Jüngste Quartalszahlen der IT-Industrie ergeben kein klares Bild

IBMs Ergebnis sagt wenig über den IT-Markt

26.04.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Signale, die von der IT-Industrie derzeit ausgehen, sind unverändert diffus. Jedenfalls bieten auch die jüngsten Quartalsergebnisse wichtiger Anbieter keinen Anlass, schon von einer nachhaltigen Erholung zu sprechen.

Einiges spricht dafür, dass die Branchenkrise in der IT nun auch Marktführer IBM erreicht hat. Andererseits scheinen einige der Probleme von Big Blue eher hausgemacht zu sein. Als weitgehend gesichert dürfte deshalb gelten, dass die aktuelle Performance der Armonker nur bedingt Aussagekraft für die weitere Konjunkturentwickung hat.

Mit diesen drei Aussagen lässt sich am besten die Reaktion unter Branchen- und Finanzanalysten zusammenfassen, die in der vergangenen Woche IBMs Zahlen für das erste Quartal relativ unbeeindruckt zur Kenntnis nahmen. Mit einem Umsatz von 18,55 (Vorjahr: 21,04) Milliarden Dollar und einem Nettogewinn von 1,19 (1,75) Milliarden Dollar gelang den Armonkern eine Punktlandung - gemessen an der Anfang April abgegebenen Umsatz- und Gewinnwarnung. Die Tatsache, dass Big Blue damit den größten Gewinneinbruch seit 1993 hinnehmen musste, schien fast keine Rolle mehr zu spielen. Nach dem "Schock" der vorherigen Gewinnwarnung gab es keine neuerliche Panik am New Yorker Börsenparkett. Die Wallstreet quittierte den verhalten optimistischen Ausblick von CEO Sam Palmisano sogar mit einem leichten Kursanstieg der IBM-Aktie. Das wirtschaftliche Klima sei in den vergangenen Monaten hart gewesen, hatte Palmisano erklärt. Er gehe aber davon aus, dass die Kunden weiter auf IBM vertrauen. Zwar könne niemand den Zeitpunkt einer spürbaren Erholung vorhersagen, aber man bleibe "zuversichtlich, dass das Geschäftsumfeld sich im laufenden Jahr verbessern wird".

Beobachter werteten dieses Vorgehen des IBM-Chefs als geschickte Taktik, der mit der Gewinnwarnung bereits im Vorfeld der Bekanntgabe der Quartalsergebnisse reinen Tisch gemacht hatte. Um so mehr lohnt sich noch ein etwas genauerer Blick auf das Zahlenwerk. Denn der für IBM-Verhältnisse in der Tat außergewöhnliche Gewinnrückgang um mehr als 30 Prozent liest sich in Details noch dramatischer: Ein im Vorjahresvergleich 25-prozentiger Umsatzeinbruch im Hardwaregeschäft von 8,55 auf 6,41 Milliarden Dollar spricht Bände - auch die weitgehend gleichmäßige Verteilung des Rückgangs auf so gut wie alleProduktlinien, angefangen von den "Z-Series"-Mainframes über die Midrange-Server "P-Series" und "I-Series" bis hin zum Speicher- und PC-Geschäft. Einmal mehr so scheint es, hat die "Hardware-Company" IBM die Vergangenheit eingeholt, schließlich steht diese Business Unit immer noch für ein Drittel des Gesamtumsatzes.

Global Services - neue Baustelle?Gerstner-Nachfolger Palmisano dürfte also in den kommenden Monaten einigen Handlungsbedarf haben - nicht zuletzt deshalb, weil das bis vor kurzem noch als Hoffnungsträger gehandelte Dienstleistungs- und Beratungsgeschäft in der jüngsten Berichtsperiode einen neuerlichen Dämpfer erhielt. Nachdem bei den Global Services schon im vierten Quartal ein rund einprozentiger Umsatzrückgang zu verzeichnen war, gingen dort nun die Einnahmen im Vorjahresvergleich um weitere 2,9 Prozent von 8,47 auf 8,23 Milliarden Dollar zurück. Außer Outsourcing-Projekten laufe derzeit nicht viel, so Insider. Vor allem bei der Vergabe von Beratungsaufträgen winken die Kunden derzeit dankend ab. Palmisano gab zwar bekannt, dass im ersten Quartal neue Serviceverträge mit einem Auftragsvolumen von über 15 Milliarden Dollar abgeschlossen wurden, doch handelt es sich hier vor allem um Outsourcing-Abkommen von langfristiger Dauer.

