IBMs geeinte Server-Welt

01.05.2008
Die Zusammenführung der beiden Rechnerfamilien System i und System p zur Power-Systems-Linie ist mehr als nur eine Fusion von Server-Familien.

Der Power-6-Prozessor ist nun durchgängig auf allen Server-Systemen der System-i- und p-Linien zu haben. Daneben bietet IBM in den System-x-Maschinen natürlich Intel- und AMD-CPUs und in den System-z-Großrechnern Cisc-Chips an. Allerdings, so berichtet Illuminata-Analyst Gordon Haff, geht es bei der Systemverschmelzung von System i und System p nicht nur um Hardware und Prozessoren sowie neue Server. Vielmehr sind damit auch organisatorische Veränderungen in IBMs Server and Technology Group (STG) verbunden sowie Veränderungen von Produktbezeichnungen und Logos.

Nach Segmenten sortiert

IBM selbst sagt, die größeren Veränderungen würden aus der "Client Value Initiative" stammen. Mit dieser hat sich die STG zum Jahreswechsel 2008 auf die Segmente Enterprise (große, global agierende Unternehmen), Business Systems (mittlere und kleine Unternehmen), Industry Systems (Unternehmen der Branchen Handel, Telekommunikation und Gesundheitswesen) sowie Microelectronics fokussiert.

In Summe, so der Analyst, ergeben sich aus dieser Neuorientierung Änderungen im Geschäftsmodell der STG-Division, die so fundamental sind wie keine andere Neuausrichtung seit dem Jahr 2000. Seinerzeit hat das Unternehmen seine unterschiedlichen Server-Linien unter das Dach einer einzigen Organisation inklusive Forschungs- und Entwicklungsstruktur versammelt. Der neue Markenname hieß "eServer". Big Blue vertritt hier allerdings die Ansicht, dass Haffs Interpretation "etwas überbewertet" sei.

Die Power-Systems-Hardware

Das Hardwareangebot der neuen Power-Systems-Rechnerlinien ist mehr denn je auf Stromlinie gebracht: Jetzt sind alle Server standardmäßig mit Power-6-Prozessormodulen ausgestattet. Bei der Power-5-Generation standen noch Systeme mit unterschiedlichen Prozessoren zur Auswahl, wiewohl es eine Zeit gab, als die Server der i- und p-Linien alle mit Power-5-Chips arbeiteten. Seinerzeit bot IBM sowohl Quad-Core-Module (QCM) an, die mit einer niedrigeren Taktfrequenz arbeiteten, dafür aber mit mehr Prozessorkernen bestückt waren, als auch Dual-Chip-Module. Darüber hinaus offerierte Big Blue bei der Power5-Generation Multichip-Module (MCM), die in Highend-Servern eingesetzt wurden.

Nach Haff hat sich die mit Sicherheit größte Veränderung durch die Zusammenlegung der Rechnerlinien System i (ehemals AS/400) und System p, also der Linux/AIX-Maschinen, ergeben. Dabei kommt die Verschmelzung nicht plötzlich. Vielmehr hat Big Blue die Grenzen zwischen diesen Systemfamilien schon seit langem Stück für Stück aufgeweicht. Beide nutzen die Power-Architektur bereits seit Jahren. Nunmehr aber finden sich beide Linien unter dem einen Dach der Power-Systems-Familie. Diese weist - und das ist anders als früher - gleiche Preise auf: Sie nutzt identische Peripheriekomponenten, die gleich viel kosten, wie es schon seit rund zwei Jahren zumindest für die Straßenpreise gilt. Früher wurden die Komponentenpreise für die System-i-Rechner aus produktpolitischem Kalkül über denen der System-p-Linie gehalten.

Klarere Nomenklatur

IBM hat auch die Nomenklatur seiner Systeme klarer geregelt. Deutete beispielsweise die "5" der im Jahr 2001 vorgestellten "AIX 5L" auf die Version des Unix-Betriebssystems der IBM und auf die Affinität zu Linux hin, so verstanden viele dies eher als Hinweis auf die Power-5-Architektur. Ziffern und Buchstaben hat Big Blue deshalb jetzt aus der AIX-Bezeichnung entfernt. Ähnlich das System-i-Betriebssystem, das in seiner Geschichte nun schon mehrere Namenwechsel erlebte. Ursprünglich als "OS/400" aus der Taufe gehoben, wechselte es seinen Namen auf "i5/OS". Hier bedeutete die 5 im Gegensatz zum AIX-5L-Betriebssystem tatsächlich die Referenz auf die Power-5-Plattform, auf der die ehemaligen AS/400-Rechner liefen. Dann firmierte das Betriebssystem auf "System i" um. Mit der Zusammenlegung in die Power-Systems-Familie heißt das Betriebssystem nunmehr schlicht "i".

