IBM will in Europa massiv entlassen

10.05.2005
Der Konzern plant, weltweit bis zu 13 000 Stellen zu streichen.

Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi könnten allein in Deutschland in den kommenden Jahren bis zu 2500 Mitarbeiter entlassen werden. Der für die Arbeitnehmervertretung im IBM-Aufsichtsrat sitzende Rolf Schmid sagte gegenüber der computerwoche: "Wir befürchten, dass in den kommenden Jahren 2500 IBM-Arbeitsplätze in Deutschland von Auslagerungen betroffen sein könnten." Das wären zehn Prozent aller hiesigen Arbeitsplätze.

Schmid führte verschiedene Ansatzpunkte für seine Befürchtung ins Feld: So habe Big Blue in Schweinfurt und Hannover solche Arbeitsplätze abgebaut, die sich gut für Auslagerungsstrategien eignen. Hinzu komme, dass sich die Konzernverantwortlichen im US-Hauptquartier über Europa, und zwar vor allem über effizientere Buchhaltungs-, Verwaltungs- und Service-Delivery-Tätigkeiten, also die technische Betreuung von Hardware, Gedanken machten.

Wachstum in Osteuropa

Überdies habe man in den USA klare Vorstellungen von den Wachstumspotenzialen in Osteuropa und den dortigen Arbeitslöhnen. Wenn man schließlich bedenke, wie durch technische Möglichkeiten, die IBM ja sogar selbst bereitstelle, Restrukturierungs- und Optimierungspotenziale geschaffen werden können, "dann mache ich mir im Rückschluss auf all diese Überlegungen, zu denen auch Renditeerwartungen des US-Headquarters gehören, große Sorgen".

Schmid betonte, dass in Aufsichtsratssitzungen der IBM, denen er als Vertreter der Gewerkschaft beiwohnt, nicht über die Personalplanungen der kommenden Jahre geredet worden sei: "Das macht doch kein börsennotiertes Unternehmen. Da wird über die Vergangenheit gesprochen und ansonsten über das laufende Quartal." Schmid trat damit Vermutungen entgegen, im Aufsichtsrat seien völlig andere Personalmaßnahmen mit sehr viel weniger Entlassungen beredet worden.

Der Gewerkschafter unterstrich, dass die von Verdi befürchteten 2500 Entlassungen nicht in diesem Jahr in Angriff genommen würden. 2005 werde es 620 Arbeitsplatzverluste in Schweinfurt und Hannover geben. Hinzukommen sollen allerdings, so Schmid, deutschlandweit weitere 600 Stellenstreichungen. IBM werde Abfindungsangebote unterbreiten, um Mitarbeiter zu bewegen, freiwillig den Konzern zu verlassen. Insgesamt will sich Big Blue hierzulande also definitiv von rund 1200 Mitarbeitern trennen. Das sind fünf Prozent der Belegschaft.

Das Unternehmen selbst bestätigte die Verdi-Angaben nicht. IBM-Sprecher Peter Gerdemann sagte nur, man breche die kolportierten 13 000 möglichen Entlassungen weltweit nicht auf Länderebene herunter.

IBMs oberster Finanzchef Mark Loughridge äußerte sich zudem in einer Telefonkonferenz mit Analysten zum weltweiten Personalabbau von Big Blue. Bis zu 13 000 Mitarbeiter sollen gehen. 60 bis 70 Prozent hiervon werden allein in Europa ihren Arbeitsplatz verlieren. Neben dieser Restrukturierung soll es zudem auf dem alten Kontinent eine Veränderung der Organisationsstruktur geben. Hiervon betroffen ist vor allem das Europa-Hauptquartier in Paris. Ziel sei, so Loughridge, getroffene Entscheidungen schneller umsetzen zu können. Außerdem wolle man so auf Wünsche von Kunden besser reagieren können. Der Erfolg dieser Strategie hänge im Wesentlichen davon ab, ob es gelinge, die Bürokratie und Infrastruktur insbesondere in wachstumsschwachen Regionen zu verringern.

Emea verliert Jobs

Hierzu werde man Teams bilden, die über Ländergrenzen hinweg arbeiten sollen. Auf diese Weise werde die traditionell paneuropäisch ausgelegte Management-Ebene überflüssig.

Fred McNeese, Emea-Sprecher in Paris, wollte keine genauen Angaben zu Personalreduzierungen im europäischen Hauptquartier machen. Er sagte lediglich, weniger als 200 Mitarbeiter würden in Paris ihren Job verlieren. Wie viele Emea-Mitarbeiter IBM in der Zentrale beschäftigt, wollte McNeese nicht bekannt geben. Er bestätigte, dass "ein großer Teil der Emea-Management-Funktionen in die Hubs, und zwar in so genannten Integrated Operating Teams, nach Madrid und Zürich, aber auch in die Landesorganisationen und in Kompetenzzentren verlagert" werden. Zukünftig würden beispielsweise Entscheidungen über Preise oder Marketing-Strategien nicht mehr in Paris getroffen: "Wir brauchen dieses alte Kontroll-Management nicht mehr", argumentierte der Firmensprecher. (jm)