Bundesweiter Bildschirmtext-Start in Cept erst am 15. September

IFA: Btx publikumswirksam mit Schönheitsfehlern

09.09.1983

BERLIN - Neue Medien Im allgemeinen, Bildschirmtext im besonderen, Btx-Zentralentechnik von IBM, Btx-Endgeräte und der neue Standard Cept waren neben der Unterhaltungselektronik die wesentlichen Themen auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) '83 in Berlin. Zwei Kongresse, der Btx-Anbieter-Kongreß (1400 Teilnehmer) und eine Parallel-Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (1100 Teilnehmer) über "Neue Medien" buhlten um die Gunst des Fachpublikums. "Medienereignis" war die offizielle Eröffnung des Bildschirmtextdienstes im Cept-Standard durch Postminister Schwarz-Schilling. Von "Generalprobe" und "Augenwischerei" sprachen Interessenten, die unterschiedliche Cept-Versionen auf der Ausstellung zu sehen bekamen.

Die Eröffnung des Dienstes bezog sich nämlich zunächst nur auf Cept-Demonstrationen auf der Funkausstellung. Bundesweit soll es, um 14 Tage erneut verzögert, erst am 15. September losgehen. Zugänge richtet die Post in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart ein. Mehrfach betonte der Postminister auf unterschiedlichen Veranstaltungen, daß die zur Zeit installierte Übergangslösung nicht länger als bis "Mai/Juni" '84 dauern werde; dann sei mit der Inbetriebnahme der IBM-Zentralentechnik fest zu rechnen.

Als ein elektronisches Medium unter vielen zeigte der Medienkongreß der Adenauer-Stiftung Btx. Der Btx-Anbieterkongreß präsentierte sein Zug- und Steckenpferd als "permanente Übergangslösung", allerdings im positiven Sinne. "Btx spielt eine Schlüsselrolle für die zukünftige Telematik. Die zukünftige Telematik spielt eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung." So skizzierte zusammenfassend Begleitforscher Jürgen Seetzen vom Berliner Heinrich-Hertz-Institut die Schrittmacherrolle des in der Bundesrepublik entwickelten, flächendeckenden Datenbankdienstes für jedermann. Die Software-technische Seite des wandlungsfähigen DFÜ-Mediums 2 zeigte Forum 2 des Kongresses. Hier ging es mit Telesoftware um das Insider-Thema. Bereits jetzt erscheint es sinnvoll, will man Walter von Pattay (Siemens) glauben, Btx-fähige Endgeräte für künftige Netze mit höheren Geschwindigkeiten zu entwickeln.

Ein offenes Wort riskierte Anton F. Gatnar, Vorsitzender der österreichischen Anbieter-Vereinigung. Ein funktionsfähiger Btx-Standard sei "nur international und losgelöst von ehrgeizigen nationalen Plänen" zu realisieren. Er sieht in dem neuen Standard nur eine "Hilfskonstruktion" und zeigt sich enttäuscht von der "vielversprechenden, internationalen Cept-Norm". Im Hinblick auf internationale Kompatibilität der Systeme, wie sie doch Ziel der Normierung sei, bringe Cept "in der Anfangsphase zumindest" nichts.

Gatnar listete die Differenzen auf:

- Bundesrepublik Deutschland: Cept-Norm;

- britische Postverwaltung: Prestel-Norm;

- österreichische Post: vorerst Prestel-Norm, dann Cept-Untergruppe C-2;

- französische Post: "ebenfalls eigene Wege";

- holländische Post: Prestel-Norm;

- Schweiz: in Wartestellung

Auch die unterschiedlichen Suchverfahren in den einzelnen Ländern bedürfen nach Auffassung des streitbaren Btx-Anbieters "intelligenter Suchhilfen". Daß der Österreicher indirekt dem österreichischen intelligenten Btx-Decoder "Mupid" das Wort redet, stößt auf viel Verständnis der Anbieter und Gegenliebe bei einigen Herstellern von Personal Computern, allen voran IBM.

Nur mehr oder weniger gut beziehungsweise richtig konnten die verschiedenen Anbieter von Btx-Endgerät den fraglichen neuen Standard einem neugierigen und zahlreichen Publikum präsentieren. Offenbar waren in vielen Fällen die "fremd" editierten Cept-Seiten nicht auf den "eigenen" Cept-fähigen Bildschirmen zu empfangen, was die Anbieter teilweise zu hämischen Kommentaren über die Konkurrenzprodukte veranlaßte.

Der Publikumswirksamkeit der Präsentationen taten diese Schönheitsfehler aber keinen Abbruch. Anders als auf reinrassigen Fachausstellungen bildeten sich ganze Menschentrauben zum Beispiel um das Btx-fähige Telefon von Siemens, das Bitel, das in mehreren Anwendungen zum "Bespielen" für jedermann freigegeben war. Nicht anders sah es auf dem IBM-Stand bei den Btx-fähigen Personal Computern aus. Besonders eine Anwendung für die Reisebranche machte Furore.

Diskreter zeigte ähnliches die Philips Kommunikations Industrie in einem abgesonderten Raum: Btx in attraktiver Kombination mit Laserplatte, ebenfalls eine Anwendung für Reisevermittler. Die Software wurde vom Betriebswirtschaftlichen Institut für das Kreditgewerbe (BIK) geschrieben. Noch als Produktstudie wurde das erste portable Btx-fähige Telefon mit Akustikkoppler von SEL den Fachleuten präsentiert.