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IBM will Markt für maschinelle Übersetzung erobern

08.01.2001
Im kommenden März bringt Big Blue seinen "Websphere Translation Server" auf den Markt. Das Produkt soll Web-Sites, Chat und E-Mail in Echtzeit in eine Vielzahl von Sprachen übersetzen können.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBM kündigt heute eine Übersetzungs-Software an, die E-Commerce und Unternehmenskommunikation von Sprachbarrieren befreien soll. Big Blue drängt damit in den Noch-Nischenmarkt für maschinelle Übersetzung, den gegenwärtig drei kleinere Anbieter dominieren - die angeschlagene belgische Softwarecompany Lernout & Hauspie und deren Konkurrenten Systran SA (Frankreich) sowie Transparent Language Inc. (USA).

Der "Websphere Translation Server" soll im kommenden März auf den Markt kommen. Er beherrscht laut Hersteller die bidirektionale Übersetzung zwischen Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch sowie Italienisch und kann darüber hinaus Einweg-Übersetzungen aus dem Englischen ins Chinesische (vereinfacht und traditionell), Japanische und Koreanische vornehmen. Die Software läuft unter dem hauseigenen Unix AIX, Suns Solaris und Windows NT. Das Open-Source-Unix Linux wird bedingt unterstützt, sprich: Nicht alle Features sind unter Linux verfügbar. Außerdem soll die Software auch in die Domino/Sametime-Produktlinie von Lotus integriert werden. Der Preis liegt bei 10.000 Dollar pro Sprachpaar und Prozessor. Zu den ersten Kunden gehört laut "Computergram" die Deutsche Bank.

Der Websphere Translation Server ist laut IBM in der Lage, Web-Sites, E-Mail-Botschaften und Chats/Instant Messages mit bis zu 500 Wörtern pro Sekunde in Echtzeit in die unterstützten Sprachen zu übersetzen. Unternehmen würden so in die Lage versetzt, ohne speziell angepasste Web-Seiten und zusätzliche Infrastruktur ihre Inhalte global anzubieten. "Die mehrsprachige Übersetzung stellt Web-Inhalte einem deutlich größeren Publikum zur Verfügung", verspricht Ozzie Osborne, General Manager Voice Systems.

Technisch betrachtet "versteht" das System die grammatischen Grundstrukturen der einzelnen Sprachen und übersetzt nicht nur einzelne Wörter. Inhalte werden zunächst auf Satzlänge heruntergebrochen und dann inklusive semantischer und didaktischer Analyse grammatisch untersucht, erläutert Brian Garr, Program Manager Advanced Technologies: "Wir untersuchen jedes Wort daraufhin, wie es benutzt und flektiert wird - mit maschineller Übersetzung haben wir 15 Jahre Erfahrung."

IBM wolle sich damit einen großen Marktanteil erobern, erklärte Garr, ohne allerdings konkrete Umsatzerwartungen zu nennen. "Wir wollen hier in kürzester Zeit Marktführer werden", hofft der IBM-Mann. Steve McClure, Vice President of Speech and Natural Language Software bei der International Data Corp. (IDC), billigt IBM hier durchaus gute Chancen zu: "Zurzeit besteht der Markt für Maschinenübersetzung nur aus kleinen, segmentierten Anbietern - ein klarer Marktführer ist nicht erkennbar. IBMs Einstieg stellt einen Wendepunkt dar und wird diesen Bereich deutlich aufwerten und wachsen lassen." IDC rechne für das Jahr 2003 mit einem Umsatzvolumen von 378 Millionen Dollar, so McClure weiter.

Trotz allen technischen Fortschritts stößt natürlich auch IBMs neues Produkt irgendwo an seine Grenzen. Auf die Frage nach der Genauigkeit der erzielten Resultate erklärt IBM-Manager Garr, maschinelle Übersetzungen zielten vornehmlich auf Systeme, von denen bislang keine Übersetzungen existierten, und sollten nicht etwa menschliche Übersetzer ersetzen. Eine maschinelle Übertragung könne zweifellos akkurat sein. Schon ein verpasstes Wort habe aber - je nach Einsatz der Technologie - gravierende Folgen: "Dies ist eine großartige Technik für Unternehmens-Websites - für Gehirnchirurgie ist sie allerdings weniger geeignet. Was ein professioneller Übersetzer liefert, ist Kunst - wir machen Mathematik."