Herstellerneutrales LAN bei Welle und Deutschlandfunk:

IDA-Ringnetz steuert Inhouse-Kommunikation

22.10.1982

Die beiden Kölner Rundfunkanstalten Deutsche Welle und Deutschlandfunk errichten zur Zeit eine elektronische Textkommunikationsanlage unter dem Namen IDA (Informations-Daten-Anlage). Das Projekt hat Pilotcharakter, da die Systemarchitektur dezentral Ist. 15 Textquellen, 110 Datensichtgeräte und 50 Bürodrucker werden über ein ringförmiges digitales Transportsystem gleichberechtigt miteinander verbunden. Das lokale Netzwerk mit seinem dezentralen Charakter wird für die Bürokommunikation der Redaktionsabteilung beider Häuser Mitte nächsten Jahres den Betrieb aufnehmen.

Schwerpunkte bei dem Konzept sind geringste Reaktionszeiten, hohe Ausfallsicherheit, Firmenneutralität, Flexibilität sowie unter anderem einfache Wartung. Die Verwendung von CCITT-Schnittstellen hat zum Gelingen der vorgegebenen Randbedingungen eine außerordentliche Bedeutung eingenommen. Ingo Reibert stellt aus der Sicht des Benutzers und des Anwendermanagements das Projekt IDA vor und erläutert es.

Die Redaktionsabteilung der Deutschen Welle (34 verschiedene Sprachen) und des Deutschlandfunk (10 verschiedene Sprachen) erhalten ihre Basisinformationen von den Presseagenturen wie zum Beispiel .dpa, afp, reuter, ap, upi, etc. Die Meldungen werden über das Netz der deutschen Bundespost übermittelt und auf Agentur(fern)schreiben ausgedruckt. Boten und Rundschreibsysteme verteilen im Haus das Agenturmaterial an die einzelnen Redaktionen. Dort sichtet der Redakteur die Meldungen und selektiert aus dem Papierberg etwa 20 Prozent relevantes Material heraus. Der Rest wird ungenutzt weggeworfen.

Die Presseagenturen haben nun angekündigt, daß sie Übertragungsgeschwindigkeit und Zeichencodierung ändern werden beziehungsweise mittlerweile geändert Haben. Die Übermittlungsgeschwindigkeit wird sich in der Regel mehr als verdoppeln. Der Empfänger muß zum einen andere Empfangsfernschreiber investieren und zum anderen ein deutlich erhöhtes Meldungsaufkommen verarbeiten.

Unter dem Namen IDA hat die Deutsche Welle ein Konzept entwickelt, das die Verteilung der Agenturmeldungen ohne Botendienste und ohne Zeitverluste übernimmt sowie den Ausdruck nur der benötigten Texte ermöglicht.

Der Aufbau des Systems

Jede Agenturleitung mündet in einem eigenen Rechner, der die Texte mindestens 72 Stunden speichert. Elf externe Quellen, also Agenturen, werden demnach von ebenso vielen Prozessoren bedient. Hinzu kommen noch vier interne Quellen aus unterschiedlichen Häusern; das sind die Nachrichtenredaktionen und Kommentarabteilungen. Diese 15 Quellen haben keinerlei Steuerverbindungen untereinander, sie sind also parallel an ein Transportmedium angeschaltet, das die Aufgabe hat, Anforderungen und Meldungstexte zu vermitteln, ohne daß eine Zentrale eingeschaltet werden muß. Am selben Ring sind Bildschirmgeräte und Drucker über Konzentratoren angeschaltet.

Nun. ist es möglich, eine Kommunikation abzuwickeln, die vom Sichtgerät des Benutzers initiiert wird. Die Anforderung wird formuliert und an den Teilnehmer adressiert. Der Teilnehmer kann heißen: Agenturrechner dpa oder mehrere dieser Meldungsspeicher. Aus den "angewählten" Agenturspeichern werden die Texte chronologisch abgerufen und zum Bildschirmgerät übertragen.

Hier erfolgen Sichtung und Selektion; auch die redaktionelle Bearbeitung der angezeigten Meldung ist möglich. Die Verteilung an andere Teilnehmer wie Sichtgeräte und Drucker ist eine beabsichtigte Kommunikationseigenschaft des Systems.

Das Transportmedium arbeitet mit brutto 16 MBit/Sek. und netto ungefähr 11 MBit/Sek. Das ist genug, um die gleichzeitige Textkommunikation von vielen tausend Teilnehmern zu ermöglichen oder um auch andere Dienste zu integrieren.

Das Konzept von IDA erlaubt eine günstige installationstechnische Flexibilität. Durch die CCITT-Schnittstellen gestalten sich die einzelner, Komponenten klein und überschaubar mit definierten Grenzen. Die Terminals können über V 24/V.28 angeschlossen werden; die Prozedur ist transparent. Neuere und ergonomisch bessere Sichtgeräte und Drucker sind problemlos anschaltbar.

Technische Funktionsbeschreibung

In der Abbildung ist die Systemübersicht der IDA - Anlage dargestellt. Die Agenturleitung wird über einen V.24/V.28-Multiplexer an einen Agenturrechner AR und an einen back-up-Recnner ÜRA angeschlossen. Vier AR und ein ÜRA bilden die Einheit E-Modul. Das Back-up-System verfügt über eine Winchester-Magnetplatte. Jeder Rechner besitzt einen Halbleitergroßspeicher mit 256 KB, der je nach Bedarf bis zu 1,5 MB entsprechend 72 Stunden Meldungsvorrat erweitert werden kann. Der Notfernschreiber NFS druckt die Meldungen in dem Fall aus, wo gravierende Störungen im E-Modul auftreten.

