Was Anwender von Profi-Hotlines halten

Im Notfall ist guter Rat teuer

19.07.2002
MÜNCHEN (hi) - Hotlines und Supportabteilungen sind vielen Anwendern ein ständiges Ärgernis. Doch obwohl die User über hohe Kosten und unflexible Arbeitsweisen schimpfen, scheinen einige Hotlines besser zu sein als ihr Ruf.

Endlose Warteschleifen, hohe Kosten, inkompetente oder unmotivierte Mitarbeiter - die Hotlines der Softwarehersteller haben in der Öffentlichkeit ein äußerst schlechtes Image. Eine Beurteilung, bei der aber allzu oft die Beratungsleistung der Hersteller über einen Kamm geschoren wird. Um ein gerechtes Urteil über die Hotlines zu fällen, ist zwischen zwei Supportarten zu unterscheiden: der Hilfestellung für den Consumer und der Beratung für den IT-Profi.

Ihr schlechtes Image verdanken die Support-Center hauptsächlich der Beratungsleistung im Privatanwendersegment: Pauschale Ratschläge zur Neuinstallation des Windows-Betriebssystems, wenn ein Endgerät nicht funktioniert, tragen nicht unbedingt zum Vertrauen in die gebotene Beratungsleistung bei. Auf der anderen Seite sind auch die Consumer nicht ganz unschuldig an einer solchen Beratungsleistung.

Wenn Profis mit Profis sprechen

Hinter vorgehaltener Hand, um die eigene Kundschaft nicht zu sehr zu diskreditieren und zu verärgern, klagt fast jeder Hersteller über die Unwissenheit der Anrufer. So haben die Supportverantwortlichen wenig Verständnis dafür, wenn ihre Mitarbeiter dem Anrufer erklären müssen, wie ein PC eingeschaltet wird, oder sich herausstellt, dass der Ratsuchende nur zu faul zur Lektüre der beiliegenden Dokumentation war.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei den Hotlines für den professionellen Anwender, die der Ratsuchende meist über gesondert ausgewiesene Rufnummern erreicht. "Hier", so Kai Altenfelder, Leiter Support bei Suse in Nürnberg, "sprechen Profis mit Profis und verstehen die gleiche Sprache." Dabei bekommt es der Hilfesuchende im Gegensatz zu den Consumer-Hotlines nicht mit einem angelernten Call-Agent zu tun, sondern mit einem Techniker oder gar dem Entwickler der entsprechenden Software.

Das Gespräch mit den Experten hat jedoch seinen Preis. Als einfachste Variante des Profi-Supports offerieren die Hersteller "Callpacks", die zu einem Anruf berechtigen. Für die Lösung eines Problems sind dabei pro Anruf zwischen 280 und fast 700 Euro zu bezahlen (siehe Kasten "Supportkosten" auf Seite 13), je nach Erreichbarkeit der Hotline und der vereinbarten Antwortzeit. Preise, die ein Anwender leicht verärgert mit einem "Die nehmen es von den Lebendigen" kommentierte.

Wer also - im Gegensatz zur IT-Abteilung eines großen deutschen Reiseanbieters, der ganz ohne Herstellerhilfe auskommt - professionelle Unterstützung benötigt, für den ist guter Rat teuer. Zumal die oben angesprochenen Callpacks nur die kleinste Lösung sind. Anwender mit größeren, komplexen Installationen werden kaum darum herumkommen, einen umfangreicheren Supportvertrag abzuschließen, wie etwa Alexander Fischer, Teamleiter DV-Basis bei der Papierfabrik August Koehler AG. Fischer zahlt für einen Comprehensive-Vertrag von Microsoft, der neben Supportanfrage auch das Technet und die MSDN-Libraries umfasst, im Jahr um die 6500 Euro. Würde Fischer, dessen Unternehmen ein klassischer Microsoft-Shop ist, eine noch intensivere Betreuung wünschen, die etwa den Besuch eines Technikers vor Ort beinhaltet, dann müsste er für einen "Premier"-Supportvertrag um die 75000 Euro im Jahr veranschlagen. "Wobei ich keinen klaren Vorteil erkennen kann, der den zehnfachen Preis rechtfertigt", kommentiert Fischer die Tarifpolitik des Herstellers.

