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IBM öffnet die Power-Architektur

01.04.2004
Big Blue legt die Architektur seines Power(PC)-Prozessors offen, damit andere Firmen sie für eigene Designs nutzen können. IBM behält aber die Kontrolle über den RISC-Befehlssatz.

Integration und Kooperation statt Gigahertz-Wahn lautet das neue Mantra der Chip-Designer von IBM. Das Unternehmen legt die Architektur des "Power(PC)"-Prozessors offen, damit andere Unternehmen sie als Basis eigener Chip-Designs nutzen können. Die Möglichkeiten, durch Verkleinerung der Fertigungsstrukturen und durch höhere Taktraten zu leistungsfähigeren Prozessoren zu kommen, könnten in absehbarer Zeit an ihre Grenzen stoßen, erklären IBM-Manager. Wichtiger sei es daher, eine einheitliche Architektur zur Grundlage verschiedener CPUs für unterschiedliche Geräte zu machen.

Im Gegensatz zur Interpretation in manchen Presseberichten verfolgt Big Blue keine Open-Source-Strategie auf Hardwareebene; eher geht es um eine Variante der "On-demand"-Strategie. IBM behält sich die Kontrolle über den RISC-Befehlssatz des Power-Chips vor. Dies sei notwendig, um ein einheitliches Fundament zu bewahren. Ansonsten legen die Armonker die Architektur des Prozessors offen. Somit können nun dritte Unternehmen, Forschungsinstitute und Universitäten um den blauen Kern herum eigene Designs entwickeln. Sie dürfen in den Chip beliebige spezielle Funktionen integrieren und ihn bei anderen Unternehmen herstellen lassen. Bisher hatten nur IBM und Motorola Power-Prozessoren gefertigt.

So könnte Cisco, das schon jetzt den Power-Chip in Netz-Appliances verwendet, den Kern des Prozessors um Funktionen erweitern, die das Unternehmen für seine Geräte benötigt. Der Netzwerkriese würde dann weniger zusätzliche Prozessoren in Appliances einbauen müssen, die Produktionskosten würden sinken. Oder Sony könnte die Grafikfähigkeiten der Power-Architektur verbessern, um die CPU in künftigen "Playstation"-Konsolen zu verbauen. Beide Firmen hätten die Möglichkeit, ihre Power-Varianten kostengünstig beispielsweise in Taiwan brennen lassen. Voraussetzung ist lediglich, dass die interessierten Firmen offiziell am IBM-Programm teilnehmen.

Dies stützt sich derzeit auf drei Säulen. Das Unternehmen richtet ein Portal für Chipentwickler ein, die auf Basis der Power-Architektur arbeiten wollen. Außerdem soll ein kostenloses "Power Architecture Pack" zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich um ein Softwareentwicklungs-Kit, mit dem Firmen die Funktionen ihrer eigenen Chipdesigns simulieren können. Schließlich richtet Big Blue mehrere "Power Architecture Center" ein, in denen IBM-Mitarbeiter Fremdfirmen bei ihren Chip-Entwicklungen beraten und unterstützen.

Sony hat bereits die Power-Architektur in Lizenz genommen, ebenso die US-Rüstungsschmiede L-3 Communications, der chinesische Hersteller elektronischer Komponenten Global Brands Manufacture sowie der Linux- und Embedded-Systems-Spezialist Red Hat. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass sich bisherige IBM-Partner wie Apple, Cisco, Chartered, Infineon und Samsung dem Programm anschließen werden. Doch es werden sicher Jahre vergehen, bis sich herausstellt, ob die Öffnung der Power-Architektur zu einer breiten Industrieallianz führt.

Marktanalysten werten den Schachzug von IBM als Beleg dafür, dass Big Blue zu seinem Power-Prozessor steht. Während Hewlett-Packard die eigene PA-RISC-Linie aufgibt, kapituliere IBM nicht vor Intels Itanium-Reihe. Für die Anwender sei es ein beruhigender Vorteil, eine einheitliche Basisarchitektur in einem breiten Spektrum von Geräten zu wissen. IBM hat angekündigt, den Power-Prozessor selbst weiterentwickeln zu wollen. Der "Power5" für die hauseigenen i- und pSeries-Server soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres auf den Markt kommen. (ls)