Produktportfolio auf das untere Marktsegment abgestimmt

IBM will Microsoft im Mittelstand attackieren

04.07.2003
MÜNCHEN (CW) - Im Kampf um das lukrative Marktsegment kleiner und mittelgroßer Unternehmen verschärft IBM die Gangart. Mit drastischen Preissenkungen, Bundling-Angeboten und attraktiven Finanzierungsmodellen will Big Blue vor allem dem Erzrivalen Microsoft zu Leibe rücken.

"Wir betrachten Microsoft immer mehr als bedeutenden Konkurrenten im Markt", erklärte Mark Lautenbach, Chef der IBM-Sparte Small and Medium Business (SMB), vergangene Woche in New York. Ungewöhnlich aggressiv und in bislang nicht gekannter Deutlichkeit legte der Manager dar, wie Big Blue dem Widersacher aus Redmond Kunden abjagen will.

War es bisher Strategie, die eigenen Produkte etwa auf gleichem Preisniveau wie die Konkurrenz anzubieten, will man nun insbesondere die Gates-Company deutlich unterbieten. Schlüsselprodukte wie "Websphere Commerce Express" oder "DB2 Express" sollen künftig bis zu 25 Prozent weniger kosten als vergleichbare Systeme des Mitbewerbers.

Ein Blick auf die Geschäftszahlen belegt die Bedeutung des SMB-Segments für IBM. Mit rund 4,3 Milliarden Dollar steuerte die von Lautenbach geführte Sparte im ersten Quartal etwa 22 Prozent zum Konzernumsatz bei. Hinter dem Sektor Financial Services stellt SMB damit das zweitgrößte Kundensegment noch vor der öffentlichen Hand.

Den Kern der jüngsten Ankündigung bildet die Produktfamilie "Express", die IBM erstmals im Herbst letzten Jahres vorgestellt und nun deutlich ausgebaut hat. Neben verschiedenen Paketen aus Hardware, Software und Services wirbt der Hersteller mit speziellen Finanzierungsprogrammen, die Kunden beispielsweise über IBMs Business-Partner in Anspruch nehmen können.

Der Namenszusatz Express solle verdeutlichen, dass die Softwareprodukte bestimmte Vorgaben hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Format und Preis erfüllen, argumentieren die Marketing-Strategen. IBM hat dazu ein eigenes Zertifizierungsprogramm gestartet. Zu den wichtigsten Programmen gehört "Websphere Commerce Express", mit dessen Hilfe mittelständische Unternehmen E-Commerce-Websites schneller und einfacher erstellen und verwalten könnten. Ein Online-Shop lasse sich in weniger als einer Stunde einrichten.

Ebenfalls aus der Websphere-Familie stammt "Websphere MQ Express", eine Middleware, die den Aufwand für die Integration unterschiedlicher Applikationen verringern soll. Unter dem sperrigen Begriff "Integrated Platform Express for Employee Workplace" offeriert IBM ein Paket aus Intel-basierenden "X-Series"-Servern und der Software "Websphere Portal Express". Die Linux-basierende Lösung sei auf die Bedürfnisse von Unternehmen mit 100 bis 250 Mitarbeitern zugeschnitten und erlaube den Zugriff auf unterschiedliche Datenbestände über ein einfach einzurichtendes Portal. Kosten sparen könnten Kunden zudem mit günstigen Notebook- und Desktop-Modellen, die die Personal Computing Division ebenfalls als Bestandteil des Express-Portfolios über Fachhändler vermarkten wird.

Dienstleistungen für kleine und mittlere Firmen

Um die mittelständische Klientel umfassend zu bedienen, holt Big Blue auch seinen Dienstleistungsarm ins Boot. Dessen "Global Services Express Portfolio" umfasst unter anderem Hosting- und Implementierungsdienste, die IBM gemeinsam mit Softwarepartnern wie J.D. Edwards oder SAP zu vorher festgelegten Preisen feilbieten will.

Eine flankierende Werbekampagne lässt sich der Konzern rund 200 Millionen Dollar kosten, seit dem Jahr 2001 habe man 500 Millionen Dollar in den SMB-Markt investiert, so Lautenbach. Inwieweit sich das verstärkte Engagement auszahlen wird, ist aus heutiger Sicht schwer zu prognostizieren. Mit den Übernahmen von Great Plains Software und der dänischen Navision verfügt Microsoft über ein breites Portfolio an speziell für den Mittelstand konzipierten Anwendungen. Hinzu kommt die hohe installierte Basis an Windows und zugehörigen Server-Produkten wie der Datenbank SQL Server gerade im Mittelstand. IBM hingegen kämpft mit dem Image eines vor allem auf Großkunden ausgerichteten Anbieters. Softwareprodukte aus dem Enterprise-Segment habe der Konzern bislang nur halbherzig auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen zugeschnitten, monieren Kritiker.

Schon mehrmals hat IBM im Softwaregeschäft gegen Microsoft den Kürzeren gezogen. Der Versuch, das Betriebssystem OS/2 als Windows-Konkurrenz zu etablieren, scheiterte ebenso wie die Bemühungen im Markt für Office-Anwendungen. Dennoch gibt es auch jenseits der Preisgestaltung Argumente für den Herausforderer. So könnten sich einige unabhängige Softwarehäuser (ISVs) auf die Seite des blauen Riesen schlagen, um keine Kunden an Microsoft zu verlieren. Denn seit dem Einstieg in den Markt für betriebswirtschaftliche Software ist die Gates-Company vielerorts vom Business-Partner zum knallharten Konkurrenten mutiert. (wh)