Die Meldungstexte der internen Quellen werden in den Nachrichtenrechnern NR abgespeichert. Die Sicherungsstrategie ist dieselbe wie beim E-Modul. Beim N-Modul fehlt der Notfernschreiber,- das Postmodem und der V.24/V.28-Multiplexer.

Die Konzentratoren TR bedienen zum einen das ohne besondere Intelligenz ausgerüstete Datensichtgerät (Tandberg) sowie den Printer für RO-Betrieb (Siemens PT 80) und betreiben zum anderen die Datenkommunikation mit dem Transportsystem. Die Verbindung jedes Rechners (Dietz) mit dem Transportsystem (Silk von Hasler) ist über die CCITT-Schnittstelle X.21 realisiert. Sie wird mit 96 Kbit/Sek. halbduplex betrieben.

Die Übertragungseinrichtung Silk wurde von der Hasler AG in Bern entwickelt und ist seit April dieses Jahres in vollen Umfang in Betrieb. Es handelt sich um einen gerichteten Ringkanal mit einer Bitrate von 16,896 Mbit/Sek. Die Signale werden in Knoten (Lokalblöcken LBL) regeneriert. Der Ringkanal überträgt adressierte Informationspakete von vielen gleichzeitig aufgebauten Verbindungen im Zeitmultiplexverfahren.

Um die Zuverlässigkeit des Vermittlüngssystems zu erhöhen, steht ein zweiter und dritter Ring zur Verfügung. Sie werden mit den LBL zu einer verzapften Struktur zusammengeschaltet, Defekte Teile werden automatisch überbrückt. Mit Hilfe von Prüf- und Alarmgeräten werden die Fehlerzustände angezeigt.

Die Ringleitung selbst besteht aus normalen 75-Ohm-Koaxialkabel. Der serielle Bitstrom wird mittels Manschester-Code übertragen. Die Nutzinformation wird beim Absender in Datenpakete aufgeteilt und adressiert. Die Pakete werden im Bufferinsertion-Prinzip in den Ringstrom eingeleitet und suchen sich ihre Zieladresse selbständig.

Der Hauptblock (MBL) ist identisch mit dem LBL, enthält jedoch zusätzlich einen Quarzoszillator als Systemtaktgeber, einen Pufferspeicher für den Jitter-Ausgleich sowie Alarm- und Fehlerregister.

Im Grundausbau werden in den beiden Rundfunkanstalten Deutsche Welle (Projektleiter) und Deutschlandfunk

110 Sichtgeräte von Tandberg (Oslo) 50 Drucker von Siemens PT 80 71 Prozeßrechner von Dietz sowie von Hasler 114 Datenübertragungseinrichtungen DCE-X.21

32 Lokalblöcke LBL

2 Hauptblöcke MBL

6000 Meter Koaxialkabel für die Ringleitung und anderes installiert.

Damit werden die Fernschreiben beziehungsweise Meldungstexte von elf Nachrichtenagenturen und vier hausinternen Meldungsquellen gespeichert und verteilt. Das täglich eingehende Textaufkommen aller Quellen beläuft sich auf etwa 6 Millionen Byte.

Geplant sind zusätzlich weitere 100 Sichtgeräte 50 Drucker (270 Z/Sek.)

Verbindung mit Pressearchiven und

Datenbanken

Kommandoanlage.

Der Redakteur, der über ein Sichtgerät verfügt, kann durch Eingabe der Anforderungsparameter die Meldungen jeder Quelle sichten, bearbeiten und zu anderen Sichtgeräten und Druckern weiterleiten. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, nur die Politik-Meldungen aller Nachrichtenagenturen in chronologischerreihenfolge abzurufen und ohne Aufwendung von Personal und Material - die Texte auf dem Bildschirm zur Anzeige zu bringen. Selbstverständlich sind aufbereitete Übersichten und die Möglichkeit, gezielt Texte zu suchen.

IDA im Arbeitsablauf

Die maximale Transaktionszeit, also die Zeit von der Auftragsvergabe am Sichtgerät bis zur Anzeige des geforderten Textes darf zwei Sekunden nicht Überschreiten.

Das Bildschirmterminal dient auch zur Eingabe von beliebigen Texten, die im System verteilt werden können. Die Anzeige erfolgt beim Empfänger auf dem Drucker mit dem Hinweis des Absenders oder auf Sichtgerät in Form einer kurzen Mitteilung am rechten Bildschirmrand.

Der Teilnehmer kann nun den Zeitpunkt des Abrufs der zwischen gespeicherten Nachricht frei bestimmen. Insgesamt können an jedem Sichtgerät 16 aufgelaufene Meldungen zwischengespeichert werden.

Das IDA-Projekt wurde im Jahre 1979 an die Firmen Hasler, Dierz und PSI (Lieferant der Anwendersoftware) vergeben. Eine umfangreiche und sorgfältige Betriebsanalyse waren die zwingende Grundlage des Pilotprojekts. Der Bundesminister für Forschung und Technologie, BMFT, finanziert 50 Prozent des gesamten Auftrags wegen der richtungsweisenden, dezentralen Struktur des Systems. Voraussichtlich im Frühjahr 1983 kann der Grundausbau den Betrieb aufnehmen und in die Arbeitsabläufe der Redaktionsabteilungen eingebunden werden. Zur Zeit ist eine kleine Demonstrationsanlage aufgebaut.