IBM und die Leasinggesellschaften: Lästige, Konkurrenz unerwünscht

16.06.1989

H, Hubert Wetzels

Geschäftsführer der CSC Leasing und Finanzierung GmbH, München

Obwohl IBM immer wieder ihre partnerschaftliche Verhaltensweise im Verhältnis zu den teilweise von ihr selbst, teilweise vom Markt (wie im normalen Wettbewerb üblich) zugelassenen Händlern rühmt und in den Vordergrund stellt, ist nicht mehr zu übersehen, welches Ziel sie verfolgt:

Im Interesse der Markt- und Kundenkontrolle, die die IBM zweifelsohne anstrebt, soll eine Bereinigung erfolgen, mit dem Ziel, diejenigen Marktteilnehmer auszuschalten, die zur Zeit noch für eine gewisse Konkurrenz im IBM-eigenen Produktbereich sorgen. Dieses Langzeitziel wird von der IBM verfolgt, seitdem man einsah, daß der Verzicht auf das Vermietgeschäft, das im Jahr 80/ 81 eingeleitet wurde und zu einem boomartigen Wachsturn der freien Handels- und Leasinggesellschaften führte, nicht die Interessen der IBM wahrte. Diese Gesellschaften waren zunächst gern gesehene Helfer der IBM, wenn es darum ging, gebrauchte IBM-Anlagen beim Kunden zu "entsorgen", und auf der anderen Seite mit solchen kostengünstigen Anlagen die ungeliebte Konkurrenz, insbesondere von den kostenbewußten Anwendern, fernzuhalten.

Schon bald erkannte die IBM,- daß ein unabhängiger Dritter, der mit den Kunden eine langfristige Geschäftsbeziehung in Form eines Mietvertrages hatte, ihre bis dato völlige Kundenkontrolle störte. Der IBM-Anwender erhielt von seinen Gebrauchtmaschinenvermietern und Lieferanten eine Beratung, die nicht unbedingt die Interessen der IBM widerspiegelte, sondern mehr die Kosten und Budgetsituation des Kunden berücksichtigte. Der Flexibilität und Kreativität dieser Gesellschaften schienen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Aber offensichtlich lernte IBM sehr schnell. Die Tätigkeit der IBM-Credit-Cooperation, die in Deutschland aus steuerlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen von der IBM selbst wahrgenommen wird, hat die Entwicklung der freien Handels- und Leasinggesellschaft im Verlauf der letzten Jahre immer stärker behindert. In der Wahl der Mittel hierbei war IBM nicht zimperlich, und von partnerschaftlichem Verhalten konnte zu diesem Zeitpunkt bereits keine Rede mehr sein.

Eine von den freien Handels- und Leasinggesellschaften gegen IBM erhobene Beschwerde beim Kartellamt wurde in der Sache als richtig anerkannt. Die von IBM in einer Pressekonferenz zur Bilanzsituation mit einer unübersehbaren Selbstzufriedenheit gemachte Äußerung; daß die Beschwerde zurückgenommen wurde, ist falsch. Vielmehr konnte die Angelegenheit von amtlicher Seite nicht weiterverfolgt werden, weil die Beschwerdeführer keine Beweise in Form von Zahlen und Statistiken über Marktanteile und deren Entwicklung seit Eintreten der IBM in den Markt liefern konnten.

Mittlerweile hat jedoch der Markt selbst den Beweis über die Richtigkeit der damals erhobenen Beschwerde erbracht. Das Konkurrenzverhalten der IBM sowie auch die teilweise an Unvernunft grenzende Konkurrenz der beteiligten Firmen untereinander haben dazu geführt, daß die Margen immer kleiner wurden, Hinzu kam, daß die Bereitschaft, Risikopositionen in Form von Restwerten einzugehen, im Laufe der Jahre immer mehr gestiegen war, eindeutig verursacht dadurch, daß dies die einzige Möglichkeit war, der IBM noch Paroli bieten zu können.