Neue Virtualisierungssystematik

Im Zuge der Umstrukturierung hat IBM auch einen neuerlichen Versuch gestartet, seine Virtualisierungsangebote in eine Systematik zu bringen. "Power VM" ist die Antwort auf die Veränderungen im Markt und ist als Nachfolger von "Advanced Power Virtualization" zu sehen.

Die IBM reagiert auf Aktivitäten der Konkurrenz, indem sie etwa in Power VM die Option bietet, eine laufende logische Partition (LPAR, was im Prinzip eine virtuelle Maschine ist) von einem Server auf einen anderen zu verlagern, ohne dass sie heruntergefahren werden muss. "Live Partition Mobility" heißt IBMs Antwort auf "VMotion", das der Virtualisierungsspezialist VMware anbietet.

Zudem hat man das LPAR-Konzept um die Option "AIX Workload Partitions" (WPAR) ergänzt. Hierbei handelt es sich um Betriebssystem-Container, die sich ebenfalls dynamisch verschieben lassen. Haff vertritt allerdings die Meinung, dass WPARs nicht ohne Unterbrechung genutzt werden können, sondern im Prinzip erst einmal heruntergefahren werden müssen.

Auswirkungen auf Software

Im Zuge des Produkt-Revirements richtet die IBM auch die Softwareaktivitäten der STG anders aus. Neben den Bereichen Virtualisierung sowie Betriebssystem- und Integrations-Layer nennt das Unternehmen jetzt als Ordnungskriterien der Power-Systems-Software-Group die Themen Verfügbarkeit, Sicherheit, Energiekonsum (dies unter dem Schirm "Energy Scale") sowie Management, worunter im Wesentlichen IBMs "System Directory" fällt. Auch bei diesen Bemühungen geht es vor allem um eine nachvollziehbare konsistente Nomenklatur. So wird aus dem seit langem als Wortungetüm existierenden Unix-Cluster-Produkt "High Availability Cluster Multi-Processing" (HACMP) schlicht "PowerHA for AIX" und "PowerHA for Linux". Die AS/400 respektive System-i-Variante "System i High Availability Clusters" (HASM) wird analog zur "PowerHA for i".

Die Rackmount-Server

Die Brot- und-Butter-Rechnerlinien der Power-Systems-Familie für den kommerziellen Bereich, die heute auf der Power-6-Architektur laufen, sind die Power 520-, 550-, 570- und 595-Modelle. Hinzu kommen zwei Blade-Server-Linien, die "Bladecenter JS12" und "JS22". Big Blue bietet zudem unter dem Power-Systems-Dach noch Spezial-Server an. Diese sind allerdings - neben der Power-575-Maschine und Bluegene - für das High-Performance-Computing (HPC) ausgelegt wie beispielsweise das "QS21-Cell-Blade"-Modell.

Bei den Rackmount-Systemen fungiert das Modell "Power 520 Express" als Einstiegsmodell. Es wird in Varianten mit bis vier Power-6-Kernen vertrieben. Diese Maschinen sieht IBM als Distributed-Applications-, kleine Datenbank- oder als Konsolidierungs-Server. Als i-Edition kann der mit integrierter Datenbank und Applikations-Server ausgestattete Power-520-Express-Server als Komplettlösung eingesetzt werden.

Das Modell Power 550 gibt es mit zwei bis acht Power-6-Kernen. Es zielt auf ähnliche Bedürfnisse ab wie die kleinere Maschine. Alle Express-Server laufen unter Linux, AIX und dem i-Betriebssystem. Nutzt der Anwender Virtualisierungstechniken, kann auch eine Kombination dieser Betriebssysteme auf den Servern laufen.

Der Power 570 war IBMs erster Server mit der Power-6-Architektur. Er vereint die Power-570-Linie mit der 570-i-Maschine, also der System-i- oder AS/400-Reihe. Interessant an diesem Rechner ist sein modulares Konzept. Dieses erlaubt es Kunden, das System von einer Basis (zwei Dual-Core-Power-6-Prozessoren) peu à peu über entsprechende SMP-Verbindungen bis zu einem SMP-Server auszubauen. Dieses Konzept ist jedoch nicht neu.

