Unabhängige Softwarehäuser wechseln zu Big Blue

IBM und Microsoft konkurrieren um Partner

30.07.2004

Zahlreiche unabhängige Softwarehäuser (Independent Software Vendors, kurz ISVs) entwickeln Programme, die auf Microsofts Datenbank "SQL Server" aufsetzen. Doch einige dieser Lösungen stehen in direktem Wettbewerb mit Software aus der ERP-Sparte "Microsoft Business Solutions", deren Programme ebenfalls auf der Microsoft-Datenbank aufsetzen. Von diesem Umstand glaubt die IBM profitieren zu können. Auch Big Blue umwirbt ISVs, die Lösungen auf der Grundlage der Produkte "Websphere", "Lotus Domino" und "DB2" bauen sollen. Gegenüber Microsoft sieht sich der Konzern im Vorteil, da er keine eigenen betriebswirtschaftlichen Lösungen vertreibt. "Partner haben kein Interesse daran, mit Microsoft zu konkurrieren. Sie kehren SQL Server den Rücken oder entschließen sich, zusätzlich mit DB2 zu arbeiten", behauptet Scott Hebner, Vice President of Marketing and Strategy for Developer Relations, gegenüber dem Brancheninformationsdienst "Computerwire" während der "Rational Software Development User Conference" im texanischen Dallas. Die heikle Konstellation habe dazu geführt, dass etwa 300 Softwareprodukte von ISVs, die ursprünglich auf SQL Server liefen, vergangenes Jahr auf das Mittelstandsprodukt "DB2 Express" umgestellt wurden.

Dem IBM-Manager zufolge ist die Entwicklung bei Microsoft seit der Übernahme von Great Plains und Navision vergleichbar mit Oracles Einstieg in das Applikationsgeschäft. Damals hätten sich viele ISVs von der Oracle-Datenbank losgesagt und IBMs DB2 zugewandt, weil sie nicht Partner eines Wettbewerbers sein wollten.

Der ehemalige Microsoft-Manager Brad Silverberg stützt IBMs Vermutungen. "ISV-Partner suchen nach Alternativen zur Windows-Plattform, da sie keine Chance in Märkten sehen, in denen Microsoft aktiv ist." Silverberg hatte 1997 die Gates-Company verlassen und eine Venture-Capital-Gesellschaft gegründet.

Microsoft hat das Problem offenbar erkannt und ist nun bemüht, sowohl Partner als auch ISVs bei der Stange zu halten beziehungsweise neue zu gewinnen. Unlängst hatte der Konzern auf der "Worldwide Partner Conference" in Toronto Software- und Systemhäuser dazu ermuntert, künftig noch mehr Lösungen für die Windows-Plattform beziehungsweise .NET zu entwickeln. Firmenchef Steve Ballmer beschuldigte während seiner Keynote die IBM, vorwiegend den Verkauf von Dienstleistungen im Sinn zu haben, selbst dann, wenn Geschäftspartner darunter zu leiden hätten. Aus diesem Grund seien Partnerfirmen bei Microsoft besser aufgehoben. Aus der wachsenden Konkurrenz zu IBM macht das Softwarehaus keinen Hehl. Vor allem die Vertikalisierung im ISV-Geschäft sieht man als Bedrohung an. IBM hatte im März auf der "Partnerworld Conference" in Las Vegas mit "Advantage for Industries" ein ISV-Programm ins Leben gerufen. (fn)