Gewerkschaftsvertreter nehmen Hardware-Anbieter unter Beschuß

IG-Metall: Entlassungen helfen kranker DV-Branche nicht weiter

27.03.1992

MÜNCHEN (hp) - Entlassungen sind mittlerweile bei den DV-Herstellern an der Tagesordnung. Längst erhalten aber nicht nur ältere Mitarbeiter

das Kündigungsschreiben, sondern zunehmend auch die jüngeren Kollegen. Kostenreduzierung durch Kündigungen sind indes kein Allheilmittel, meinen Gewerkschaftsvertreter. Vielmehr sollten die Unternehmen versäumte Management-Hausaufgaben nachholen.

"Auf Dauer kann sich keiner seines Arbeitsplatzes mehr so sicher sein, wie man das noch vor kurzem angenommen hat", zeichnet Franz Tölle, Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Gesamtbetriebsrates von Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI), ein düsteres Szenario. Konnten bis jetzt die Entlassungen der DV-Hersteller vielfach mit Vorruhestandsregelungen aufgefangen werden, so steht zu befürchten, daß sich die Personalmaßnahmen in der künftigen Arbeitslosenstatistik verstärkt niederschlagen werden. Grund: Nicht nur Ältere - hierzu zählen in der DV-Branche Mitarbeiter ab 45 Jahren -, sondern auch zunehmend hochqualifizierte jüngere Mitarbeiter mit entsprechendem Einkommen müssen sich einen neuen Job suchen.

"Es gibt aber nicht genügend Unternehmen, die die Entlassenen aufnehmen können", gibt Dieter Jung, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Digital Equipment GmbH (DEC) zu bedenken. "Deshalb ist es nicht übertrieben, von einer Krise zu sprechen." Die Arbeitsmarktsituation werde sich nämlich nicht nur auf das Gehaltsniveau auswirken, vielmehr für einige auch Arbeitslosigkeit bedeuten.

Entlassungen jedoch, so stellte die IG Metall auf ihrer CeBIT-Pressekonferenz klar, helfen der kränkelnden DV-Branche nicht weiter. Eine Strukturkrise sei noch nie durch die Reduzierung der Kosten allein überwunden worden. Jung bekräftigt diese Aussage und spart nicht mit Kritik an der Führungsetage: "Es kann für niemanden eine Überraschung sein, daß sich mit Hardware kein Geld mehr verdienen läßt."

Hier habe das Management geschlafen und seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Zwar haben die Gewerkschaften kein Patentrezept für die Überwindung der Krise, nennen den Herstellern aber die Schwachpunkte der Branche. "Was nutzt dein Kunden die rasante Technologieentwicklung, wenn die Lösungsseite zu kurz kommt", gibt Tölle zu bedenken. Noch deutlicher wird der Gewerkschaftsvertreter von DEC: "Alle haben Rechner, aber die Kernfrage, wie sie den optimalen Nutzen bringen, ist noch nicht gelöst. Die Kundenberatung und das Entwickeln von umsetzbaren Lösungen sind deshalb Geschäftsbereiche mit riesigen Zuwachsraten." Viele Anwender seien frustriert, weil von der Werbung suggeriert werde, man müsse sich nur an den Rechner setzen und erhalte sofort den optimalen Nutzen. Hier fehle es den DV-Herstellern noch an der nötigen Selbstkritik, Marketing-Aussagen und Realität deutlich unterscheiden zu können. "Fest steht, daß die Einarbeitung in die Systeme zu lange dauert und zu kompliziert ist. Hier braucht man gerade die erfahrenen Mitarbeiter, um entsprechende Lösungen zu entwickeln."