Gratis Programme für den Personal Computer PCXT sollen Umsatz ankurbeln:

IBM schockiert die Mikro-Softwarebranche

17.05.1985

MÜNCHEN (CW) - Zu einiger Aufregung in der Softwarebranche hat eine auf 90 Tage befristete IBM-Aktion zur Förderung des PC/XT-Absatzes in den USA geführt: Um die Dispositionen des Handels zu beleben, gibt es zu jedem PC/XT zwei (IBM-)Softwarepakete gratis.

Zu den Floppy-Versionen des XT liefert IBM das Textprogramm "Writing Assistant" und das Spreadsheet "Planning Assistant", die Festplattenausführungen werden mit Displaywrite III und Topview oder aber dem File-Management-Programm Data Edition geliefert. Ob eine ähnliche Aktion auch hierzulande gestartet wird, ist einstweilen noch offen. Ein Sprecher der IBM Deutschland GmbH erklärte gegenüber der COMPUTERWOCHE, die für den PC zuständige Europazentrale in London habe diese Entscheidung in das Ermessen der nationalen Gesellschaften gestellt. In Deutschland gebe es derzeit keine konkreten Pläne.

Bei den amerikanischen Software-Anbietern ist diese Aktion auf fast einhellige Ablehnung gestoßen. Gelassen gibt sich Fred Gibbons, Präsident der Software Publishing Corp., die IBM mit den Programmen Planning Assistant und Writing Assistant beliefert und deshalb kaum Absatzeinbußen befürchten muß. Die IBM-Aktion sei nichts Neues und entspreche ähnlichen Maßnahmen von Tandy oder Hewlett-Packard. Bill Gates von Microsoft sieht die Dinge so wie die meisten Software-Anbieter: "Ich hätte nie gedacht, daß IBM jemals so etwas tun würde. Die Aktion wird auf die Umsätze jedes Software-Anbieters drücken und die gesamte Branche schwächen."

Den Schwarzen Peter hat IBM freilich dem Handel zugeschoben. Im Gegensatz zu einer ähnlichen Aktion für den mittlerweile gestorbenen PCjunior wird für die jüngste Aktion nicht geworben. Der Händler kann selbst entscheiden, ob er den Software-Bonus direkt an seinen Kunden weitergibt oder Erlöse auf dem Verkauf der Software nutzt, um seine dünner werdenden Margen aufzubessern. Durch das Bekanntwerden der Aktion in der Öffentlichkeit sehen die Chancen für diese zweite Möglichkeit nun nicht mehr allzu gut aus.

IBM selbst will sich zu den Motiven der Software-Aktion nicht äußern. Es handele sich um eine in der Branche durchaus übliche Routineangelegenheit. Nicht auszuschließen ist, daß die Lager vor der Ankündigung eines leistungsfähigeren Nachfolgemodells für den PC/XT geräumt werden sollen. Eine andere Variante erscheint Camilo Wilson von Lifetree Software wahrscheinlicher. Er meint, IBM - habe versucht, in das Softwaregeschäft einzusteigen und erkannt, daß das nicht funktioniert. "Sie haben Software in Kommission genommen, und das klappte nicht. Jetzt verschenken sie die Programme."