Breschen schlagen im Maschinendickicht für pragmatische Information-Center-Konzepte,aber:

IC ist immer noch ein Synonym für "ferner liefen"

21.02.1986

MÜNCHEN -"Agieren können, nicht reagieren müssen" lautet der Wunsch vieler Verantwortlicher in der Pionierabteilung "Benutzer-Service-Zentrum" (BSZ). Wie Tag und Nacht stehen ihnen indes Erträumtes und Alltägliches gegenüber. Wildwuchs, Wirtschaftlichkeitsnachweise und personelle Engpässe etwa machen ihnen das Leben schwer. Mit einer noch recht knapp bemessenen Sympathie honoriert das Management zudem Anstrengungen nur mittelmäßig.

"Weitermachen" als alleinige Devise führt kaum zu Lösungen der Probleme, so das Resümee aus dem Lager der zentralen Dienstleister.

In der Vergangenheit begannen die meisten Service-Zentren ihre Aktivitäten zum einen computergestützt - wobei die Anwender die Dienste des Rechners in Time-Sharing-Verfahren nutzten - zum anderen stand zu Beginn der Wunsch, eine vernünftige Kontrollinstanz für die an allen Ecken der Fachabteilung aufgetauchten Mikrocomputer zu schaffen. In vielen Fällen wurden beide Enden des Spektrums einem Verantwortlichen unterstellt. Als eine " One-man-show " gestartet, gilt es für den Leiter/die Leiterin dieses neuen Elements zwischen den Sektoren DV und Organisation - überraschend häufig sind auch Damen mit genügend Pioniergeist zu finden -, sich sowohl Kompetenzen als auch Zutrauen zu erwerben.

Aus den eigenen Reihen kommt nicht selten harsche Kritik an der - mangelnden Konsequenz dieses noch jungen Teilbereichs der IDV. Gemessen an der Tatsache, daß zahlreiche Unternehmen immerhin bereits seit rund fünf Jahren das Bild eines Benutzer-Service mit sich herumtrügen, so eine Verantwortliche, seien die Aktivitäten kaum anders als mit "Herumkleckern" zu beschreiben.

Die schleppende Gangart verwundert kaum, ist doch das BSZ samt seiner Leitung in der Unternehmenshierarchie nicht besonders hoch angesiedelt, des öfteren nur "unter ferner liefen".

Der Andrang von seiten der Mitarbeiter in den Fachabteilungen ist da. Demgegenüber nimmt sich die Zuwendung des einzelnen Managers, so eine häufige Erfahrung, eher abwartend aus. Der leere Schreibtisch gilt in oberen Etagen vielerorts noch als Statussymbol; wagt sich der eine oder andere Entscheider an das nagelneue Keyboard auf seinem Computermöbel und tastet vorsichtig die ersten Funtionen ein, weiß das BSZ die Situation richtig einzuschätzen und ist hilfsbereit: "Hier geben wir auch Einzelunterricht".

SW-Grundausstattung für jeden Anwender-Typus

Um eine abgesicherte Planung über Material, Software, aber auch Zugriffskanäle betreiben zu können, stehen die Nutzer-Zentren zu allererst vor der Aufgabe, zunächst einmal sich selbst "User-Transparenz" zu verschaffen. Zu klären ist dabei, welche Werkzeuge in den Fachabteilungen bereits verfügbar sind, welche Software-Tools schon auf den Mikros laufen und wer auf welche Daten zugreifen kann - oder soll.

Verschiedene Umfragen in den USA beispielsweise untersuchten die Verwendung von Mikrocomputern In Unternehmen, wobei nicht nur Funktionen, sondern auch Anwender klassifiziert wurden. Es ließ sich feststellen: Die Techniken unterschieden sich voneinander, Kategorien indes, wie Manager, Entwickler, Techniker, Datenverarbeitungsspezialist oder Sekretärin tauchten immer wieder auf. Eine Möglichkeit, die Auswahl für Software zu planen konnte also darin bestehen, die Anwender in Gruppen einzuteilen, deren Mitglieder ähnliche Wünsche äußern und ihnen daraufhin Mikro- oder Bürosysteme zu liefern, die für Jeden einzelnen zusätzlich optimiert werden.