Angesichts dieses Kostenniveaus haben die Anwender zu Recht hohe Erwartungen an die Beratungsleistung der Hotlines. Wünsche, die beispielweise die Netzwerk-Company Novell zu erfüllen scheint. So reagierte das European Support Center, wie bei Novell die Hotline offziell heißt, auf die Anfrage von Michael Hoener, IT-Verantwortlicher bei der Gemeindeverwaltung Boenen, innerhalb von vier Stunden. Nach acht Stunden hatte die Support-Hotline das Problem mit Hoeners SMTP-Gateway gelöst und seinen Internet-Service-Provider als Verursacher der Schwierigkeiten ermittelt. Allerdings hatte Hoener vor dem Gespräch mit dem Techniker eine kleine Fleißarbeit zu bewältigen. Er musste die Technical Information Documents (TIDs) in Novells Internet-Datenbank, neudeutsch Knowledge Base, bezüglich des SMTP-Gateways lesen.

"Das war zwar sehr zeitaufwändig, aber die TIDs enthalten umfangreiche Informationen, die eventuell ein Problem bereits lösen", zeigt Hoener Verständnis für diese Vorgehensweise. Nicht druckreif ist dagegen seine Beurteilung für das Supportangebot von Microsoft. So stört den IT-Praktiker, dass man in Microsofts Knowlege Base alles mögliche finde, nur in der Regel keine Hinweise zu konkreten Problemen, "während Sie bei Novell im Internet beinahe mit technischen Informationen überfrachtet werden".

Letzlich musste also Hoener bei seinem Microsoft-Problem - auf einer Windows 2000 Workstation lief eine neue Festplatte, die dem UDMA-100-Standard entsprach, nicht - ebenfalls zum Telefonhörer greifen. Höflich formuliert, empfand der Anrufer die Behandlung durch seinen Gesprächspartner als "hochnäsig". Noch mehr verärgerte Hoener allerdings, dass sich die Problemlösung, nämlich ein Patch für Windows 2000, über zwei Tage hinzog. Eine Zeit, in der die Workstation nicht zu nutzen war.

Nicht ganz so pauschal bemängelt Koehler-DV-Teamleiter Fischer die Supportleistung Microsofts. "Es gibt jedoch ein grundsätzliches Niveaugefälle im Support", räumt der Teamleiter DV-Basis ein, "so dass die gebotene Beratungsleistung sehr stark vom einzelnen Mitarbeiter abhängt." Viel mehr als die unterschiedliche Kompetenz der Supportmitarbeiter stört den IT-Manager ein anderer Punkt: "Warum kann sich ein Supportmitarbeiter nicht auf unsere Rechner aufschalten, so dass ich nicht stundenlang am Telefon oder umständlich per Mail mein Problem schildern muss?" Schließlich, so der Praktiker weiter, würden die professionellen Anwender von den Hotlines schnelle Hilfe erwarten. Unter dieser Prämisse hat Fischer wenig Verständnis dafür, dass er seine Probleme langwierig und mühselig schildern muss, "zumal Microsoft ja mit den Terminal Services die Tools hat, um einen solchen Support zu realisieren".

Tools, die der Konzern nach eigener Darstellung auch nutzt, denn bei Vertragskunden werde ab dem Professional Support Package bei Bedarf auch Remote Login eingesetzt. Eine Aussage, die sich jedoch nicht mit Fischers praktischen Erfahrungen deckt. Er erhielt die Auskunft, dass das Fern-Einloggen nur möglich sei, wenn der Anwender einen der sehr teuren Premier-Support-Verträge unterschreibe. Fischer verärgert: "Zum einen klagt die Hotline über fehlende Mitarbeiter, zum anderen nutzt sie aber Tools zur Effizienzsteigerung nicht beziehungsweise bindet sie an eine bestimmte Vertragsart." Auch intern ist diese Politik Microsofts umstritten. Ginge es nach manchem Supportmitarbeiter, so würde die Company die Möglichkeit der Remote-Aufschaltung zur Effizienzsteigerung für jeden professionellen Anwender anbieten.

