"Im Grunde genommen stehen wir noch immer am Anfang"

27.02.1987

Eigentlich wollte Daniel Hillis Neurophysiologie studieren. Da erklärte ihm sein Berater am Massachusetts Institute of Technology (MIT), daß die Beschäftigung mit Neuronen nur wenig zum Verständnis menschlicher Denkvorgänge beitrage; wenn ihn letzteres interessiere, solle er doch mal Ins Labor für Künstliche Intelligenz an der Informatikabteilung hineinschauen.

Hillis fand Gefallen an der Computerei: Heute ist er im zarten Alter von 29 Jahren bereits Mitgründer und -besitzer der Firma Thinking Machines, die Großcomputer an so renommierte und heikle Kunden wie die Yale University, das MIT, ja sogar an das amerikanische Verteidigungsministerium liefert.

Für seine Diplomarbeit entwickelte Hillis ein paar Monate lang bei der Firma Milton Bradle Elektronikspiele. Dann machte er sich mit großer Verve daran, einen radikal neuen Computer zu erfinden, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte. Diese "Connection Machine", wie er sie nannte, müßte beispielsweise sie nannte, in der Lage sein, Probleme wie das Erkennen und Zuordnen eines menschlichen Gesichts rasch und zuverlässig zu lösen. Herkömmliche Computer haben damit ihre liebe Mühe: Eine solche Aufgabe hält sie manchmal stundenlang auf Trab.

"Was ein Baby in Sekundenschnelle fertigbringt, sollte doch auch einer Maschine nicht so unendlich schwerfallen", sagte sich Hillis und lieferte gleich noch eine Erklärung hinterdrein: "Man hat eben bisher den Fehler gemacht, Computer mit noch mehr Information zu füttern. Dadurch wurden sie nur noch langsamer."

Als Ausweg schlug der innovative Twen vor, die Struktur der Maschine jener des menschlichen Gehirns anzunähern, des Schaltelemente zwar langem sind, aber dieses Manko durch Parallelverarbeitung mehr als wettmachen: Ein Problem wie die Mustererkennung präsentiert sich unserem Hirn nicht als ein geschlossenes Ganzes, sondern als Tausende oder Millionen von winzigen Teilproblemchen, die auf die vielen Schaltzellen aufgeteilt und dann gleichzeitig - Techniker sagen parallel - in sehr kurzer Zeit abgearbeitet werden.

Für die Praxis hieß das nichts anderes, als einen Computer zu bauen, der statt einem Zentralprozessor und einem Speicher Dutzende, Hunderte oder noch mehr Prozessoren und Speicher hat, die wie die Musiker eines großen Orchesters exakt zusammenspielen. Hillis' Parallelrechnern besteht aus einem Front-end-Computer (VAX), der die Instruktionen zu den 65 536 Prozessoren sendet. Die gesamte Konfiguration hat einen 32-Megabyte-Speicher. Die Suche nach Stichwörtern in einer 16 000 Dokumente umfassenden Datenbank benötigt ganze 30 Millisekunden. Die Leistung beträgt bis zu sieben Milliarden Instruktionen pro Sekunde. Ein erster Rechner ist bisher an die Defense Advanced Research Agency (DARPA) geliefert worden; die nächsten gehen an nicht weniger bekannte Namen; MIT, Yale und Perkin-Elmer.

Der frühe Erfolg ist für Hillis noch lange kein Grund zur Euphorie. "Im Moment stehen wir bei der Erforschung der Intelligenz etwa dort, wo die Astronomen waren, bevor Galileo das Teleskop erfand", meinte er im Gespräch mit der Zeitschrift "Fortune". "Das war noch keine richtige Wissenschaft. Ich komme mir ein wenig vor wie ein Teleskopbauer."

Genauso wie das Teleskop ist auch die Connection Machine nur ein Mittel zum Zweck: Hillis geht es nicht nur darum, eine Theorie des Denkens zu entwickeln, sondern eine Maschine, die denkt.