Die Umsetzung gestaltet sich schwierig

IBMs langer Weg zur einheitlichen Server-Strategie

23.12.1998
NEW YORK/MÜNCHEN (wh) - Unter dem Dach einer gemeinsamen Strategie sollen IBMs Server-Linien sowohl technisch als auch organisatorisch enger zusammenrücken. Doch das ehrgeizige Vorhaben erweist sich als schwierig. Insbesondere im Vertrieb steht die Umsetzung noch aus.

Noch vor einigen Jahren waren die vier Server-Plattformen der IBM - S/390, RS/6000, AS/400 und Intel-basierte Systeme - strikt voneinander getrennt. Mitarbeiter der einzelnen Divisionen kommunizierten kaum mit Kollegen aus anderen Bereichen. Hinsichtlich Produktentwicklung, Fertigung und Vertrieb kochte jede Sparte ihr eigenes Süppchen. Abgesehen von den hohen Kosten, die durch teilweise redundante Investitionen entstanden, hatte die Aufteilung vor allem nach außen hin eine fatale Wirkung: Kunden, die sich mit einem IT-Problem an den Hersteller wandten, erhielten oft mehrere unterschiedliche Lösungsvorschläge, je nachdem welcher Division der Berater angehörte. Mit der "Cross Server Strategie", die Big Blue seit zirka 18 Monaten verstärkt bewirbt, soll sich das ändern.

Im Rahmen dieses Konzepts sollen Anwender - zumindest für die von IBM als Midrange-Server definierten Systeme RS/6000, AS/400 und Netfinity - einen gemeinsamen Ansprechpartner bekommen. In Europa spiegelt sich diese Strategie in einer Reihe organisatorischer Veränderungen wider. So gibt es etwa mit Antoine Granatino einen Vice-President Midrange Systems Sales, der für alle RS/6000-, AS/400- und Net- finity-Produkte verantwortlich zeichnet. Die britische Managerin Val Rahmani fungiert als Vice-President für High-end Systems Sales (S/390). Darüber hinaus hat der Hersteller einen weiteren Vice-President installiert, der innerhalb dieser Organisation für das Marketing beider Bereiche - High-end und Midrange - zuständig ist.

In technischer Hinsicht sind die Bemühungen Big Blues relativ weit fortgeschritten. So hat der Hersteller bereits vor einigen Jahren begonnen, in den AS/400- und RS/6000-Systemen identische Komponenten einzusetzen. "Alles beginnt mit der Entwicklung", sagt Ken Batty, IBMs RS/6000-Marketing-Manager für die Regionen Europa, Mittlerer Osten und Afrika (Emea). "Wir versuchen, soviel Techniken wie möglich für alle Plattformen zu nutzen." Ein Beispiel dafür sei die Kupfertechnik für Prozessoren, die sowohl in den Großrechnern der S/390-Serie als auch in den klassischen Midrange-Systemen mit Power-PC-Prozessoren ihren Niederschlag finde.

Die Gemeinsamkeiten gehen über identische Power-PC-Prozessoren in den Midrange-Servern allerdings deutlich hinaus. Beide Rechnertypen arbeiten etwa beim I/O-Bussystem mit der aus dem PC-Bereich geholten PCI-Technik. Zum Teil werden die Maschinen auch mit denselben Serial-Storage-Architecture-(SSA-)Plattensubsystemen der Storage Division geliefert. Schon heute laufen zudem beide Mittelklasse-Serien in der gleichen Fertigungsstätte vom Band. In Europa fertigt die IBM sowohl die AS/400 als auch die RS/6000 im italienischen Santa Palomba.

Die PC-basierten Netfinity-Server werden künftig verstärkt durch Techniken und Komponenten aus der Midrange- und Großrechnerwelt aufgewertet. So stattet IBM die Rechner mit Switching-Komponenten aus, die die Einbindung von Netfinity-Servern in Clustern aus den massiv-parallelen RS/6000-SP-Systemen erlauben.

"Die Idee, eine SP-ähnliche Umgebung mit Netfinity-Rechnerknoten statt mit RS/6000-Systemen zu bauen, wird wahrscheinlich schon im zweiten Halbjahr 1999 realisierbar sein", meint Batty. Für die PC-Plattformen bietet IBM zudem Escon-Adapter an, die es erlauben, Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen NT-Servern und S/390-Mainframes herzustellen. Auch die Option, Prozessoren bei laufendem Betrieb auszutauschen, ist für die Netfinity-Server geplant.

Durch die gemeinsame Nutzung von Marketing-, Vertriebs- und Technologieressourcen können wir die Gesamtkosten der einzelnen Server-Sparten im Vergleich zur Konkurrenz senken", rührt Batty die Werbetrommel. Letztlich gehe es bei der gemeinsamen Server-Strategie darum, die Kosten in den einzelnen Organisationen zu senken und gleichzeitig keinen Umsatz zu opfern.

Daß das nicht immer klappt, mußte der IT-Konzern allerdings bereits mit den Unix-basierten RS/6000-Systemen erfahren. "In der ersten Jahreshälfte waren wir von der Wachstumsrate sehr enttäuscht", konzedierte Batty gegenüber der COMPUTERWOCHE (siehe CW 51/98, Seite 8). Im Zuge der Reorganisation sei die Fokussierung auf die RS/6000 etwas verlorengegangen. Allerdings sei das dritte Geschäftsquartal für die AIX-Rechner erfolgreich verlaufen.

Das größte Hindernis bei der Umsetzung der gemeinsamen Server-Strategie stellt sich für die IBM aber offensichtlich im Vertrieb. So gibt es etwa in Deutschland zwar eine gemeinsame "Midrange-Server-Systems"-Vertriebsorganisation für die Marken Netfinity, AS/400 und RS/6000. Innerhalb dieser Gruppe sind aber nach wie vor Spezialisten für die jeweiligen Plattformen zuständig. Das für den Verkauf alternativer Plattformen erforderliche Know-how sei derzeit noch nicht vorhanden, so eine Sprecherin der hiesigen IBM-Dependance. Man arbeite daran, die Vertriebsbeauftragten entsprechend zu schulen.

Besonders kritisch beurteilt der Meta-Group-Analyst Andreas Zilch die Server-Pläne Big Blues. Die Vorstellung eines Verkäufers, der so gut geschult ist, daß er alle Plattformen gleichermaßen vertreiben kann und Kunden das jeweils passende System empfiehlt, hält er für unrealistisch: "Das ist ein schöner Wunschtraum." Neu sei die vollmundig verkündete Cross-Server-Strategie zudem ohnehin nicht. "IBM hat schon vor drei Jahren darüber gesprochen", erinnert sich Zilch. Bei den Anwendern sei davon nichts zu spüren. IBM habe auf diesem Weg noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Neben der Schulung der Vertriebsbeauftragten komme es insbesondere auch darauf an, die Provisionsregelungen zu ändern. Alle Hersteller täten sich an diesem Punkt schwer, weil bestehende Verträge modifiziert werden müßten.

Darüber hinaus bringe beispielsweise eine AS/400 oder eine S/390 wesentlich höhere Gewinnspannen als ein Netfinity-Server, gibt der Meta-Analyst zu bedenken. Ob die Verkäufer vor diesem Hintergrund tatsächlich neutral beraten, ist mehr als fraglich. Zilch: "Die Vertriebsbeauftragten denken an den Geldbeutel. Daran scheitert das Ganze." Ohne entsprechende Provisionsregelungen sei das Vorhaben IBMs kaum zu verwirklichen. Die Strategie alleine reiche nicht aus. Zilch: "Darüber lachen die Vertriebsleute nur."