Kritik an Microsoft Deutschland

Fischer zufolge könnte sich die deutsche Microsoft-Zentrale, "falls sie mehr als eine Vertriebsniederlassung für das Redmonder Stammhaus sein will", ein Beispiel an SAP nehmen. Wünscht der Anwender nämlich von den Walldorfern einen Supportvertrag, so muss er den Technikern eine Aufschaltungsmöglichkeit einräumen, ansonsten erhält er keinen Kontrakt. Auch bei anderen Herstellern gehört die Möglichkeit des Remote Login zum guten Ton. Bei Novell überlegt man sogar, dieses Angebot weiter auszubauen und den Anwendern künftig ein Fern-Monitoring oder gar -Management ihrer Netze zu offerieren.

Falls es der Kunde wünscht, schaltet sich auch der Suse-Support auf. "Es hilft uns viel, wenn wir auf den Rechner des Kunden dürfen", unterstreicht Supportleiter Altenfelder das Potenzial dieses Verfahrens. Allerdings hat es auch Nachteile: "Aus Gründen des Datenschutzes dürfen wir uns eventuell gar nicht auf einem Rechner einloggen, wenn in dem betreffenden Betrieb die Mitarbeiter nicht darüber informiert sind."

Multivendor-Hilfe

Eher skeptisch sieht auch Michael Kulisch von der Debeka-Versicherung diese Option. Er lobt zwar den Suse-Support für seine kurze Response-Zeit, versucht aus Sicherheitsgründen aber, die externen Zugriffsmöglichkeiten möglichst gering zu halten.

Positive Erfahrungen machte Kulisch auch bei plattformübergreifenden Problemen, etwa als es um das Zusammenspiel des Novell Edirectory mit dem Suse-Umfeld ging. Deshalb teilt Kulisch nicht Fischers Empfehlung, alles von einem Hersteller zu beziehen, um im Problemfall sicher zu sein, dass die Hersteller sich nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben und den Anwender mit seinen Problemen alleine lassen. Der Debeka-Mitarbeiter betrachtet es im heutigen IT-Umfeld als Selbstverständlichkeit, "dass die Hersteller über den eigenen Tellerrand hinausschauen und für die heterogenen Netze und DV-Landschaften einen Support gewährleisten". Eine Sichtweise, die von den Herstellern nur bedingt geteilt wird: Bei Microsoft haben etwa nur Premier-Kunden einen vertraglichen Anspruch auf eine Multivendor-Koordination, und Novell setzt einen Jahresvertrag voraus.

Unabhängig davon bleibt zumindest die Feststellung, dass den Herstellern das Problem seit längerem bewusst ist. Vor acht Jahren gründeten sie die Technical Support Alliance (TSAnet), um Anwendern bei plattformübergreifenden Problemen zu helfen. Mittlerweile zählt die Gruppe, der jüngst auch Suse beitrat, 178 Mitglieder. Diese verpflichten sich, ihren Wettbewerbern bei Multivendor-Problemen innerhalb einer fest definierten Antwortzeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zumindest auf dem Papier lässt diese Eskalationsverpflichtung für die Anwender hoffen.

Die Eskalation eines Problems bereitet aber nicht nur den Herstellern Sorgen. Auch die Anwender erwarten im Fall der Fälle die Einschaltung der Entwickler in den Labors - notfalls auch in den USA. Ein Service, den zumindest in der Theorie alle Hersteller versprechen. Egal ob Novell, Suse oder Microsoft, sobald die technische Notwendigkeit festgestellt ist, werde ein Problem den Labors oder dem amerikanischen Stammhaus gemeldet. In der Praxis hat Microsoft-Anwender Fischer jedoch andere Erfahrungen gemacht. Seinen Worten zufolge bleibt dem normalen Kunden die Eskalationsstufe in die USA verwehrt - ohne den teuren Premier-Vertrag läuft auch hier nichts.

Eine Unternehmenspolitik, die für alle Befragten nur schwer nachzuvollziehen ist. Als professionelle Anwender, die teures Geld für die Supportverträge bezahlen, erwarten sie fundierte und rasche Hilfe. "Zumal wir", so betont Fischer, "vom Know-how des Herstellers abhängig sind, wenn wir seine neuesten Produkte einsetzen." Deshalb könnte sich Fischer nur bedingt mit dem Gedanken anfreunden, den Support von einem externen Dienstleister zu beziehen, da er befürchten würde, dass dieser nicht über das nötige Fachwissen verfügt.

