Bemühungen um offenen Standard nicht im falschen Licht sehen:

IBM setzt Anwender unter Druck

16.05.1986

LONDON (CWN) - Einen Warnruf hat die britische Tochter der IBM Corp. jetzt gegen ihre Anwender ausgestoßen: Man solle das Engagement von Big Blue, in der Computerindustrie einen offenen Standard zu schaffen, nicht als Selbstverstandlichkeit ansehen.

Bei der Jahresversammlung der IBM Computer Users Assosiation (CUA) äußerte sich Tony Cleaver, Vorstandsmitglied der IBM in Großbritannien, besorgt über die Entwicklung, die die Festlegung einheitlicher Grundregeln mit sich brächte. Als Beispiel führte er das Modell des Open Systems Interconnection (OSI) an. IBMs Beteiligung in diesem Trend dürfte nicht als Blankoscheck angesehen werden. Das Unternehmen sei keineswegs bereit, Standardwerte zu akzeptieren, die weder definiert noch veröffentlicht wären. Die Industrie überdenke gerade ihre Haltung gegenüber einheitlichen Regeln, behauptete Cleaver und zielte damit auf die europäische Computer Manufacturers Association, die sich im Februar geweigert hatte, das IBM-

Konzept LU 6.2 im Rahmen des OSI-Modells zu übernehmen. Während der letzten Jahre seien die Standardisierungsbestrebungen immer mehr zum Geschäftspolitikum der Unternehmen geworden, erklärte das Vorstandsmitglied und verwies dabei ausdrücklich auf OSI. SNA würde häufig als machiavellistischer Zug der IBM interpretiert, um die Anwender bei der Stange zu halten.

Cleaver appellierte an die Mitglieder der CUA-Anwendervereinigung, sich Klarheit über die speziellen Eigenheiten der einzelnen Systeme zu verschaffen, von deren Qualität man sie zu überzeugen versuche. Ihren Interessen müsse ebenso viel Gewicht beigemessen werden wie denen der Hersteller. Auf lange Sicht wolle die IBM jedoch bei der Erarbeitung neuer Standardwerte mitwirken - und zwar an vorderster Front.