Wettbewerber sehen in Verwirrungstaktik:

IBM rückt PS/2-Nachahmern juristisch zuleibe

11.09.1987

NEW YORK (vwd) - Um nicht erneut einen beträchtlichen Anteil des Marktes für Personal Computer an Hersteller von fast identischen, aber billigeren Geräten zu verlieren, hat IBM eine aggressive juristische Kampagne gestartet.

Kritische Beobachter in den USA sind allerdings der Meinung, die bisher eingeleiteten Maßnahmen seien nicht mehr als ein großangelegter Einschüchterungsversuch, der letztendlich kaum Wirkung haben dürfte.

So hat Big Blue mehrfach die "ernstgemeinte Warnung" ausgesprochen, daß niemand einen "legalen" Clone der neuen PC-Serie PS/2 bauen könne, ohne über Patentlizenzen von IBM zu verfügen. Außerdem wurden in bisher unüblichem Umfang Klagen gegen angebliche Verstöße gegen das Warenzeichen für die neue Familie PS/2 eingereicht. So zum Beispiel wird in einer Klage behauptet, ein Produkt von AST Research Inc. mit der Bezeichnung "Rampage/2" verstoße gegen das IBM-Warenzeichen.

Bei der ersten PC-Generation hatte sich der Konzern wenig um Patentschutz gekümmert. Das soll bei der neuen Familie ganz anders sein: Dem Vernehmen nach wurden "mehrere Dutzend" Patente beantragt. In der Industrie heißt es allerdings, diese Kampagne werde die bereits in der Entwicklung befindlichen billigen Alternativen zur PS/2-Linie nicht stoppen. Big Blue könne nicht einfach mit Patentrechten drohen, die bisher nicht bekannt - vielleicht: nicht einmal erteilt - seien. Außerdem sollen sich einige Patentanträge auf PS/2-Teile beziehen, deren Nutzen unklar sei. Falls die Kritiker sich täuschen, könnte IBM tatsächlich über den Rechtsweg den Marktanteil der Anbieter kompatibler Produkte kräftig beschneiden. Zumindest könnte allein die Drohung mit gewöhnlich kostenintensiven und langwierigen Patentverletzungsprozessen viele kleine Produzenten abschrecken. Für IBM hat diese Frage nicht zu unterschätzende Bedeutung. Nach einer Prognose des Marktforschungsinstituts Infocorp wird ihr Anteil am Markt für PCs nach "Industriestandard" in diesem Jahr auf 38 Prozent von 40 Prozent im Vorjahr und 53 Prozent 1985 zurückgehen.

Für die neue PS/2-Serie werden deshalb keine allgemein erhältlichen Teile, sondern "von Grund auf selbstentwickelte" genutzt, sagt Henry Hall, bei IBM zuständig für Patente und Lizenzen. Hersteller von "Clones" halten dagegen, IBMs Aussagen darüber, was denn nun die neue "Supertechnologie" sei und wie man sie schützen wolle, seien sehr vage. Die Bearbeitung von Patentanträgen dauert im allgemeinen mindestens ein Jahr - und bis zur Entscheidung wird ihr Inhalt geheimgehalten. IBM sagt dazu, man habe in die PS/2 "Geheimnisse'' eingebaut, die neben Patenten in anderer Form geschützt seien, ist aber nicht bereit, zu beschreiben, worum es sich handelt. Deshalb sehen IBM-Konkurrenten das Ganze als Kampagne, um Verwirrung zu stiften, Unsicherheiten und Zweifel zu säen und damit die potentiellen Kunden an sich zu ziehen.

Microchannel als Mittel gegen unliebsame Konkurrenz

Im Mittelpunkt der Kontroverse steht der "Microchannel" des PS/2; er dürfte am schwierigsten legal reproduzierbar sein. Allerdings gehen die Meinungen darüber, wie wichtig der "Microchannel" ist, auseinander. Wettbewerber argwöhnen, er sei in erster Linie dazu da, ihnen das Geschäft zu erschweren, nicht aber dem Anwender etwas Besonderes zu bieten.

Die IBM hat ihrerseits die Diskussion um den "Micro-Channel" dadurch angeheizt, daß man sich öffentlich bereit erklärt hat, "unter bestimmten Umständen" Patentlizenzen dafür zu vergeben. Einige "Clone"-Hersteller interpretieren das als nur wenig verschleierten Hinweis, daß sie mit Klagen rechnen müssen, wenn sie diese Lizenzen nicht erwerben. "Vielleicht brauchst Du sie gar nicht, kaufst sie aber, um sicherzugehen, daß Du Dir keine Klage an den Hals ziehst", präzisiert es ein Anwalt.

Wenig Verständnis haben in Industriekreisen auch zwei Aktionen von IBM gefunden: Klagen wegen Verletzung des Warenzeichens gegen Hersteller von Speicherboards für die PS/2-Serie. AST Research soll durch Benennung ihrer Produkte mit "Rampage/2" und "Advantage/2" sowie Anzeichen mit der Überschrift "PS/2 Memory. Unser Name sagt alles" gegen das geschützte PS/2-Warenzeichen verstoßen haben. Bei Orchid Technology bestand die "Untat" in einer Anzeige mit der Überschrift: "Einführung von PS/2-Speichererweiterung für Leute, die mehr wollen." In beiden Fällen klagt IBM auf Schadenersatz. Beobachter halten dieses Vorgehen des Konzerns für "rauher als üblich".