Die Folgen sind bereits offensichtlich. Einige Marktteilnehmer verabschiedeten sich auf unrühmliche Art und Weise und stellten Konkursantrag. Andere erkannten früh genug die Situation und begaben sich unter die schätzenden Fittiche einer kapitalkräftigen Muttergesellschaft.

Verblieben sind eine Anzahl von kleineren Gesellschaften, die in Marktsegmenten und Nischen arbeiten und aufgrund geringer Administrationskosten gegen Marktveränderungen nicht sehr anfällig sind, sowie die Gesellschaften, denen es frühzeitig gelungen ist, ihre Schwerpunkte zu verlagern und zu diversifizieren.

Aber auch an diesen Gesellschaften ist der Kelch nicht endgültig vorübergegangen, da IBM immer noch hungrig und mit der Marktkontrolle noch nicht zufrieden ist.

In der Zwischenzeit hat IBM auch das Vertriebsnetz verändert, denn es ist nicht so, daß man die Händler nicht mehr braucht. Insbesondere bei dem zur Zeit stattfindenden Angriff auf den breiten Markt der mittleren Systeme (mit Hilfe der AS/400) beim noch aufnahmefähigen Marktsegment "mittelständige Industrie" kommt IBM ohne Händler nicht aus; aber auch nicht ohne entsprechende Kontrolle dieser Händler.

Die von IBM zugelassenen und zur Führung des begehrten Logos berechtigten "Vertriebspartner" sind strengen Maßstäben unterworfen und werden an der kurzen Leine geführt.

Eine Gewinnerwartung an die Gesellschaften zu stellen, wie sie die Aktionäre von IBM als Selbstverständlichkeit ansehen, ist vollkommen unrealistisch; ein offensichtlicher und verständlicher Grund, warum IBM gerne bereit ist, auf diese Betätigung zu verzichten und die eigenen Mitarbeiter für profitablere Aktivitäten einzusetzen.

Zum Beispiel, um die Kontrolle über die Kunden im Großmaschinenbereich vollständig zurückzugewinnen. Hier läßt sich die IBM einiges einfallen. Jede einzelne Vertriebschance wird als Ehrensache angesehen, auch wenn der Einsatz der Mittel manchmal Zweifel an der Ehrenhaftigkeit der Akteure aufkommen läßt. Zwar räumt IBM immer wieder ein, daß es in Einzelfällen zu Verstößen gegen den selbstauferlegten Vertriebskodex kommt, jedoch folgt immer wieder der Hinweis, daß man nicht in jeder einzelnen Situation die Verhaltensweise des Vertriebes kontrollieren kann, und verweist auf die Tatsache, daß Roß und Reiter stets bestraft werden, wenn eine derartige Situation bekannt wird. Es fragt sich, wem das nutzt, wenn eine Vertriebschance bereits verloren ist.

Es muß auch die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, wenn die Konkurrenz die Polizeifunktion in der IBM-Vertriebsmannschaft ausfahren muß! Der lachende Dritte in diesem Kampf ist der Kunde. Die Kombination aus Rabattmix, günstigeren Finanzierungskonditionen und Dreingaben in Form von kostenloser Software und Unterstützung führt zu einer noch nie dagewesenen Preissituation. Man muß sich nun die Frage stellen, wem diese Situation langfristig nutzt. Es steht außer Frage, daß die IBM kein Unternehmen aus dem Wohltätigkeitsbereich ist, sondern zielgerichtet und langfristig die Gewinnmaximierung verfolgt.

Die in der Vergangenheit von den Handels- und Leasinggesellschaften gegen IBM für die Kunden erkämpften Preisvorteile werden nun scheinbar von IBM selbst angeboten, seit kurzem auch durch die neugegründete Abteilung "Vertrieb Gebrauchtsysteme". Konkurrenz im eigenen Hause kann jedoch nur von kurzer Dauer sein. Langfristig wird IBM daran interessiert sein, den Geldbeutel des Kunden weit offenzuhalten. Unsere Aufgabe als unabhängige Händler und Leasinggesellschaften ist es, das Preisgefüge zu beobachten und partnerschaftlich mit unseren Kunden ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.