Großrechner und Peripherie sind jetzt mit hohen Abschlägen zu haben

IBM will mit Billig-Angeboten Mainframe-Misere überdecken

10.08.1990

FRAMINGHAM/MÜNCHEN (CW/jm) - Nicht nur den PCMern bläst der Wind ins Gesicht, auch der Krösus Big Blue hat zu kämpfen. Jetzt zieht man in Armonk Konsequenzen: Der billige Jakob scheint die neue Trumpfkarte im Kampf gegen die Mitbewerber zu sein.

"Die IBM geht ihren Krieg gegen uns zunehmend aggressiver an. Sie zieht es mittlerweile vor, kleine Gewinnmargen einzustreichen, bevor sie überhaupt kein Geschäft mehr macht", kommentierte Emmanuel Dewitt, Produkt-Marketing Manager von Amdahl in Frankreich, IBMs Dumping-Politik.

Großkunden werden das mit Freude hören: Nach Meinung von Chris Peacock, einem Analysten der IDC Financial Services in London, können diese bis zu 45 Prozent Preisnachlässe auf Listenpreise aushandeln. "Da es unter den konkurrierenden Produkten selbst keine großen Unterschiede gibt, muß die IBM sich zumindest vom Preisgefüge her von den Mitbewerbern absetzen", zählt Peacock die Hauptargumente für die Kulanz der Armonker auf.

Auch Geoff Sewell, Generaldirektor der European Computer Leasing and Trading Association, London, sieht eine Periode der großen Feilschereien am Mainframe-Markt heraufkommen.

Nutznießer könnten vor allem Broker und Leasingunternehmen sein. Sollten nämlich die Preise für Großrechner in Europa gründlich genug absacken, könnte sich nach Sewell ein transatlantischer, grauer Markt entwickeln: "Dann werden die europäischen Angebotsmärkte abgegrast und die günstig erstandenen Maschinen in die USA verkauft."

Alfred Simmet, Leiter des Geschäftsbereichs Vertriebsunterstützung bei Hitachi Data Systems (HDS), ist anscheinend nicht besonders beunruhigt ob der preistreiberischen Aktivitäten der IBM: "Solche Discounts sind mir nicht neu. Von unseren Großkunden ist mir bekannt, daß im Plattenbereich bis 34 und bei CPUs bis zu 30 Prozent Rabatte gewährt werden." Nach Liste, winkt er ab, verkaufe doch schon seit zwei Jahren niemand mehr.

IBM würde die für Anwender lukrativen Preisnachlässe im übrigen nur bei Neugeräten, nicht aber für Upgrades gewähren.

Im Gegensatz dazu böte HDS vor allem auch mit seinen Mitte Juni 1990 vorgestellten neuen EX-Mainframes einen lückenlosen Migrationspfad, der auch einen zukünftigen steigenden Rechenleistungs-Bedarf des Anwenders absichere.

Die nun bekannt gewordenen Preisnachlässe der IBM bestätigen Branchenkenner wie Marc Butlein, Präsident der Meta Group Inc. in Westport, Connecticut. Er hatte bereits Anfang Mai 1990 Anwender darauf aufmerksam gemacht, daß Big Blue zum Ende des Jahres beginnen werde, seine technisch überholten 3090-Rechner günstig an den Mann zu bringen (vgl. CW Nr. 18 vom 4. Mai 1990, S. 1: "IBMs Summit-Großrechner...").

Problematisch für die IBM ist nach Butlein, daß sie sich nicht nur mit einer allgemeinen Marktflaute konfrontiert sieht. Vielmehr brächten die Armonker sich selbst immer wieder in Verlegenheit wegen Problemen bei der Entwicklung. So kämen teilweise unausgereifte, mangelhafte Produkte auf den Markt. Vor allem aber würde sich die Vorstellung des neuen Summit-Mainframes immer wieder verzögern, weil Big Blue technische Schwierigkeiten einfach nicht in den Griff bekäme.

Die Billig-Angebote scheinen allerdings auf eine kurz bevorstehende Ankündigung der IBM im Mainframe-Bereich hinzudeuten. HDS-Manager Simmet gibt sich auch hier selbstbewußt: "Die IBM ist nicht bereit, die Summit zu bringen. Unser Mainframe ist einfach zu einem für die IBM ungünstigen Zeitpunkt, nämlich zu früh, angekündigt worden. Damit haben wir Big Blue in Schwierigkeiten gebracht." Angekündigt werde wohl lediglich eine überteuerte "Foothill'-Maschine, die später auf eine Summit hochgerüstet werden könne, wirklich Neues sei aber von der IBM nicht zu erwarten.