„Im Grunde herrscht Vollbeschäftigung“

27.05.2003
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Mayr: Viele Unternehmen suchen neue Mitarbeiter, weil die vorhandenen nicht mehr dem Anforderungsprofil entsprechen. Sie verstehen Qualifizierung nicht als strategisches Mittel der Personalentwicklung, sondern als Gratifikation in guten Zeiten. Sobald die Zeiten schlecht werden, wird an der Gratifikation gespart. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen: Das Unternehmen verdient doppelt, weil es die Kursgebühren spart und der Mitarbeiter produktiv arbeitet. Doch der Mehrwert, den er erwirtschaftet, wird immer geringer. Dann wird nach neuen Fachkräften gesucht, und man wundert sich, wenn es keine gibt. Das ist eine unakzeptable Entwicklung. Informatiker sollten mindestens jedes zweite Jahr eine Art Wissens-Upgrade erhalten.

CW: Weit über die Hälfte der IT-Angestellten sind Quereinsteiger und besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Fehlen ihnen wichtige Grundlagen für die tägliche Arbeit?

Mayr: Von den 600000 IT-Beschäftigten verfügen zirka 15 Prozent über einen Hochschulabschluss in Informatik, rund 25 Prozent über einen Hochschulabschluss in einem anderen Fach. Ist dieses wirtschaftsnah, haben sie oft einen näheren Bezug zur Anwendung. Graduierte der Mathematik oder Physik haben gute Voraussetzungen, allerdings ist das ein teurer Umweg. Wichtig ist eine abgeschlossene Ausbildung. Wer nachgewiesen hat, ein rundes Curriculum durchlaufen und bewältigt zu haben, hat Vorteile. Das gilt auch für die neuen IT-Berufe, wenn auch die Berufsmöglichkeiten damit eingeschränkt sind. Problematisch ist, wenn Quereinsteiger sich nicht selbst weiterbilden. Deshalb sollten wir Programme entwickeln, die ihnen eine Spezialisierung ermöglichen.

CW: Welche Berufsfelder bieten gute Zukunftschancen?

Mayr: Mit Sicherheit nicht das reine Programmieren, dazu braucht man kein Studium. Es geht um das Softwareengineering, um die Softwaretechnik, um methodisches Planen, Konzipieren, Entwerfen und Konstruieren. Dazu kommen Datenbank- und Netzwerktechnik. Das sind zwar keine neuen Themen, sie werden aber bei zunehmender Vernetzung der Wirtschaft wichtiger. Aber auch im Maschinen- und Fahrzeugbau wächst der Bedarf an integrierten, eingebetteten und vernetzten Systemen. Zu nennen sind weiter die Robotik, Medical und Social Care, E-Business, der Aufbau von digitalen Wertschöpfungsketten, der Lernmarkt, die Gestaltung von Wissens- und Lernwelten und die Biotechnologie. Aber ich glaube nicht, dass man dafür spezifische Studiengänge einrichten sollte. Besser ist es, ein solides Bachelor-Studium in Informatik mit entsprechenden Vertiefungs- und Anwendungsfächern anzubieten und die Spezialisierung in Master-Studien zu ermöglichen.