Im Großunternehmen erprobte Einsatzmöglichkeiten neuesten IuK-Techniken

Im Binnenmarkt-Wettbewerb Mehrwertdienste unabdingbar

06.04.1990

Serie Mehrwertdienste der Bürokommunikation Folge 4

"Wie Sand am Meer" gibt es Checklisten, Hochglanzbroschüren und Fachbücher, die den Segen der modernen Informations- und Kommunikationsmittel als Wettbewerbsinstrument preisen. Die meisten haben den Nachteil, diese Techniken hochzujubeln, "wie Blinde die Farbe". Die Autoren dieser CW-Artikelserie sind Leute aus der Praxis. Sie haben das, was sie hier systematisch darstellen, im eigenen Hause realisiert oder projektiert.

Ein beziehungsweise mehrere durch den Carrier bereitgestellte Voice-Mail-Server können den Nutzern zur Verfügung gestellt werden, ohne daß sie selbst gezwungen sind, an ihren eigenen Anlagen entsprechende Server zu installieren (Bild 5). Bundesweit greifen die angebundenen Unternehmen auf einen entsprechend demissionierten Carrier-Voice-Mail-Server zu. Da alle PABX-Systeme vernetzt sind, fallen keine Gebühren an (Bild 6).

Die einzelnen Unternehmen haben die Möglichkeit, zum Beispiel kurzfristig ihren Außendienst bundesweit über eine Voice-Box mit Informationen zu versorgen. Alle an das Carrier-Netz angebundenen PABX-Systeme einer geschlossenen Benutzergruppe haben Zugriff zu der Voice-Box, wo die Nachricht hinterlegt ist. Diese Anwendung entspricht einem "Voice Bulletin Board".

Für die Zukunft läßt sich mit Fortschreiten der X.400-Standardisierung sowohl eine Koppelung unterschiedlicher Voice-Mail-Systeme von verschiedenen Herstellern als auch eine Vernetzung mit Text-Mail-Servern vorstellen, so daß über das Carrier-Netz Text- und Sprachdokumente verarbeitet und versendet werden können.

Gegenwärtig ist die Kommunikation via Fernkopie stationsgebunden, das heißt, der eigentliche Empfänger ist nicht die Person, die die Information weiterverarbeitet, sondern ein Gerät, das in Abteilungen an einer zentralen Stelle stellt. Von dort muß ein Fax durch den eigentlichen Empfänger abgeholt werden. Dies erweist sich in der Praxis besonders dann als Nachteil, wenn es sich um vertrauliche Informationen handelt.

Demgegenüber hat ein Fax-Server wesentliche Vorteile. Es handelt sich dabei um eine Hard- und Softwarekombination, die es erlaubt, mittels eines Rechners Telefax-Dokumente zu erstellen, abzusenden oder zu empfangen. Ideal ist die Anbetung eines solchen Systems an das Carrier-PABX-Netz (siehe Bild 8).

Sinn des Fax-Servers ist es, daß jeder autorisierte Mitarbeiter eines am Carrier-Netz angebundenen Unternehmens von seinem Bildschirmarbeitsplatz aus auf Telefax-Dokumente Zu, griff hat, ohne das Faxgerät vor Ort bedienen zu müssen (Bild 7).

Die empfangenen Informationen werden nicht als Hardcopy ausgegeben, sondern in einer Datei unter Nutzung einer Subadresse gespeichert. Die eigentlichen Empfänger können diese Informationen jederzeit von jedem Fax im Hause abrufen. Die Diskretion bleibt gewahrt. Beim Empfang von einem. PC ist die Anwendung mit der einer Mailbox vergleichbar. In diesem Fall muß eine Pixel-Format-Konvertierung vom Telefax-spezifischen Huffman-Modified-Code vorgenommen werden. Danach können die konvertierten Dokumente mit Laufnummer und Zeitstempel in die zentrale Mailbox abgelegt werden. Sollte der Empfänger feststellen, daß Faksimile-Bestandteile im Dokument vorhanden sind, besteht nach wie vor die Möglichkeit, die Nachricht von einem Faxgerät ausdrucken zu lassen. Der Eingang eines Fax wird gegebenenfalls über das persönliche Telefon signalisiert.

Für den Versand stehen zwei Varianten zur Auswahl:

- Dem Benutzer stehen Ein- und Ausgabegeräte mit fest definierten Zeichensätzen (character-images) zur Verfügung (zum Beispiel alphanumerische Terminals). In diesem Fall muß der vorhandene Zeichensatz pro Zeichen in das äquivalente Fax-Pixel-Image konvertiert werden. Dies kann vom EDV-System selbst oder vom Faxgerät beziehungsweise Faxprozessor erfolgen, wobei letzteres aus Performance-Gründen vorzuziehen ist.

- Dem Benutzer stehen pixelorientierte Ein- und Ausgabegeräte zur Verfügung. Auch hier müssen die im rechnerspezifischen Pixelcode erstellten Dokumente in den Fax-spezifischen Huffman-Modified-Code konvertiert werden. Bei dieser Anwendung hat man die Möglichkeit, über ein entsprechendes Eingabegerät (zum Beispiel Digitizer) entsprechende Faksimiles (Unterschriften, Firmenlogos, etc.) zu erzeugen und m der DV-Anlage etwa als Textbaustein verwalten zu lassen, die dann auch von sogenannten alphanumerischen, also nicht grafikfähigen Terminals aufgerufen werden können.

Der Absender kann damit einen Text am alphanumerischen Terminal erstellen und die Unterschrift in Form eines Textbausteins einsetzen. Das ausgehende Fax enthält den maschinell erstellten Schriftsatz mit der entsprechenden Unterschrift als Faksimile.

Diese Anwendung wird bereits in den USA von privaten PTTs angeboten. Man schickt ein Mailing in ein lokales Postamt, von wo es dann als Fax oder als Brief an den Empfänger weitergeleitet wird. Firmenlogo und Unterschrift werden lokal von den PTTs vorgehalten.

Papierqualität ist nicht mehr vergleichbar

Auch die Papierqualität ist nicht mehr vergleichbar mit dem Thermopapier. Diese Funktion ist ebenso im 88er Standard von X.400 vorgesehen.

Die anwenderfreundliche Handhabung der Telefax-Dokumente vom Host aus setzt an der Schnittstelle ein Protokoll voraus, das nicht nur den Textdokumenten-Transfer abwickelt, sondern

- die Direkteingabe von Telefonnummern vorn Host aus erlaubt und

- ein Vermittlungsprotokoll vom Datenendgerät zum Host über die erfolgreiche Vermittlung des Telefax-Dokuments erzeugt.

*Reiner Pliefke ist Gruppenleiter "Nachrichtentechnik", Michael Schmidt Projektleiter "Electronic Mail" und Drik Nouvortne Leiter "Bürokommunikation" im Gerling-Konzern, Köln.