IBM zieht Bilanz bei der DV-Ausbildung:Vom traditionellen "Frontalunterricht" zur "Teachware" im Medienverbund

04.02.1977

ESSEN - Superlative a la IBM - diesmal aus dem Ausbildungsbereich: 142 Dozenten, 2500 Lehrgänge, 75 000 Teilnehmer, 530 Lehrgangsarten, 1500 Studienplätze sowie 30 Übungsdatenstationen für den Lerndialog: Die zur Dozentenjahrestagung in Essen vorgelegte IBM-Ausbildungsbilanz 1976 kann sieh sehen lassen. Und angesichts dieser Zahlen dürften auch viele private und staatliche DV-Ausbildungsinstitute (bis hin zu den Fachhochschulen) vor Neid erblassen. Dabei bildet die reine DV-Education nur einen Teil der IBM-Schulungsaktivitäten: So arbeiten neben den vier Ausbildungszentren in Essen (Schwerpunkt Betriebssysteme), Berlin (neue Methoden der Programmierung), Stuttgart (DB, DC und DFV) und München (Programmiersprachen) eigene Schulungsabteilungen für die Bereiche Entwicklung und Forschung, Produktion, technischer Außendienst, Basisdatenverarbeitung und Textverarbeitung. Außerdem gibt es noch branchenspezialisierte Ausbildungseinrichtungen in Hamburg (Handel und Dienstleistungen), Düsseldorf (Grundstoffindustrie), Bonn (Wissenschaft und Verwaltung), Frankfurt (Kreditinstitute und Versicherungen) und München (Fertigungsindustrie).

Wandel in der DV-Wandel in der Ausbildung

Der Wandel der DV zur Dienstleistungsabteilung, die allen Abteilungen des Unternehmens Methoden und Techniken anbietet, spiegelt sieh auch in den Zielen der Ausbildung wider. Denn in den EDV-Gründerjahren galt als Ausbildungsziel: Grundwissen und Bedienungsfertigkeit für den Rechnereinsatz zu vermitteln. Heute wird nicht nur das Programmieren gelehrt, sondern auch seine Planung und Organisation: Ziel der Programmierausbildung ist nicht nur die Fähigkeit möglichst fehlerfreie Programme zu schreiben, sondern dies rationell, überprüfbar, überschaubar und mit exakter Kalkulation der erforderlichen Mittel zu tun. IBM glaubt einen bedeutenden Anstoß in der sieh gegenwärtig vollziehenden Wandlung gegeben zu haben. So wurden im Ausbildungszentrum Berlin in jüngster Zeit etwa 1000 Kundenmitarbeiter (aus 300 Unternehmen) mit den aktuellsten Methoden und Organisationsformen der Programmierung vertraut gemacht (z. B. strukturierte Programmierung, HiPO, Dokumentation und Programmierbibliotheken, Organisation und Programmierprojektteams etc.).

Lehr- und Trainingspakete für integrierte DV-Lösungen

Die jüngste Entwicklung der DV, die den "Endbenutzer" in unmittelbaren Kontakt zum integrierten DV-System bringt, setzt voraus, daß die DV-Spezialisten auf ihre Beratungs-, Service- und kooperative Führungsrolle in diesem Prozeß vorbereitet sind. Solche Aufgaben ergeben sieh, wenn eine Bank ein aus zentralen DV-Anlagen, dezentralen Rechnern und einem Netz von Datenstationen an den Bankschaltern bestehendes "flächendeckendes System" einführt. Für solche Fälle haben IBM-Ausbildungszentren sogenannte "Unterrichts- und Ausbildungspakete" für betroffene Gruppen und Funktionsstellen entwickelt, mit denen parallel zur organisatorischen und technischen Einführung der neuen Systeme geprobt und vorbereitet wird.

"Investition in die Zukunft"

IBM läßt sieh die DV-Ausbildung eine Stange Geld kosten: Da nur ein Drittel der gesamten von Kunden kommenden Lehrgangsteilnehmer 1976 ihren Kurs bezahlt hat (ca. 1500 Mark pro Kurs), wie der Leiter des IBM-Bereichs Ausbildung Hans Kraus versicherte, bedeutet das, "daß IBM sehr viel im Ausbildungsbereich zuschießen muß" und die Subventionen über Hardwarepreise wieder hereinholt. Der vom IBM-Pressesprecher Gläss recht "blumig" charakterisierte Stellenwert der DV-Ausbildung bei IBM ("Schlüsselaufgabe des weiteren Fortschrittes", "Investition in die Zukunft" oder "Charakteristikum der neuen, zukunftsorientierten Arbeitswelt") wird von seinen Kollegen denn auch trockener eingeordnet. Für Dozent H. Lohse ist die IBM-Ausbildung schlicht eine "reine Marketingmaßnahme".