Kolumne

"IBM´s Service lebt von der Vergangenheit"

06.02.1998

Kaum etwas macht den Wandel der IT-Industrie deutlicher als die Entwicklung der IBM in den letzten fünf Jahren (siehe Seite 9). Wie die meisten Branchengrößen hat sich auch Big Blue von dem Anspruch verabschiedet, möglichst viel im eigenen Haus zu entwickeln und zu produzieren. Die Unternehmen entscheiden sich heute entweder dafür, Hersteller von Basistechnologien zu sein - wie Microsoft und Intel -, oder sie schlagen den Weg des Lösungsanbieters und Systemintegrators ein - wie IBM, HP und jetzt wohl auch Compaq. Eine starke Produktbasis ist dafür allerdings unabdingbar.

Neben dem enorm gestiegenen Konkurrenzdruck machte vor allem die zunehmende Komplexität der Technologie diese Neuausrichtung notwendig. Die unzähligen einzelnen Bausteine, die heute für eine funktionierende Datenverarbeitung ineinandergreifen müssen, sind nicht mehr von einem Hersteller allein zu entwickeln.

Das war vor knapp einem Jahrzehnt noch anders. Damals beherrschte die IBM die Schlagzeilen der Fachpresse mit allen wichtigen IT-Themen. Kaum eine Entwicklung, schien es, die nicht ihren Anfang in Armonk nahm; zumindest konnte sich jahrzehntelang keine Technologie durchsetzen, die nicht den Segen der IBM hatte.

Doch die Emanzipation vieler DV-Anwender vom Großrechnerkonzept und damit vom Hoflieferanten IBM gipfelte 1993 im größten Verlust der Firmengeschichte.

In den folgenden vier Jahren brachte der neue Boß Louis Gerstner die IBM nicht nur zurück in die schwarzen Zahlen, er richtete das Unternehmen neu aus. Heute sind Entwicklung und Produktion von Informationstechnik nur noch ein Teil der IBM-Mission. Dem Unternehmen geht es eigener Aussage zufolge heute vor allem darum, die IT-Innovationen in direkten Nutzen für ihre Kunden umzumünzen. Das schlägt sich in den Zuwächsen des Servicegeschäftes nieder und im Personal: Zwei Drittel der rund 240000 Mitarbeiter setzt die IBM im Lösungs- und Servicesektor ein.

Noch lebt das Dienstleistungsgeschäft allerdings von den Großtaten der Vergangenheit. Damit es, wie gewünscht, stärkster Umsatzträger werden kann, benötigt die IBM weiterhin eine zukunftsgerichtete Hard- und Softwareentwicklung. Und da ist bis auf die Zukäufe Lotus und Tivoli nicht allzuviel erkennbar.