Als Ergebnis einer solchen Analyse sollten eine Reihe von "Programmsätzen" festgeschrieben werden, die die meisten Anwender zufriedenstellen können. Gleichzeitig ist noch ein gewisses Maß an Flexibilität gewährt. Denkbar wäre also eine Art "Grundausstattung", die aus einer einfach anzuwendenden Software bestehen könnte - daher nicht unbedingt komplexe Möglichkeiten in allen Gebieten aufweist - und unterschiedlichen Wünschen jeder Anwenderspezies gerecht wird.

Nach Gusto einkaufen - die Wurstelei vorprogrammieren

Besonders in historisch gewachsenen Maschinendickichten bei Endusern vor Ort konnten die unterschiedlichsten Produkte bisher Wurzeln schlagen und Blüten treiben.

Beklagt der DV-Leiter händeringend den Wildwuchs im Unternehmen kann der Service-Verantwortliche kalt lächelnd den Wasserhahn für unliebsame Pflänzchen - beispielsweise nicht erwünschte Sprachen oder Tools - zudrehen: Diese werden dann "einfach nicht mehr unterstützt, bis sie verhungern". So volltönend dies klingt, die Befugnisse des Beauftragten scheinen im allgemeinen schnell an ihre Grenzen zu stoßen.

Besonders unerfreulich ist dabei die Gewohnheit vieler Fachabteilungen, sich nach Gusto und mit eigenem Budget Enduser-Equipment anzuschaffen. "Die Wurstelei", so eine warnende Stimme aus dem BSZ, "ist vorprogrammiert ".

Offenbar rechnet manch ein BSZ-Leiter es schon als bemerkenswerten Kompetenzzuwachs an, bei Fragen der Anschaffung von Equipment die Entscheidungsvorlage liefern zu dürfen.

Schulung - ein Stiefkind wächst sich aus

Unterstützung meint zunächst theoretisch grundlegende Beratung über eine Anwendung. Ist sie IDV-fähig, und nicht nur ein rein organisatorisches Problem? Welches Instrumentarium-Großrechner oder PC - kann eingesetzt und welche Software soll benutzt werden? In den meisten Fällen treffen die Fachabteilungen dann die Entscheidungen. Bei guter Beratung sollten die Hinweise des BSZ den Ausschlag geben.

Bisher jedoch bedeutet Unterstützung vielfach kaum mehr als sporadische Schulung. Es werden gerade so viele Kenntnisse vermittelt, daß ein wenig "für den eigenen Bedarf" programmiert und "Makros" erstellt werden können. Aber selbst dazu läßt die Tagesarbeit oft kaum Zeit. So wird dann eben die Instruktions-Veranstaltung oft erst auf den letzten Drücker vorbereitet.

Nicht selten müssen DV-Mitarbeiter das BSZ quasi "nebenberuflich" zum offiziellen Engagement in der Projektarbeit betreiben.

"Wer kann sich schon immer", so die rhetorische, aber berechtigte Frage eines Mitarbeiters aus der zentralen Dienstleistung, "die notwendigen drei Wochen Vorbereitungszeit für einen verläßlich strukturierten Schulungstag leisten?"

"Tragisch", lautet dazu der Kommentar einer Kollegin, da in vielen Betrieben immer noch unterschätzt werde, was Schulung für ein glattes Funktionieren der IDV leisten könnte, denn Tätigkeitsbereiche der einzelnen Mitarbeiter des BSZ müßten schließlich transparent gemacht (an wen muß ich mich wenden - muß ich das überhaupt?), sowie Anwender auf Standards "getrimmt" werden.

Statt dessen bemühen Unternehmen, so ein kritischer Einwurf, externe Instruktoren, obwohl häufig zur Schulung der Mitarbeiter über firmenspezifische Probleme die geeigneteren Instrumente inhouse zur Verfügung stünden. Gerade frischgebackene Endandwender der DV etwa neigen in der Tagesarbeit zu individuellen "Pseudo-Lösungen", die wirkungsvoll nur vom BSZ-Kollegen in den Griff bekommen und verhindert werden können.

