Renaissance des Betriebssystems mit Java?

IBM will Phoenix OS/2 aus der Asche steigen lassen

04.07.1997

"OS/2 wird das erste Intel-basierte Betriebssystem mit einer kompletten Java-Virtual-Machine", erklärt Donn Atkins, Vice- President of Marketing bei IBMs Personal Software Products (PSP). Damit scheint Big Blue alles auf die Karte Network Computing zu setzen und die Schlacht um den Desktop endgültig verloren zu geben.

Konkret konzentriert die IBM ihr Augenmerk mit Bluebird auf Benutzer Intel-basierter OS/2-Topologien, die ihre Systemumgebung auf das Internet oder firmeninterne Intranets umrüsten möchten: "Es war für uns einfach wichtig, unseren Kunden klarzumachen, daß die bereits existierenden OS/2-Investitionen auch weiterhin eine Existenzberechtigung besitzen", beruhigte Atkins etwaige Zweifler.

Bluebird unterstützt native OS/2-Programme sowie Windows 3.x- und DOS-Anwendungen. Ein Host-Zugriff erfolgt mit Hilfe von 3270- und 5250-Emulationen. Für den Ablauf von Windows-NT- oder Windows-95-Applikationen ist darüber hinaus eine Einbindung des Citrix-Winframe-Servers vorgesehen.

Immerhin 50 Bluebird-Pioniere zählt die IBM Atkins zufolge bereits. Äußerungen von Kritikern, die das Bluebird-Konzept als Rückschritt in eine bereits bekannte, zentrale DV-Umgebung ê la Mainframe unter 3270-Protokoll verstanden, widersprach der Marketing-Mann vehement: Das Networking Computing mit Bluebird werde "das Beste beider Welten verschmelzen". Es gehe nicht darum, Endanwendern die Kreativität oder die anarchische Funktionsvielfalt eines dezentralen Desktops zu nehmen. Vielmehr seien reduzierte Kosten im Support- und Administrationsbereich bei der Anschaffung neuer Hard- beziehungsweise Software primäres Ziel. Damit stemmt sich die IBM gegen eine ähnliche Strategie Microsofts, die "Zero Administration Initiative".

Bluebird-Details

OS/2 Warp Bluebird besteht aus einer Client-Umgebung und einem Satz von Server-Tools. Dabei handelt es sich um 100prozentige Java-Komponenten. Die integrierte Remote-Initial-Program-Load-(RIPL-)Technologie ermöglicht den Zugriff auf Anwendungen, die auf dem Server residieren sowie das Hochfahren der einzelnen Front-ends. Das Client-Betriebssystem läuft auf "normalen" PCs sowie auf Network Computern "Netstations" von IBM. Herkömmliche Intel-basierte Rechner benötigen dabei nicht zwingend eine Festplatte. Harddisks lassen sich für die Auslagerung von temporären Daten nutzen. Die Administration erfolgt vom Server aus.