Für USFR- Unternehmen sind LWL die sicherste Lösung

Im Osten sind kostengünstige Vernetzungskonzepte gefordert

04.10.1991

Nach der Öffnung des Ostens, gilt es für fast alle dort ansässigen Unternehmen rasch konkurrenzfähig zu werden. Dabei spielt nicht nur die Modernisierung der Produktionsmittel, sondern auch der Aufbau einer funktionierenden DV-Struktur eine wichtige Rolle. Hendrik Wacker* skizziert anhand des Chemieunternehmens Lucebni Zavody aus Kolin in der CSFR ein Beispiel, wie unter den schwierigen Bedingungen eine kostengünstige Vernetzung mit Lichtwellenleitern und X.25 realisert wird.

Lucebni Zavody war bis zur Revolution ein Staatsunternehmen, das nach dem Umsturz von der Koliner Belegschaft übernommen wurde. In Kolin stellen heute etwa 1000 Beschäftigte neben hochgiftigen Insektiziden und Klebstoffen das aggressive Gas Zyanid her, das als Grundstoff für die Zyankali-Produktion dient.

Die beiden Firmengrundstücke bestehen aus je sieben beziehungsweise zehn Gebäuden mit Verwaltung, Lager und Fabrikation. Bisher war die Werks-DV auf wenige tschechische PCs vom Typ "SAPI-86" (8086er Prozessoren) beschränkt. Eine Verbindung zwischen den Rechnereinheiten bestand nicht. Die Ausgangssituation für eine neu zu schaffende DV-Landschaft glich somit der sprichwörtlichen "grünen Wiese".

In dieser Voraussetzung ist die Ursache für die Entscheidung zugunsten einer PC-Vernetzung zu sehen. Anders als die bislang im Osten beliebten IBM-Host-Clones oder verbindungslosen Abteilungs-PCs bot eine moderne PC-Vernezung die Möglichkeit der flexiblen Expansion sowie der unternehmensweiten Kommunikation. Zudem spielte der geringere Kostenaufwand im Vergleich zu den Host-Systemen eine gewichtige Rolle für die Entscheidung zugunsten von PCs.

Eine Gruppe tschechischer Spezialisten, die heute unter dem Namen "3 Net" firmieren, bekamen zusammen mit der Dependance von Adcomp in der CSFR den Auftrag, die gesamte DV des Unternehmens auf neue Füße zu stellen. Besonders der Aspekt der Kommunikation

zwischen den Abteilungen sollte starke Berücksichtigung finden. Dabei sorgen undichte Gasleitungen, Stromschwankungen sowie die räumliche Trennung von Gebäuden und Arealen für zusätzliche Hürden.

Die einzelnen Bereiche des Chemiewerkes erhielten zunächst je ein Ethernet-Netz mit einem eigenen File Server In einer ersten Ausbaustufe sind bisher etwa 50 PCs installiert. Dabei wurden auch Produktionsüberwachung, Lohnabrechnung und Zeiterfassung in die Netze integriert. Die bei der Zeiterfassung eingehenden Daten werden online in der Abteilung Lohnbuchhaltung gespeichert und umgerechnet.

Ähnlich sieht die Produktionsüberwachung aus. Fabrikhallen, die nur mit Gasmasken zu betreten sind, müssen in Zukunft nicht mehr wegen jeder Dosierungskorrektur aufgesucht werden. Diese Aufgabe übernehmen PCs zur Prozeßsteuerung, die in sicheren Räumen stehen, ihre Daten direkt aus der Halle beziehen, sie an die File Server weiterleiten, von wo aus die Daten von allen befugten Mitarbeitern im Unternehmen abfragbar sind.

Lichtwellenleiter zur Datenübertragung

Der gefährliche Zustand der Tanks und Leitungen führte bei der Planung für die gebäudeübergreifende Vernetzung zu einer außergewöhnlichen Lösung. Hier dienen offene Lichtwellenleiter (LWL) zur Datenübertragung.

Der Grund für diese Entscheidung liegt nicht primär in der hohen Geschwindigkeit von Glasfasernetzen, sondern in der geringen Anfälligkeit gegenüber den aggressiven Gasen, deren Leitungen oft direkt neben den Netzwerkkabeln verlaufen.

Die insgesamt 16 LWL-Segmente werden überirdisch an Aufhängungen geführt und haben eine Länge von je 150 bis 500 Metern. Zwischen den Gebäudenetzen und den LWL-Leitungen ist jeweils ein Transceiver von Netcor geschaltet. Die sternförmige Vernetzung wurde mit Multiport-Repeatern von 3Com realisert.

Die Verbindung aller Gebäude ist wegen der räumlichen Trennung kooperierender Abteilungen und zentraler Institutionen des Werkes notwendig. Eine besondere Herausforderung stellte die Verbindung der beiden, dreieinhalb Kilometer, voneinander getrennten Werksgelände dar. Sie wurden über eine X.25-Leitung verbunden.

Es handelt sich dabei um eine der wenigen X.25-Leitungen, die in der CSFR nicht öffentlich genutzt werden. An beiden Enden der Verbindung sind X.25-Adapter von Stollmann im Einsatz.

UPS-Vorrichtung in allen Netzsegmenten

Die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt zur Zeit allerdings nur 19200 Baud, weil die Qualität des alten unterirdischen Telefonkabels keine höhere Übertragungsrate zuläßt.

In Zukunft soll diese Schwachstelle jedoch durch ein neues Kabel - möglicherweise auch Lichtwelle - beseitigt werden. Als Schutz gegen die hin und wieder auftretenden Schwankungen im Stromnetz ist in allen Netzsegmenten eine UPS-Vorrichtung installiert.