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IBM pumpt vier Milliarden Dollar in Hochleistungsnetze

02.08.2001
IBM will über sogenannte "Grids" Großunternehmen und Institutionen in die Lage versetzen, systemübergreifend freie Rechenkapazitäten zu nutzen und so ein Hochleistungsnetz aufbauen. Dabei setzt Big Blue vorrangig auf Open-Source-Software.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBM will über sogenannte "Grids" Großunternehmen und Institutionen in die Lage versetzen, systemübergreifend freie Rechenkapazitäten zu nutzen und so ein Hochleistungsnetz aufbauen. Dabei setzt Big Blue vorrangig auf Open-Source-Software. IBM selbst will in diesem Zusammenhang weltweit für rund vier Milliarden Dollar 50 Server-Farmen einrichten.

Grid-Netzwerke ermöglichen die virtuelle Zusammenlegung von Rechenzentren zu Clustern über das Internet. Der Grundgedanke ist, dass in der Regel die Prozessorleistung eines Rechners nur selten durch lokale Anwendungen voll ausgeschöpft wird. Die überschüssige Leistung soll anderen Anwendungen verfügbar gemacht werden. In einem Grid lassen sich freie Kapazitäten so bündeln, dass extrem hohe Rechenleistungen erreicht werden.

IBM setzt dabei auf Server der X-Serie, die unter dem Betriebssystem Linux laufen. Als Grid-Software kommt ein ebenfalls frei verfügbares Toolkit des Open-Source-Projekts Globus zum Einsatz. Laut IBM soll das Toolkit nicht auf die Unix-Variante "AIX" portiert werden.

In Europa wird das erste Grid-Netz in Großbritannien entstehen. Im Auftrag der britischen Regierung baut IBM in einem 180-Millionen-Dollar-Investment eine Server-Farm an der Universität Oxford auf, die neben der Prozessorleistung der Rechner auch zehn Terabyte Speicherplatz zur Verfügung stellt. Sie ist eines von zehn Rechenzentren neben Cambridge, London, Manchester, Newcastle, Southampton, Edinburg, Glasgow, Cardiff und Belfast. Dienen soll Oxford als primäre Quelle für Daten aus der Hochenergie-Physik, die bei der "European Organisation for Nuclear Research" (CERN) gesammelt werden. Ist das Netz zwischen den zehn Rechenzentren einmal komplett, können Forscher von jedem dieser Orte auf die Daten zugreifen und gemeinsam an den Projekten arbeiten. Dabei spielt es keine Rolle, wo der oder die Rechner stehen, auf denen die für das Projekt relevanten Anwendungen laufen.

Auch in den Niederlanden soll in Zusammenarbeit mit der Regierung ein Grid entstehen. Dort sollen die Rechenzentren von fünf Universitäten zu einem Hochleistungsnetz zusammengeschlossen werden. Das ist ein weiterer Schritt zum geplanten "Super-Grid", in dem IBM eine Vielzahl von nationalen Server-Farmen grenzüberschreitend vernetzen will. Die IBM-Abteilung IBM-Research hat solche Datenzentren bereits in Israel, Japan, der Schweiz und den USA aufgebaut.

Die von IBM verfolgte Grid-Strategie unterscheidet sich von herkömmlichen "Distributed-Computing"-Modellen, bei denen ein zentraler Server große Projekte in Datenpakete zerteilt, über ein bestehendes Netz an mehrere Rechner verteilt, die fertig berechneten Daten einsammelt und zum Endergebnis zusammenfügt. Dabei findet die Ressourcenteilung im Stil eines "Peer-to-Peer"-Netzes statt. Eines der bekanntesten Beispiele für dieses Modell ist das Seti@Home-Projekt der Universität Berkley, dessen Ziel es ist, mit Hilfe überschüssiger Rechenkapazitäten tausender Home-PCs außerirdische Lebensformen zu entdecken. Der Vorteil liegt darin, dass bei diesem Verfahren herkömmlich Netzwerkbandbreiten ausreichen. Außerdem gibt es kaum Sicherheitsprobleme, da die einzelnen Datenpakete nur Bruchstücke der Gesamtinformation enthalten. Auch das Abgreifen aller Daten vor dem Server brächte nichts, denn erst im Server sind die Informationen enthalten, wie die Datenpakete zusammengefügt werden müssen.

Da in einem Grid nicht nur Daten hin- und hergeschickt, sondern Anwendungen ausgeführt werden, braucht man höhere Bandbreiten als beim Peer-to-Peer-Computing. Außerdem muss der Datenverkehr besser abgesichert werden. Diese Probleme soll das Open-Source-Netzwerkprotokoll lösen, das im Globus-Toolkit enthalten ist.

Obwohl die Server-Farmen zur Zeit nur an Universitäten und für Forschungszwecke eingerichtet werden, glaubt IBMs Chefentwickler Irving Wladawski-Berger an einen baldigen kommerziellen Erfolg. Erste Firmen, wie zum Beispiel die US-Firma Entropia, stehen schon in den Startlöchern und wollen als Provider Rechenkapazitäten aus Grids an den Anwender bringen.