Das Topmodell der Rackmount-Server stellen die Power-595-Maschinen dar. In der höchsten Ausbaustufe lässt sich diese Reihe mit bis zu 64 Rechenkernen ausstaffieren. Die Prozessoren arbeiten - nach der neuesten IBM-Veröffentlichung - mit Taktraten von bis zu 5 Gigahertz. Jeweils vier CPUs mit insgesamt acht Rechenkernen werden zu einem Knoten zusammengefasst. In einer maximalen Ausbaustufe besitzen diese Server bis zu 4 TB an DDR-Arbeitsspeicher. Bis zu acht Knoten lassen sich zu einem 64-Kern-SMP-System zusammenschmieden. Mit solch einem Boliden konnte IBM die bis dato gültige Spitzenrechenleistung einer "Integrity-Superdome"-Maschine von Hewlett-Packard (HP) bei einem SAP-SD-Benchmark (SD = Sales and Distribution) um elf Prozent übertreffen. Das HP-System rechnete mit 128 Rechenkernen.

Wichtig für Großsysteme wie die Power-595-Maschinen ist ferner die Überlegung, dass es bei diesen nicht nur um die schiere Rechenleistung geht. Noch wichtiger dürfte die Option sein, sie als Konsolidierungsmaschinen nutzen zu können.

Die Blade-Server

Auch die Blade-Server-Linien hat IBM nun einheitlich auf die Power-6-Plattform eingenordet. Während das ältere "JS21"-Blade-System noch mit Power-PC-Prozessoren arbeitete, rechnen heute alle Blade-Maschinen mit der Power-6-CPU. Neu ist auch die Ausrichtung an kommerziellen Anforderungen. Hatte früher die JS21 noch ein Nischendasein im HPC-Segment fern der kommerziellen Nutzung gefristet (zu nennen wäre hier etwa die Mare-Nostrum-Installation am Barcelona Supercomputing Center), so zielt die aktuelle "JS22" schon eher auf kommerzielle Anwender. Hierzu trägt die Basis der Power-6-CPU ein Gutteil bei. Sie bildet als Standardelement des IBM-Hardwareangebots die Klammer, die Server-Typen wie die Rackmount- und Blade-Maschinen besser kombinieren lässt. Zudem bietet Big Blue mit der "JS12" seit neuestem auch ein Einstiegsmodell an. Mit diesem Blade-System zielt das Unternehmen klar auf mittelständische Firmen.

Das zeigt sich auch daran, dass IBM auf den Blade-Systemen nun das i-Betriebssystem anbietet. Dieser Umstand ist durchaus bedeutungsvoll. Galt doch die AS/400 immer als Sorglosrechner für Mittelständler, die in einer Box alles versammelt wissen wollten. Da via "Integrated xSeries Adapter" (IXA) auch Windows-Applikationen auf diesen Rechnern zum Laufen gebracht werden konnten, war dieser Server-Typ für kleinere Firmen eine echte Alternative. Allerdings war die IXA-Hardware nie eine ideale Lösung, schreibt Illuminata-Analyst Haff. Sie hinkte technisch immer hinter Standard-x86-Servern her.

Hier nun bieten die auf einheitliche Prozessorbasis gestellten Blade-Systeme neue Möglichkeiten. Heute können Anwender Applikationen, die unter den Betriebssystemen i, Linux und AIX laufen, mittels der Virtualisierungsoption Power VM sogar auf einem Blade in verschiedenen logischen Partitionen (LPAR) nutzen. Windows- und x86-Linux-Applikationen lassen sich im gleichen Blade-Center-Chassis verarbeiten. Haff ist der Meinung, dass Big Blue mit den Blade-Center-Modellen unter anderem auch eine Integrationsplattform geschaffen hat, die insbesondere für mittelständische Kunden von Interesse sein dürfte.

Power VM

Der Begriff Power VM umfasst ein ganzes Set an Features, mit denen IBM Virtualisierung auf die Power-Systems-Maschinen bringt. Grundlage der Power-VM-Virtualisierung sind so genannte Mikropartitionen. Big Blue bezeichnet sie gelegentlich auch als Dynamic LPARs (DLPAR). Pro Power-6-Kern können bis zu zehn, pro Server höchstens 254 DLPARs realisiert werden. Der Hypervisor, also der Virtual Machine Monitor, ist in Firmware gegossen und auf der untersten Systemebene angesiedelt. Um die Zuordnung der Systemressourcen zu koordinieren, korrespondiert die Virtualisierungskontroll-Logik mit allen Komponenten wie etwa den Prozessoren, I/O-Karten, Betriebssystemen und den System-Management-Werkzeugen.

