IBM-Vertrieb ohne Unterleib

23.08.1985

Der Bundesverband der Bürowirtschaft (BBW), Interessenhüter auch des Computer-Fachhandels, wünscht sich eine IBM, die wieder nett ist zu ihren Vertragspartnern (Seite 6): Die IBM-eigenen Computershops, so die Händlerlobby, würden dem bürowirtschaftlichen Fachhandel neuerdings "gnadenlos" Konkurrenz machen. O-Ton BBW: "Was noch vor zwei Jahren von IBM als preisstabilisierendes Element gepriesen wurde, nämlich der IBM-Computershop, treibt heute eine aggressive Preispolitik, die den Fachhandel das Fürchten lehren kann."

Die Kritik der Verbandsoberen am Marketingkurs des Rechnerriesen dürfte zwar Zuspruch bei den Mitgliedern finden ("Gut gebrüllt, Löwe"), in der Stuttgarter IBM-Zentrale jedoch wenig bewirken. Sie geht nämlich ins Leere: Big Blue will ja lieb sein zu den Fachhändlern, hat aber offensichtlich immer noch Pubertätsprobleme.

Dazu ist relevant, daß sich die eigenen Computershops, als Alternative zum Klinkenputz-Verkauf gedacht, wirtschaftlich als totale Flops erwiesen haben. Branchenkenner behaupten, das Leistungsprinzip sei in den IBM-Läden zu Bürokratie entartet, die seltsame Blüten treibe. Nun wollen die Stuttgarter den Augiasstall ausmisten, halten die Shop-Mitarbeiter zu der vom BBW monierten härteren Gangart an.

Es fehlt offenbar die Feinabstimmung. Die Selbstverpflichtung zur Fairneß gegenüber den Third-Party-Partnern, in den USA eine erklärte Maxime der IBM-Marktpolitik, scheint hierzulande noch nicht zu gelten. Das wird sich ändern. Die Erklärung ist, daß der Mainframe-Monopolist im Low-end-Geschäft die Marketing-Hilfe Dritter braucht.

Tatsächlich hat die IBM eine Größe erreicht, die es ihr aus Kostengründen nicht mehr erlaubt, beispielsweise den PC als Stand-alone-System über die eigene Sales-Schiene zu verkaufen. Auch eine Frage des Verkaufspreises: Die Grenze dürfte derzeit bei 125 000 Mark liegen (Einzelstück nach Liste). Da muß es, etwa im Bereich des Schrägstrichsystems /36, zwangsläufig zu Kollisionen auf den verschiedenen Vertriebswegen kommen (IBM-Direktvertrieb contra Fachhandel).

Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß die IBM auch den Mid-range-Markt über kurz oder lang ganz den sogenannten VARs (Value Added Retailers) überläßt. Ausnahme: Multiple Orders von großen Organisationen. Die 4300 bald im Quelle-Katalog? Aber ja doch, das ist keineswegs übertrieben. Zurück zur BBW-Schelte: Sie liegt daneben, und ist überdies unglaubwürdig. Ernsthaft denken die Händler ja nicht daran, es auch ohne Big Blue zu versuchen. Zitat: Denn eines ist leider wahr, an IBM kann der bürowirtschaftliche Fachhandel nicht vorbei. Das macht eines klar: Das "Leider" lediglich ein Feigenblatt.

Ernst zu nehmen wäre das Lamento doch nur, wenn es auch die Kundensituation berücksichtigte'. Dazu ist festzuhalten, daß insbesondere das Mikro-/PC-Angebot noch vielerlei Wünsche offenlaßt. Die IBM-PC-Offerten machen da keine Ausnahme. Was Leistung ist, wird nun mal allein vom Anwender beurteilt.