Externe Dienstleister

Bedenken, die Frank Schabel von CSC Ploenzke zu zerstreuen versucht. Sein Unternehmen hat von Nortel Networks in Friedrichshafen ein Support-Center übernommen, über das die Hotline-Dienste für die eigenen Outsourcing-Kunden abgewickelt werden. Befürchtungen in Sachen fehlendes Fachwissen versucht der Ploenzke-Sprecher mit einem Hinweis auf Partnerschaften mit Microsoft, Oracle oder SAP zu zerstreuen. Deshalb sei auch vorstellbar, so Schabel, dass Ploenzke Hotline-Leistungen für andere Unternehmen erbringe, wenn das Know-how vorhanden ist.

Supportkosten

Die einfachste Lösung, um professionelle Hilfe ohne lange vertragliche Bindung zu erhalten, ist der Telefonsupport mittels "Pay per Call", also die Bezahlung pro Anruf. Darüber hinaus offerieren die Hersteller, gestaffelt nach Antwortzeit und Erreichbarkeit, eine Vielzahl von einjährigen Zeitverträgen. In der Regel beinhalten dabei die teureren Varianten einen festen Ansprechpartner. Folgende rudimentäre Aufstellung soll zur Orientierung dienen und einen ersten Eindruck vermitteln, welche Kosten auf den Anwender zukommen.

Suse:

Bei Suse heißt die einfachste Supportoption "Productive Level Call Pack". Für rund 278 Euro erwirbt der Kunde damit das Recht, während der normalen Geschäftszeiten einmal die Beratungsleistung der Spezialisten in Anspruch zu nehmen. Eine schnellere Hilfe mit einer Reaktionszeit von maximal zwei Stunden verspricht das "Emergency Callpack" für fast 700 Euro. Die Preise für darüber hinausgehende Jahresverträge, die Suse sowohl für das Betriebssystem Linux als auch für die Applikationsplattformen offeriert, sind Verhandlungssache. Zudem hängen die Kosten von der Reaktionszeit und Erreichbarkeit der Hotline ab.

Novell:

Beim Netzwerkhersteller Novell ist die einfachste Variante "Call by Call" unter der Woche von 9 bis 18 Uhr zu erreichen. Ein als Certified Netware Engineer (CNE) ausgebildeter Administrator zahlt für einen Anruf 296,25 Dollar, alle anderen 395 Dollar. Entscheidet sich der Kunde dagegen für die kleinste Einjahresversion "Premium 1000", so berechnet Novell 7000 Dollar. Dafür darf man zehn Supportanfragen im Jahr stellen, wobei Novell eine Antwort binnen höchstens acht Stunden garantiert. Novells Supportverträge eskalieren in fünf Stufen bis zum "Premium-5000"-Support. Bei diesem 300000 Dollar teuren Angebot verspricht die Company eine maximale Antwortzeit von 30 Minuten. Ferner kann der Anwender dann den Support rund um die Uhr erreichen, hat direkten Kontakt zu einem Designated Support Engineer und darf eine unbegrenzte Zahl von Fragen stellen.

Microsoft:

Die Einstiegsvariante heißt bei Microsoft "Professional Support für IT-Professionals". Gegen eine Gebühr von 390 Euro erreicht der Anwender die Hotline zur einmaligen Problemlösung von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr. In dringenden Fällen verspricht das Unternehmen eine Antwort innerhalb von vier Arbeitsstunden, ansonsten nach maximal zwölf Stunden. Mehr Unterstützung bekommt der Kunde für das 2699 Euro teure Paket "Professional plus". Es enthält die Option auf fünf Supportanfragen zu den üblichen Geschäftszeiten. Ferner unterstützt den Vertragspartner ein Technical Support Coordinator. Ergänzt wird diese Variante durch die monatliche Lieferung der "Technet"-CD, die das aktuelle Fachwissen der Company enthalten soll. Anwender, die eine Unterstützung rund um die Uhr wünschen, kommen um die Unterzeichnung eines "Premier-Support"-Vertrags nicht herum. Hier hilft ein Technical Account Manager den Unternehmen. Der Premier Support unterteilt sich wiederum in drei Basispakete.