Manchmal macht Not erfinderisch und kehrt das Konzept der Betreuung durch das Service-Zentrum um: "Wegen Zeitmangels müssen wir sehen, daß die Benutzer möglichst wenig davon benötigen - deshalb schulen wir vorbeugend intensiv", lautet ein derartiges Notprogramm des BSZ.

Akzeptanz und Trommeln - zwei Seiten einer Medaille

Bei der Selbstdarstellung des Benutzer-Service-Zentrums im Unternehmenskontext treten ganz allgemein Schwierigkeiten auf. Keinesfalls besteht jedoch ein Negativ-Image. Doch wenn es um heikle Fragen wie zum Beispiel die der Wirtschaftlichkeit geht, sucht der Mitarbeiter aus dem BSZ dennoch häufig für seine Argumentation schließlich "ex negativo" Hilfe nach dem Motto: "Wenn wir nicht da wären,. . ."

Für ihren Leistungsumfang empfinden sich deshalb die Mitarbeiter vom zentralen Service - durch die Bank - als unterbezahlt. Angemessen wäre eine Entlohnung in Höhe des Systemanalytikers auf Projektleiterebene, so ihre eigene Einschätzung. Denn nicht nur das Qualifikationsprofil werde hoch angesetzt. Hinzu komme Einsatzbereitschaft: "Den Job muß man machen wollen", formuliert es ein Insider. Fachkenntnisse allein reichten nicht aus.

Die Akzeptanz des Nutzer-Zentrums erhöhen kann die bewußte Selbstdarstellung im Unternehmen; zunächst -denn dieser Weg ist nach oben offen - auf der Ebene der Bereichsleiter. Der BSZ-Mitarbeiter muß den einzelnen Verantwortlichen oder kleine Gruppen aus der Fachabteilung ansprechen und seine IDV-Konzeption vorstellen: An praktischen Beispielen aus dem Haus, in denen sich Bereichsleiter wie auch Mitarbeiter wiedererkennen.

Zusätzlichen Nutzen für den Bereichsleiter bringt - quasi als Nebenprodukt - eine Übersicht über Aktivitäten in seinem Sektor, die er zuvor häufig noch nicht hatte. Hier ist Erfindungsreichtum der Service-Mannschaft gefordert. "Je weniger Zeit man hat", so ein BSZ-Mitarbeiter, "desto weniger ist man bereit, davon für diese, PR-Aktionen, zu verwenden." Völlig falsch: "Genau diese Zeit sollte man investieren, denn den Einsatz bekommt man zurück - und sei es in Form der Genehmigung eines weiteren Mitarbeiters."

Allerdings dürfe nicht zu hoch gepokert oder gar mit falschen Karten gespielt werden. Offen die Grenzen - unter den gegebenen personellen Bedingungen - aufzeigen, festige den soliden Eindruck von dem BSZ und fördere die Unterstützung durch die Fachabteilungen.

Fehlendes Vertrauen in das Bild am Schirm

Daß immer wieder die Existenzberechtigung bewiesen werden muß, hängt nicht zuletzt auch mit der - enggefaßten - Technikeinsicht von Entscheidern aus der oberen Etage zusammen. Die Vorstellung von einem unternehmensweiten übergeordneten Kommunikationsfluß - zu dessen Installation wie auch Bestand gerade das BSZ erheblich beitragen kann - endet häufig bei der Präsentation von Ergebnissen in der Endstation "Management-Schreibtisch".

Akzeptiert wird dort bisher, so vielfache Erfahrungswerte, als ausschießliches Dokument die Grafik oder Übersicht auf Papier. Denn das Bild am Schirm findet noch wenig Zutrauen - dies allerdings, und hier sind freilich andere Instanzen als das BSZ aufgerufen, sich für einen "Wertewandel" stark zu machen, wäre das A und O zu einer weitreichenden Gestaltung wie auch effizienten Arbeit für die Pionierabteilung Benutzer-Service-Zentrum.