Die mit Live Partition Mobility mögliche Verschiebung einer im Betrieb befindlichen LPAR von einem physischen auf einen anderen Server führt laut IBM zu einer Unterbrechung von lediglich zwei Sekunden - und dürfte Anwendern wohl kaum auffallen.

Nahezu verzögerungsfrei

Andere Hersteller, die Virtualisierungstechniken auf Basis von Software anbieten wie etwa VMware, reklamieren einen ähnlich verzögerungsfreien Wechsel einer Partition auf ein anderes System. Illuminata-Mann Haff äußert hier allerdings Zweifel. Die Systemunterbrechung hänge sehr stark von der jeweiligen Arbeitslast ab. Der Wechsel einer Partition auf einen anderen Server könne beispielsweise dann problematisch werden, wenn in diesem Moment zahlreiche Schreibzugriffe auf dem Arbeitsspeicher stattfinden.

Power VM wird in drei Editionen angeboten: Express, Standard und Enterprise. Mit der Express-Variante können Anwender kostenfrei IBMs Virtualisierungsofferte ausprobieren. Allerdings ist diese Schnupperversion von Power VM auf drei LPARs beschränkt. Mit der Standard-Edition lassen sich alle maximal möglichen zehn LPARs pro Rechenkern für Virtualisierungszwecke nutzen. Außerdem stehen in dieser Variante auch Funktionen wie etwa Multiple Shared Processor Pools zur Verfügung. In die Enterprise-Edition hat die IBM schließlich auch das Live-Partition-Mobility-Feature aufgenommen.

Die Power-6-Architektur

Die Power-6-Architektur steigert im Vergleich zu den Vorgängerprozessoren "Power PC" und "Power 5+" die Rechenleistung erheblich. Das hängt zum einen mit der industrieweit momentan höchsten Taktrate von bis zu 5 Gigahertz zusammen. Zum anderen spielt hier die Implementierung von symmetrischen Multithreading-Techniken eine Rolle: So stellt sich jeder der zwei Rechenkerne beispielsweise eines Dual-Core-Power-6-Chips dem Betriebssystem wie zwei logische CPUs dar.

Für die Power-6-Architektur sind weitere technische Aspekte von Bedeutung: So nutzt sie etwa auch die in den Power-PC-Prozessoren verwendeten Altivec-Vektorinstruktionen (VMX). Diese beschleunigen die Fließkommaberechnungen - ein Argument, das insbesondere für HPC-Maschinen ausschlaggebend ist.

IBM nutzt in den Power-6-Architekturen zudem eine Execution Unit, die Dezimal-Fließkomma-Berechnungen beschleunigt. Diese Fähigkeit wiederum ist vor allem für Anwender aus dem Finanzsektor wichtig. Um ihre Kalkulationen sehr präzise, also etwa ohne Rundungsfehler hinter dem Komma, erledigen zu können, nutzen sie das BinaryCoded-Decimal-Format (BCD).

Eine Erbschaft aus IBMs Mainframe-Geschichte ist ein anderes sehr wesentliches Feature der Power-6-Architektur: Die Befähigung nämlich, im Fall eines gravierenden Fehlers - etwa dem Ausfall eines Prozessors - dessen Berechnungen von einer anderen CPU übernehmen zu lassen. IBM nennt dieses Feature Processor Recovery. Mit ihm ist ein Zuverlässigkeits- und Ausfallsicherheitsmechanismus in die Power-6-CPUs eingebaut

.

Ein äußerst wichtiges Argument besnders für größere Power-Systems-Server ist ferner, wie die einzelnen Rechenkerne miteinander im Verbund kommunizieren. Wie schon bei der Power-5-Architektur hat IBM auch auf den Power-6-Prozessoren Speicher-Controller integriert. Sie sorgen dafür, dass Speicherzugriffe sehr schnell vonstatten gehen. Advanced Micro Devices (AMD) hat dieses Feature in seinen "Opteron"-CPUs ebenfalls verwirklicht. Konkurrent Intel verfolgt dieses Konzept mit seiner "Quickpath-Interconnect"-Technik.