Zusammenarbeit mit Big Blue statt mit Microsoft

IBM und Borland wollen mit C++ Standard für OOP setzen

07.06.1991

MÜNCHEN (gfh) - Das Gerangel um eine gute Ausgangsposition im entstehenden Markt für objektorientierte Produkte (OOP) hat begonnen. Während sich im Rahmen der Object Management Group (OMG) rund 120 Anbieter um einen allgemein anerkannten Standard für Objekte und Objektschnittstellen bemühen, wollen IBM und Borland offensichtlich vollendete Tatsachen schaffen.

Borland und IBM haben sich zusammengetan, um mit der objektorientierten Programmiersprache C + + den Markt zu erobern. Bereits Ende dieses Jahres sollen, wie die CW-Schwesterpublikation "lnfoworld" erfahren hat, Beta-Versionen von Borlands C + + für OS/2, Version 2, ausgeliefert werden. Das US-Magazin sieht die Zusammenarbeit des C + + -Marktführers mit der IBM vor allem vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Big Blue und dem OS/2-Partner Microsoft.

In eine ähnliche Richtung zielen die Hinweise von Harry Paintner, Produkt-Manager von C + + bei Borland Deutschland. Nach seiner Darstellung sei ursprünglich eine Zusammenarbeit mit Microsoft beabsichtigt gewesen. Synergie-Effekte versprach sich Borland zunächst von einer C+ + -Version für den Verkaufsschlager Windows 3.0. Dafür entwickelte das Unternehmen ein Verfahren, um Objekte direkt über die grafische Oberfläche von einer Programmiersprache in eine andere einzubinden.

Mit Microsoft als Partner hätte Borland auf die bereits ansatzweise objektorientiert entwikkelte Windows-Oberfläche gesetzt. Die Kooperation mit IBM kommt nun nach Einschätzung von Jeffrey Tarter, Mitarbeiter des US-Nachrichtendienstes "Soft Letter", der von Big Blue empfohlenen, aber hierzulande wenig erfolgreichen OS/2-Benutzerschnittstelle Presentation Manager (PM) zugute.

Einige Analysten betonen bei der Kooperation vor allem die beherrschende Position der IBM und die Marktführerschaft von Borland bei der objektorientierten Programmiersprache C+ +. Diese Konstellation bestätigt ihrer Ansicht nach die Befürchtungen der OMG, wonach das voreilige Ringen um Marktanteile den Markt für objektorientierte Produkte kaputt machen könnte (siehe auch CW Nr. 15 vom 12. April 1991, Seite 11: "OMG-Gruppe befürchtet eine Zersplitterung des OOP-Marktes").

IBM und Borland entfernen sich mit ihren Aktivitäten offensichtlich von den Zielen der etwa 120 Mitglieder starken Herstellergemeinschaft OMG, die sich um herstellerübergreifende Standards für Objekte und ihre Schnittstellen bemüht. Eine solche Teilung des Marktes ist aus der Sicht der OMG vor allem deshalb fatal, weil inkompatible, herstellerspezifische Objekttypen den Hauptvorteil dieser Technik, nämlich die Wiederverwendbarkeit, empfindlich einschränken würden.

Bereits im April dieses Jahres vermutete "lnfoworld", daß die Standardisierungspläne der OMG zum Scheitern verurteilt sein könnten, wenn sich ein so einflußreiches Unternehmen wie Big Blue nicht anschließe und statt dessen eigene Entwicklungen favorisiere. Anders stellt sich für Borland-Manager Paintner die Situation dar. Seine Devise lautet: Besser ein Industriestandard von Markführern wie IBM und Borland als ergebnislose Dauerdiskussionen in Standardisierungsgremien.

Noch vor kurzem allerdings hat Borland der OMG die Programmierschnittstelle (API) seiner "Object-Windows"-Bibliothek von Turbo-Pascal als möglichen Standard für die Anwendungsentwicklung unter Microsoft Windows angeboten. Jetzt, so räumt Paintner ein, müsse man allerdings erst einmal sehen, welche internen Sachzwänge bei der IBM zu berücksichtigen seien.