Wandel im Antiviren-Geschäft

IBM verhilft Symantec zu Großkunden

18.09.1998

CW: Die IBM überläßt Ihnen ihre Antiviren-Kunden. Lohnt sich das?

Diedrich: Es handelt sich immerhin um 10000 Großkunden, jeder mit mindestens 500 PCs.

CW: Welche Verpflichtungen haben Sie gegenüber den bisherigen IBM-Anwendern übernommen?

Diedrich: Wir liefern weiter monatlich Virendefinitionen und leisten bis mindestens Mitte 1999 technischen Support. Wir wollen den Anwendern Zeit für den Umstieg lassen. Außerdem hat die IBM von uns die Zusicherung, bis Ende des Jahres eine baugleiche OS/2-Version von Norton Virus zu erhalten. Wir werden aber auch die Betriebssysteme "OS/390" und "OS/400" unterstützen.

CW: Das ist für Symantec doch eine völlig neue Klientel...

Diedrich: Nicht ganz. Wir kommen zwar aus dem PC-Umfeld, sind aber seit etwa eineinhalb Jahren dabei, uns in Richtung Großkundengeschäft zu bewegen. Wir haben mehrere tausend Lizenzen unserer Fernsteuerungssoftware "PC-Anywhere" bei Banken und Versicherungen im Einsatz. Wir haben eine eigene Mannschaft für diese Kundengruppe.

CW: Wie war dort die Reaktion auf Ihren Deal mit der IBM?

Diedrich: Anrufe kamen vor allem von ängstlichen OS/2-Kunden. Aber insgesamt war die Reaktion gelassen. Einige Firmen wie die Frankfurter Metallgesellschaft oder die Stuttgarter Landesgirokasse sind bereits auf unser Antivirus-Produkt umgestiegen.

CW: Sie haben auch Techniken gekauft. Hat die IBM denn in Sachen Virenerkennung überhaupt etwas zu bieten?

Diedrich: Was die Virenerkennung betrifft, hätten wir die IBM-Techniken nicht unbedingt gebraucht. Hier sind wir weit besser im Geschäft.

CW: Worum ging es dann?

Diedrich: Um das digitale Immunsystem.

CW: Was bedeutet das?

Diedrich: Es beschreibt einen Mechanismus, mit dem man befallenen Code aus einer Datei isoliert, verpackt und via Web an ein Labor schickt. Dort wird der Code ausgepackt und analysiert. Handelt es sich tatsächlich um einen noch unbekannten Virus, dann wird automatisch binnen Minuten ein Gegenmittel erstellt, an den Kunden geschickt und nachgesehen, ob das Problem noch auf weiteren PCs dort existiert.

CW: Das klingt nach Zukunftsmusik.

Diedrich: Die IBM erprobt das Immunsystem bereits mit einigen Großkunden in den USA.

CW: Wie soll der Umgang mit dieser Technik organisiert werden?

Diedrich: Sie soll im Rahmen des System-Managements eingesetzt werden. Die IBM hat bereits an einer Integration in die TME-Umgebung ihrer Tivoli-Tochter gearbeitet, wir wollen diese Arbeit fortführen. Aber wir haben auch die Möglichkeit, das Immunsystem mit "HP-Openview" oder mit Microsofts "SMS" zu verbinden.

CW: Wann?

Diedrich: Bis wir unsere Strategie klar formulieren können, dauert es sicher noch sechs Monate.

IBM-TECHNIK FÜR SYMANTEC

Symantec hat der IBM für 16 Millionen Dollar Antivirentechniken abgekauft. Konkret besteht die Vereinbarung aus folgenden Bestandteilen:

1. Die IBM vermacht Symantec sechs Patente für Virenerkennung und Benachrichtigung von entsprechenden Vorfällen im Netz. Im Zentrum steht das sogenannte digitale Immunsystem.

2. Die IBM hat Symantec den Zugang zu ihren Vertriebskanälen gegeben inklusive der Adressen der Kunden, die einen entsprechenden Pflegevertrag beziehungsweise ein Antiviren-Abonnement hatten.

3. Einsatz von Symantec-Produkten IBM-intern auf etwa 250000 PCs.

4. Vorinstallation von Norton Antivirus auf den Thinkpad-Notebooks und den Aptiva-PCs der IBM.