Vor größeren Umbauarbeiten steht derweil IBMs Hardwaresparte. Die kürzlich beschlossene Auslagerung der PC-Produktion an den Auftrags-Hersteller Sanmina-SCI und das nun bekanntgegebene Joint Venture im defizitären Festplattengeschäft mit Hitachi dürften nur erste Schritte gewesen sein; weitere Maßnahmen, etwa die Auslagerung der Notebook-Produktion, werden möglicherweise folgen.

Vor diesem Hintergrund ist der optimistische Ausblick Palmisanos auf das laufende Jahr in seiner Bedeutung als Konjunkturbarometer fragwürdig. Denn die breite Aufstellung der Armonker, die bislang gemeinhin als strategische Stärke galt, könnte sich nun als Nachteil erweisen. Während spezialisierte Unternehmen etwa im Software- und Halbleitergeschäft allmählich wieder Fahrt aufnehmen, schleppt Big Blue den Ballast sanierungsbedürftiger Geschäftsbereiche mit sich herum, heißt es.

Compaq traut der Erholung noch nichtTröstlich für den neuen IBM-Chef ist jedoch, dass die Wettbewerber auch ihre Probleme haben. Denn die Vielzahl der in den beiden vergangenen Wochen vorgelegten Quartalszahlen dokumentiert nur eines: die Unsicherheit in nahezu allen Segmenten der IT-Branche über die weitere konjunkturelle Entwicklung hält an. Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise auch die jüngste Bilanz von Compaq. Der Umsatz der Texaner fiel im ersten Quartal 2002 gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres - gemessen an den Prognosen erwartungsgemäß - um rund 16 Prozent von 9,18 auf 7,73 Milliarden Dollar. Gleichzeitig verbuchte der PC- und Server-Spezialist aber auf der Ergebnisseite erneut Fortschritte: Nach einem Verlust von 131 Millionen Dollar im Vorjahr steht nun wieder ein Nettoprofit von immerhin 44 Millionen Dollar in den Büchern. Auch die Interpretation des Compaq-Managements war im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Branche nur bedingt aussagekräftig. Im Gegensatz zu Palmisano machte Compaq-Chef Michael Capellas keinen Hehl daraus, dass man sich "weiterhin in einem schwierigen Umfeld" befinde. Trotzdem konnte man neue Kunden gewinnen und "in Schlüsselmärkten zulegen".

Intel - Signal für die ersehnte Trendwende?Während IBM und Compaq mit ihren Ergebnissen kaum Rückschlüsse auf eine Wiederbelebung der IT-Konjunktur zulassen, sprechen die jüngsten Resultate der Halbleiterindustrie für eine Trendwende. Anlass zu dieser Hoffnung gaben vergangene Woche zumindest die Zahlen von Intel. So gelang es dem Chip-Weltmarktführer erstmals seit fünf Quartalen wieder, den Umsatz im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode zu steigern. Mit 6,78 Milliarden Dollar lagen die Einnahmen von Intel um zwei Prozent über denen des ersten Quartals 2001 - und trafen damit punktgenau die Erwartungen der Analysten, was auch für das Vorsteuerergebnis von 1,02 Milliarden Dollar gilt. Bedeutender als die erfüllten Prognosen war jedoch der Ausblick: So rechnet Intel für sein traditionell schwaches zweites Quartal mit Einnahmen, die sich in etwa am ersten Quartal orientieren. (gh)

IT-Branche: IBM und die Hardwarefraktion bilanzieren

1. Quartal 2002 / 1. Quartal 2001

Umsatz / Gewinn/Verlust / Umsatz / Gewinn/Verlust

IBM / 18,55 / 1,190 / 21,04 / 1,750

Compaq / 7,73 / 0,044 / 9,18 / - 0,131

Gateway / 0,99 / - 0,123 / 2,03 / - 0,131

Apple (zweites Quartal) / 1,49 / 0,040 / 1,43 / 0,040

Intel / 6,78 / 1,020 / 6,70 / 1,100

AMD / 0,90 / - 0,009 / 1,19 / 0,124

EMC / 1,30 / - 0,077 / 2,34 / 0,399

Angaben in Milliarden Dollar Quelle: Firmenangaben