Business Intelligence, Forschung & Entwicklung sowie in Technologie-basierenden Businessmodellen. Folgerichtig schichten wir unsere Investitionen um - weniger in ERP, mehr in die forschungs- und kundennahen Bereiche.

CW: Lässt sich diese Umschichtung auch in Prozentzahlen ausdrücken?

HARTERT: Das ist schwierig - zumal ja Projekte im Bereich Kundenbindung oder Kampagnen-Management eine kleinere Größenordnung haben als eine große ERP-Einführung. Daher machen wir in diesen Bereichen mehr Projekte, aber mit jeweils geringeren Einführungskosten.

Vorsicht vor der Windschatten-IT

CW: Sie erwähnten eben Salesforce.com. Das ist ein berüchtigtes Beispiel dafür, dass Fachbereiche, in diesem Fall der Vertrieb und/oder das Marketing, Services an der IT vorbei beschaffen. Wie verhindern Sie das?

HARTERT: Wie ich bereits erwähnt habe, liegt es in unserer Verantwortung, solche Potenziale für Bayer nutzbar zu machen. Außerdem gelten konzernweit strikte Beschaffungsregeln. Und deren Einhaltung wird vom zentralen IT-Einkauf überwacht, der Teil von BBS ist. Eine Herausforderung bleibt allerdings in dem Fall, dass IT-Services im Windschatten anderer Dienstleistungen segeln, wenn sie beispielsweise Teil von Internet-basierten Marketing-Kampagnen sind. Hier behalten wir uns das Recht vor, die entsprechenden Web-Services zu auditieren, also zu prüfen, ob beispielsweise unsere Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenschutz eingehalten werden.

CW: Können Sie Ihre Sourcing-Strategie in zwei Sätzen zusammenfassen?

HARTERT: Wir betreiben die Dinge intern, die nah am Geschäft liegen und Mehrwert für Bayer schaffen. Und wenn wir Aufgaben an externe Dienstleister vergeben oder etwas outsourcen, dann arbeiten wir mit ausgewählten strategischen Partnern zusammen, die wir langfristig an uns binden und von denen wir auch sinnvolle Innovationsleistungen erwarten dürfen.

CW: Wer entscheidet, was nah am Business ist, womit Sie externe Dienstleister beauftragen und was gegebenenfalls ausgelagert werden kann?

HARTERT: Das ist Sache des IT-Committee, dem neben mir die CIO‘s der drei Bayer-Teilkonzerne und ein Vertreter der Holding angehören.

CW: Nur die CIOs? Niemand aus den anderen Bereichen?

HARTERT: Was heißt "nur die CIOs"? Die CIOs besitzen bei Bayer die entsprechende Verantwortung und sind vollumfänglich befugt, alle wichtigen Entscheidungen zu treffen. Aber in der Tat waren bis vor einem Jahr noch die Chief Administration Officers der Teilkonzerne vertreten, und das höchste IT-Gremium wurde vom CFO des Konzerns geführt. Dies haben wir geändert, denn die notwendigen Abstimmungen mit dem Business finden permanent statt, auch in den Vorstandssitzungen.

CW: Stehen weitere Outsourcings an?

HARTERT: Momentan gibt es keine Pläne, weitere Bereiche auszulagern. Wir haben dort, wo es Sinn gemacht hat, einige Bereiche abgegeben. Unser Geschäftsmodell hat aber nicht grundsätzlich ein regelmäßiges Outsourcing zum Ziel. Ganz im Gegenteil, wir werden in Zukunft sogar verstärkt Aufgaben, die bisher von externen Beratern erbracht wurden, fest bei BBS verankern und an unsere Mitarbeiter übertragen. (mhr)